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»Wenn hier einer ein Bastard war, dann dieser Timmy«, entgegnete der Reverend kühl. »Er hat zuerst geschossen und das Halbblut umgebracht. Dann wollte er die Frau dort töten, nachdem er versucht hat, sie zu vergewaltigen.«

Black Joes Augen wanderten von dem toten Billy Calhoun zu Martin und Urilla.

Die rothaarige Frau hatte sich inzwischen ein wenig beruhigt und sagte mit noch immer tränenerstickter Stimme: »Das stimmt.«

In Black Joes Gesicht arbeitete es. Sein ganzer Körper erbebte unter dem Zorn, der ihn erfüllte. Aber angesichts der Waffe, die auf ihn gerichtet war, beherrschte er sich.

Er sah wieder seine Gefährten an.

»Holt die Pferde und helft mir, Timmy aufzuladen. Wir haben hier nichts mehr verloren.«

Die drei Männer wandten sich ab und kehrten wenige Minuten später mit Reit- und Packtieren zurück. Wortlos legten sie ihren toten Gefährten über sein Pferd, saßen dann selbst auf und ritten in die inzwischen über das Tal hereingebrochene Nacht hinaus.

Die Siedler blickten ihnen nach, bis ihr Hufgetrappel verklungen war.

Erst dann entspannte Reverend Driscoll den Hahn seines Webley und schob den Revolver zurück ins Holster.

*

Hier ruht Billy Calhoun (gest. am 12. Dez. 1863) Er war der Sohn zweier Welten und trug von jeder das Beste in sich.

Er zeigte uns den Weg ins Gelobte Land.

Möge der Herr ihm den Weg zum ewigen Frieden zeigen.

So lautete die eingeritzte und mit dunkler Farbe übermalte Aufschrift auf dem schlichten und doch schönen Holzkreuz, das Jacob gefertigt hatte und das jetzt auf Billy Calhouns Grab stand.

Für das Grab hatten die Auswanderer einen kleinen, von Kiefern bestandenen Hügel ausgewählt, von dem aus man einen herrlichen Blick über das grüne Tal am Ostrand der Cascade Range hatte. Das erschien ihnen angemessen für den Mann, ohne den sie vielleicht niemals hier angekommen wären.

Obwohl der Halbindianer den Weg über die Rockies nur einmal zuvor bewältigt hatte, war er stets ein verläßlicher Führer gewesen und - wichtiger noch - ein treuer Freund. Er hatte es den Auswanderern nicht vergessen, daß sie ihn in ihrer Mitte aufgenommen hatten, obwohl er ihnen ein Pferd stehlen wollte. Und sie würden ihn nie vergessen.

Fast die gesamte Bevölkerung von Abners Hope versammelte sich am Nachmittag des Tages, an dem die tödlichen Schüsse gefallen waren, zur Beerdigung. Zu Hause blieb nur, wer wegen Krankheit oder der Sorge für seine Kinder unabkömmlich war.

Reverend Driscoll las aus der Bibel, und Jacob hielt die Grabrede.

»Wir wissen nicht viel über den Menschen, der hier begraben liegt«, schloß der junge Zimmermann. »Aber wir wissen, daß er ein guter Mensch war und uns ein guter Freund. Wir werden stets seine Freunde bleiben.«

Der Reverend segnete das Grab und empfahl die Seele des Toten dem Herrn.

In vielen Augen glitzerten Tränen, nicht nur in denen von Frauen.

Der Abschied von Billy fiel den Siedlern schwer. Nur allmählich zerstreuten sie sich, gingen zu ihren Pferden und Wagen.

Der Reverend folgte auf seinem Rappen dem Wagen von Jacob, Irene, Martin und Urilla. Zurück zu dem Blockhaus, in dem sie lebten und in dem Driscoll auch schon die vergangene Nacht verbracht hatte.

Mehrmals drehten sich die Menschen auf dem Planwagen um und sahen zurück zu dem Holzkreuz auf dem Hügel, hinter dem allmählich die Sonne versank.

Jamie begann zu weinen. Irene drückte ihn sanft an ihre Brust und schaukelte ihn hin und her. Auch sie weinte.

Der Reverend sah durch die hintere Öffnung der Plane in den Wagen und starrte die junge Deutsche mit dem seltsamen Blick an, mit dem er sie schon den ganzen Tag über bedacht hatte.

*

Die Dämmerung war längst hereingebrochen, als sie die Farm erreichten, die Martin und Urilla bewirtschaften wollten. Die beiden bedauerten sehr, daß Jacob und Irene nicht in Abners Hope bleiben wollten. Aber sie konnten verstehen, weshalb ihre Freunde nur vorübergehend unter ihrem Dach schliefen. Sie suchten die Menschen, die sie liebten.

