»Sie schlagen mir die perfekte Lösung für meine beiden Probleme vor, nämlich wie ich diesem Sternensystem meine Unterstützung anbieten und wie ich Captain Bradamonts Krise aus der Welt schaffen kann. Wieso?«
Sie zog die Stirn in Falten. »Es könnte meine mitfühlende Seite sein, die sich da regt.«
»Das tut sie aber nicht sehr oft«, gab Geary zurück. »Besonders nicht in der jüngsten Zeit.«
»Dann ist es vielleicht mein innerer Schweinehund, der sich nicht allzu sehr von meinem äußeren Schweinehund unterscheidet und der es darauf anlegt, dass die Pläne gewisser Gruppierungen in der Allianz durchkreuzt werden.« Rione sah ihm in die Augen. »Eine Flottenoffizierin, die mit dem Feind Kontakt hält, nachdem sie aus einem Kriegsgefangenenlager der Syndiks befreit worden war? Die Informationen an den Feind weitergeleitet hat? An einen feindlichen Offizier, für den sie romantische Gefühle hegte? Überlegen Sie doch mal, welche Folgen es nach sich ziehen kann, wenn eine solche Information publik wird.«
Geary beugte sich vor und erwiderte energisch: »Wenn Sie so viel wissen, dann sollte Ihnen auch bekannt sein, dass diese Informationen auf Befehl des militärischen Geheimdienstes übermittelt wurden, um den Feind mit falschen Fakten zu versorgen.«
»Ja, Admiral, das weiß ich auch. Und auch, dass man Leute erpressen kann, vor allem wenn die eigentliche Angelegenheit so streng geheim ist, dass diejenigen mit substanziellem Wissen darüber kein Wort von sich geben dürfen.«
Er lehnte sich zurück und wunderte sich, dass es immer noch möglich war, ihn mit irgendwelchen Neuigkeiten zu schockieren. »Jemand erpresst Captain Bradamont? Das wissen Sie sicher?«
»Ja, das weiß ich sicher«, erwiderte sie leise und schaute wieder auf ihre Fingernägel. »Oder besser gesagt: Jemand ist im Begriff, sie zu erpressen. Es ist alles vorbereitet. Man hat Bradamont gegenüber bereits ein paar Andeutungen gemacht, vage Warnungen, dass etwas geschehen könnte, wenn sich gewisse Dinge herumsprächen.«
Das erklärte, warum Bradamont vorhin so aufgewühlt gewirkt hatte. »Warum?«
»Damit sie weiterhin spioniert, diesmal aber nicht bei den Syndiks, sondern womöglich bei jemandem, dem genau dieses Quartier gehört. Es könnte sogar sein, dass man sie zu Handlungen zwingen wird, zu denen sie unter normalen Umständen niemals bereit wäre.«
Geary musste das alles erst einmal verdauen und dann jene Wut unterdrücken, die der bloße Gedanke an solche Taktiken bei ihm auslöste. »Captain Bradamont hatte bereits das Kommando über die Dragon, als man mich noch gar nicht wiedergefunden hatte«, wandte er ein.
»Glauben Sie etwa, nur Sie könnten die Zielscheibe von Spionage und Sabotage sein? Das Schöne an einer strategisch so gut platzierten Waffe besteht darin, dass man sie gegen jedes Ziel richten kann, wenn das notwendig erscheint. Hätte man Sie nie entdeckt, dann wäre Admiral Bloch das Ziel geworden, sofern er lange genug gelebt hätte.«
»Und was wäre mit dieser… Waffe geschehen?«
»Waffen sind von Natur aus Gebrauchsgegenstände, die irgendwann durch neue Waffen ersetzt werden«, sagte Rione. Ihre tonlose Stimme verriet, was sie von einer solchen Denkweise hielt.
»Wenn ich Bradamont richtig einschätze, dann würde sie sich auf eine solche Erpressung nicht einlassen«, erklärte Geary.
