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»Zum Beispiel?«

»Was gibt es denn sonst noch? Die Heimatwelt der Bärkühe… nein. Wir haben uns schon Gedanken darüber gemacht, zu was ihre Kriegsschiffe wohl in der Lage sind.«

»Wir wissen allerdings nicht, wie sie diese Schiffe einsetzen werden«, wandte Geary ein.

»Nein, aber bislang haben wir nur gesehen, wie sie gewendet und Kurs auf uns genommen haben. Und wir wissen, wie uns diese Raketenschiffe angegriffen haben.« Sie zuckte flüchtig mit den Schultern. »Das ist nicht gerade viel, aber wir wissen doch immer ein klein wenig darüber, wie sie denken. Vielleicht sollten wir uns darauf konzentrieren. Aber erst morgen, denn ohne Schlaf können Sie nicht klar denken. Gehen Sie ins Bett, wir reden morgen früh weiter.«

»Gehen Sie auch ins Bett?«, gab Geary zurück.

»Ich befehlige einen Schlachtkreuzer. Hatten wir das nicht eben schon mal gehabt? Schlaf ist Luxus.«

»Ich könnte Ihnen befehlen, sich schlafen zu legen.«

»Ja, das könnten Sie, allerdings würden Sie das bereuen. Wenn Sie unbedingt aufbleiben wollen, dann überlegen Sie, wie die Bärkühe denken, damit Sie versuchen können, den Feind zu verstehen. So haben Sie es auch bei den Enigmas gemacht, und das ist der beste Ratschlag, den ich Ihnen geben kann.«

Nachdem das Gespräch beendet war, saß er in seinem abgedunkelten Quartier und dachte über ihren Ratschlag nach. Kenne deinen Feind. Das war eine sehr alte und sehr richtige Weisheit. Tanya hatte recht. Er hatte die ganze Zeit nur überlegt, was seine Streitkräfte tun konnten und wozu der Feind in der Lage sein sollte. Aber die Frage war nicht, was diese Aliens tun konnten, sondern was sie tun würden. Während er sich vor Augen hielt, dass er niemals damit gerechnet hatte, sich diese Frage zu stellen, begann er nach Antworten zu suchen. Sie wussten immer noch verdammt wenig über diese Bärkühe. Im Grunde gab es nur die Einschätzungen von Lieutenant Iger und den zivilen Experten, und die enthielten vor allem Begriffe wie »unbekannt«, »angenommen«, »schätzungsweise« und »womöglich«. Also begann er, nach Informationen über echte Bären zu suchen.

Bären waren eigentlich auf der Alten Erde zu Hause gewesen, doch die Menschheit hatte einige Exemplare der Spezies mit ins All genommen und auf anderen Welten angesiedelt. Außerdem war man auf wiederum anderen Welten auf bärenähnliche Tiere gestoßen, die so ähnliche Merkmale aufwiesen, dass man sie der gleichen Familie zugeordnet hatte. Natürlich handelte es sich bei Berücksichtigung der unterschiedlichen DNS, der Evolution und zahlloser weiterer Faktoren um völlig eigenständige Kreaturen. Aber der durchschnittliche Mensch bezeichnete sie dennoch alle als Bären, auch wenn Zoologen auf eine solche Einstellung mit Grausen reagierten.

Nichts von dem, was er über Bären fand, schien von irgendwelchem Nutzen für die gegenwärtige Situation zu sein. Bären waren relativ einzelgängerische Tiere, vor allem im Vergleich mit Kühen. Klar war, dass diese Bärkühe es mochten, dicht gedrängt zu leben. Bären waren zudem Allesfresser, während die fortgesetzte Analyse der geborgenen Überreste die erste Vermutung bestätigte, dass es sich bei ihnen um reine Pflanzenfresser handelte.

Er rief die Begriffe »Kühe«, »Vieh«, »Stiere« und »Herde« sowie alles andere auf, was ihm in diesem Zusammenhang in den Sinn kam. Er las Beschreibungen und Analysen, er sah sich Videos an (von denen einige laut Beschreibung sogar noch von der Alten Erde stammten) und ließ seinen Gedanken dabei freien Lauf.

Nach einer Weile musste Geary an die Superschlachtschiffe denken. Die waren nicht zwangsläufig langsamer als die erheblich kleineren Kriegsschiffe der Menschen. Wenn man ihnen genug Zeit ließ, konnten sie durchaus die gleiche Geschwindigkeit erreichen. Auf dem Weg dorthin waren sie auch in diesem Moment, da sie beständig beschleunigten, um seine Flotte abzufangen. Aber das Beschleunigen dauerte erheblich länger, und wenn sie mit ihren Steuerdüsen eine Kursänderung vornehmen wollten, dann kostete sie das auch viel mehr Zeit. Der Grund dafür war nicht nur der verhältnismäßig schwache Antrieb, sondern auch die deutlich größere Masse dieser Schiffe. Eine solche Masse auf einen anderen Kurs zu bringen, erforderte entweder einen sehr hohen Kraftaufwand oder es dauerte sehr lange. Und den Kraftaufwand konnten diese Superschlachtschiffe nicht leisten.