Irene wickelte Jamie und legte ihn in das Kinderbett, das Jacob gebaut hatte. Es war schon das zweite; das erste Bettchen, das Jacob auf dem Weg nach Oregon gefertigt hatte, mußte unterwegs zurückbleiben, um den Wagen zu entlasten. Dann half Irene Urilla bei der Zubereitung des Abendessens.

Die Männer setzten sich an den groben, aber von Jacob fachmännisch und sauber zusammengezimmerten Holztisch und rauchten teure Zigarren, die der Reverend anbot.

»Hm«, machte Martin anerkennend, als er die um seine Zigarre gewickelte Banderole abstreifte. »Eine Henry Clay. Das Wort des Herrn zu verkünden, scheint einen Mann gut zu ernähren.«

Driscoll lachte kurz.

»Täuschen Sie sich nicht, Mr. Bauer. Vielleicht können sich die Geistlichen bei Ihnen in Deutschland von Gottes Wort ernähren. Hier in Oregon hört zwar jeder gern, was der Herr und ich zu sagen haben, schon weil es in der Einsamkeit eine nette Abwechslung ist, aber in den meisten Fällen kann ich froh sein, wenn ich dafür eine warme Mahlzeit und in der Nacht ein Dach über dem Kopf bekomme.«

Martin riß ein Streichholz an und blickte den Reverend über die Flamme hinweg an.

»Und wovon leisten Sie sich so was wie die Zigarren, wenn ich das fragen darf?«

»Durch jede Arbeit, die mir angeboten wird. Ich hacke Holz, helfe bei der Ernte oder stelle meine bescheidenen Fähigkeiten als nicht studierter Arzt unter Beweis.«

»Nicht studierter Arzt?«

Der Reverend zuckte mit den Schultern und blies einen Rauchkringel zur Decke.

»Man lernt eine Menge, wenn man sich lange Zeit in der Wildnis herumtreibt. Richtige Ärzte sind hier ebenso selten wie Lehrer, Rechtsanwälte und Gefängnisse.«

»Und wie Geistliche«, fügte Jacob mit einem langen Blick auf Driscoll hinzu.

Der lachte wieder. »Und wie Geistliche. Richtig, Mr. Adler.«

»Wäre es nicht lohnender für Sie, sich an einem festen Ort niederzulassen?« fuhr Jacob fort. »Sie könnten eine Kirche bauen, in die die Menschen regelmäßig kommen. Wenn sie gehen, lassen sie meistens etwas im Klingelbeutel zurück.«

»In der Tat habe ich schon an so etwas gedacht. Ich hatte es sogar fest vor, als ich kürzlich nach Hoodsville kam. Die Siedlung ist in den letzten Jahren zu einer richtigen kleinen Stadt angewachsen. Mit einem Bürgermeister, einem Sheriff und sogar einer Schule, die nur noch einen Lehrer sucht. Dort scheint man eine Kirche und einen Geistlichen gut gebrauchen zu können.«

»Warum sind Sie nicht dortgeblieben?«

»Es kam etwas dazwischen, Mr. Adler«, antwortete Driscoll und sah dabei Irene, die Teller mit dampfendem Bohneneintopf auftrug, wieder mit jenem seltsamen Blick an. »Eine Mission, wenn man so will, die ich übernommen habe.«

Jacob waren die Blicke nicht entgangen, die der Reverend Irene schon den ganzen Tag über zuwarf. Erst hatte er gedacht, er würde sich täuschen. Aber aus irgendeinem Grund schien sich Driscoll ganz besonders für Irene zu interessieren.

Jacob zermarterte sich den Kopf über diesen Grund, wagte den Reverend aber nicht zu fragen. Vielleicht täuschte er sich doch. Er wollte sich nicht lächerlich machen.

»Eine Mission?« wiederholte er. »Im Auftrag des Herrn?«

»In diesem Fall einmal nicht«, antwortete Driscoll kopfschüttelnd. »Jedenfalls nicht direkt. Ich habe eine Nachricht zu überbringen, eine sehr traurige Nachricht. Das habe ich einem fahrenden Händler versprochen, den ich oben in Hoodsville traf.«

Irene, die mit den restlichen Tellern kam und sie auf den Tisch stellte, hatte die letzten Worte gehört und fragte: »Sprechen Sie etwa von Mr. Bodeen, Reverend? Er war erst vor ein paar Tagen in Abners Hope.«

Driscoll nickte und sah Irene ernst an.

»Bodeen, ja. Er hat mir erzählt, daß er hier war und mit Ihnen gesprochen hat, Miß Sommer.«