»Und Sie würden damit die Befehlshaberin eines Schlachtkreuzers verlieren.«
»So oder so«, murmelte er. Die Regierung würde sie zu sich bestellen, man würde ihr das Kommando über ihr Schiff entziehen, bis die »Anschuldigungen« geklärt waren, die man »versehentlich« an die Medien durchsickern lassen würde, damit ihr Name durch den Dreck gezogen werden konnte. Und am Ende stand womöglich ein »ehrbarer« Selbstmord, in den die Verachtung und der Zorn ihrer Kameraden sie treiben würden. »Sie helfen damit nicht nur Captain Bradamonts Liebesleben auf die Sprünge, Sie retten ihr auch das Leben und die Ehre.«
»Seien Sie mal nicht albern«, gab Rione zurück. »Ich beschütze die Allianz und meine eigenen Interessen. Dass das irgendwelche positiven Auswirkungen auf diese Frau haben könnte, ist purer Zufall.«
»Warum haben Sie mir nicht schon früher etwas davon gesagt?«
»Weil die Beteiligten, aus welchen Gründen auch immer, es nicht versucht haben, sie einzusetzen, bevor Sie mit der Flotte Varandal verlassen hatten. Nachdem wir uns nicht länger in Allianz-Gebiet befanden, konnte niemand mehr einen Versuch unternehmen, sie zu erpressen, ohne dass ich davon erfahren würde.«
Das war eine wichtige Information. »Einige von diesen Leuten befinden sich hier in der Flotte?«
»Ich weiß es nicht mit Sicherheit. Ich weiß nur, dass ich von ihnen nichts gehört habe. Sie… haben die Vermutung geäußert, dass ich erpresst werde, um bestimmte Dinge zu tun, und dass ich das nur in dem Umfang mache, der unbedingt sein muss, der aber weder für Sie noch für die Allianz eine Bedrohung darstellt. Ziehen Sie daraus Ihre eigenen Schlussfolgerungen. Wenn Bradamont diese Drohung erhalten hätte, während wir uns außerhalb des Allianz-Territoriums befanden, hätte ich davon erfahren und es Ihnen gesagt. Auch wenn die Allgemeinheit es nicht für möglich hält, gibt es immer noch Methoden, die ich nicht gutheißen kann.«
Unwillkürlich begann er zu lächeln. »Und auch wenn die Allgemeinheit es nicht für möglich hält, haben Sie doch ein Herz.«
»Das ist eine Lüge, Admiral. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie so etwas nicht weiterverbreiten würden, auch wenn ich bezweifle, dass Ihnen das irgendjemand glauben würde.« Rione stand auf. »Sollte mein Mann wieder gesund werden, dann habe ich das Ihnen zu verdanken. Halten Sie mich für so kaltherzig, dass ich nicht weiß, was ich dafür schuldig bin? Rufen Sie Bradamont, bieten Sie ihr den Posten an. Ich garantiere Ihnen, die beiden Gesandten der Allianz-Regierung werden damit einverstanden sein, in diesem System die Stelle eines Verbindungsoffiziers einzurichten, die tatsächlich den Interessen der Allianz dient.«
Ohne ein weiteres Wort verließ sie sein Quartier. Die Luke schloss sich hinter ihr, und Geary verbrachte die nächsten fünf Minuten damit, über Riones Worte nachzudenken. Schließlich betätigte er sein Komm. »Captain Bradamont, ich muss noch einmal unter vier Augen mit Ihnen reden.« Er würde ihr das Angebot unterbreiten, und wenn sie es annahm, war das für alle ein Gewinn. Nur nicht für die, die sie hatten erpressen wollen — und die verdienten es, nie zu gewinnen.
Es dauerte eine Weile, dann endlich antwortete Boyens auf Gearys Nachricht. Zwar lächelte er immer noch, aber es wirkte nicht mehr so ehrlich, sondern vielmehr bemüht. »Ich bedauere zutiefst, Admiral Geary und die Repräsentanten der Allianz-Regierung daran erinnern zu müssen, dass der Vertrag zwischen Ihrer Regierung und der der Syndikatwelten es erlaubt, dass Ihre Schiffe zum Midway-Sternensystem und zurück reisen können. Das schließt nicht Schiffe ein, die zu anderen Regierungen oder… Spezies gehören. Bei Ihnen befindet sich ein Kriegsschiff von Aliens, was bedeutet, dass es sich nicht um ein Allianz-Schiff handelt. Folglich fällt es nicht unter die Bedingungen des Vertrags. Mit Blick auf meine Pflichten als Bürger der Syndikatwelten muss ich darauf bestehen, dass Sie jedes Schiff, das nicht zur Allianz gehört, nach Prime bringen, wo meine Regierung darüber entscheiden kann, wie mit diesem Schiff verfahren werden soll. Meine Flotte wird ihre Position nahe des Hypernet-Portals beibehalten. Es wäre zu tragisch, sollte diesem Portal als Folge von Unachtsamkeit oder Aggression irgendetwas zustoßen. Für das Volk. Boyens Ende.«