Es war wie in diesem Video, das im Augenblick lief. Ein Stier stürmte dort auf einen in grellen Farben gekleideten Mann zu, der im letzten Moment zur Seite tänzelte, da er die Laufrichtung des Tiers richtig eingeschätzt hatte und somit rechtzeitig ausweichen konnte…

Geary betrachtete das Standbild seiner jüngsten Simulation, das nach wie vor über dem Tisch schwebte. Die gewaltige Festung, der Raketenschwarm, die feindliche Armada, die durch geschicktes Taktieren an den Rand des Geschehens verbannt worden war. Aber wenn sich die Armada schon in eine bestimmte Richtung dirigieren ließ, dann war es vielleicht auch möglich…

»Tanya!«

Ohne nachzudenken, hatte er das Standardprotokoll übergangen, das es ihr erlaubte, erst einmal aufzuwachen und seinen Ruf anzunehmen, wenn sie dazu bereit war. Stattdessen hatte er einfach aus dem Lautsprecher in ihrer Kabine geplärrt.

Tanya sah ihn aus verkniffenen Augen an. »Ich hoffe, es geht um mein taktisches Geschick, Admiral. Immerhin haben Sie meinen Ratschlag ja offensichtlich ignoriert, während ich mir Ihren zu Herzen genommen hatte.«

»Dafür habe ich mir Ihren anderen Ratschlag zu Herzen genommen, Tanya. Ich glaube, ich weiß, wie ich es machen muss. Aber ich brauche Ihre Hilfe, um die Flugbewegungen auszuarbeiten. Sie müssen meine Ergebnisse kontrollieren, damit wir feststellen können, ob es machbar ist.«

»Jetzt?«

Er zögerte, da ihm mit einem Mal bewusst wurde, wie spät es bereits war. Bei der Suche in den Dateibeständen hatte er gar nicht gemerkt, wie viele Stunden inzwischen vergangen waren. Und dennoch meinte Tanya ihre Frage völlig ernst. Sie würde sich sofort mit dem Problem beschäftigen, wenn er sie jetzt darum bat. »Ähm… nein. Wir sind noch weit von dem Sprungpunkt entfernt, den wir benutzen müssen, und diese Armada aus Bärkühen ist auf ihrem Abfangkurs noch lange nicht in Reichweite. Sie können sich das auch morgen früh ansehen. Legen Sie sich wieder schlafen.«

Der Blick, den sie ihm daraufhin zuwarf, war ein wortloses Versprechen, dass sie sich irgendwann dafür rächen würde. »Sie wecken mich auf«, zählte Desjani auf, »sagen mir, dass Sie möglicherweise eine Lösung gefunden haben, und dann fordern Sie mich auf, ich solle weiterschlafen? Vielen Dank, Sir. Schicken Sie mir rüber, was Sie sich überlegt haben. Ich kann mich auch jetzt sofort damit beschäftigen, schließlich stehen die Chancen ziemlich schlecht, dass ich vor Beginn des Schiffstags noch mal einschlafen werde.«

Vielleicht würde sie ihm verzeihen können, wenn sich seine Idee als umsetzbar entpuppte.

Die Armada der Bärkühe wuchs weiter an, da sich ihr immer wieder einzelne Schiffe anschlossen, die alle auf dem Weg waren, die Allianz-Flotte abzufangen. Die hatte ihren Flugvektor bislang nicht geändert und folgte immer noch einer Kurve am äußersten Rand des Systems, ihr Ziel war nach wie vor der nächstgelegene Sprungpunkt. Wenn niemand seine Geschwindigkeit oder den Kurs änderte, würde die Flotte in zweiunddreißig Stunden in die Reichweite der Raketen kommen, die von der Festung der Aliens abgefeuert würden. Drei Stunden später würde die Armada der Aliens auf das treffen, was dann noch von der Allianz-Flotte überlebt hatte.

Geary saß da und betrachtete das Display, während er sich fragte, was Desjani von seiner Idee hielt. Zumindest hatte sie sie nicht sofort als völlig unbrauchbar abgetan. Da bislang niemand einen Gegenvorschlag vorgelegt hatte, konnte er nur weiter hoffen, dass sein Plan umsetzbar war.