»Admiral«, sagte Dr. Shwartz, hielt kurz inne und redete dann weiter: »Sie gehen von der Annahme aus, dass diese Aliens uns nur so lange verfolgen wollen, wie wir uns hier in ihrem System aufhalten.«
Geary musste diese Worte erst einmal verarbeiten, um zu verstehen, was Dr. Shwartz damit in letzter Konsequenz meinte. Die Aussichten gefielen ihm ganz und gar nicht. »Sie meinen, die könnten uns verfolgen? Durch den Sprungpunkt?«
»Admiral, es ist möglich, dass sie uns verfolgen werden, solange sie nur können, um uns zu vernichten und so sicherzustellen, dass wir nicht zurückkehren und die Herde noch einmal bedrohen. Diese Pflanzenfresser haben die Kontrolle über ihre Welt erlangt, sie haben diese Festungen errichtet. Das heißt, sie müssen beharrlich sein und über lange Zeit Ziele verfolgen können. Und sie müssen bereit sein, alles zu tun, um Bedrohungen unschädlich zu machen.«
»Danke, das ist eine… interessante Auslegung. Allerdings will ich sehr hoffen, dass Sie sich irren.« Nachdem sich das Fenster geschlossen hatte, wandte sich Geary zu Desjani um und berichtete ihr von der Theorie, die ihm soeben erklärt worden war.
»Na, toll.« Sie ballte die Fäuste, als wollte sie sich für einen Nahkampf bereit machen. »Ich frage mich, ob die genug Ressourcen besitzen, um uns bis ins Gebiet der Allianz zu verfolgen.«
»Ohne Hilfsschiffe, die sie mit neuen Brennstoffzellen versorgen oder was immer sie für ihren Antrieb benutzen?«, gab Geary zurück.
»Diese Superschlachtschiffe sind groß genug, um solche Produktionsanlagen und die entsprechenden Vorratsräume zu beherbergen«, machte sie ihm klar. »Wissen Sie, diese Schiffe sind längst nicht so unsinnig, wie ich bislang gedacht habe. Vielleicht pflanzen sie auf manchen Ebenen sogar ihre Nahrung an. Ein sich selbst versorgendes Kriegsschiff, das jedes benötigte Ersatzteil herstellen kann, ist in der Lage, unbegrenzte Zeit zu reisen, solange es von Zeit zu Zeit die Vorräte an Rohstoffen und allem anderen auffüllt, wenn es in einem System unterwegs ist.«
Er betrachtete die Darstellung der Superschlachtschiffe und sah sie auf einmal mit ganz anderen Augen. »Sie haben recht. Es könnte sein, dass sie nicht allein aus gefechtstaktischen Überlegungen so riesig sind. Damit hätten wir eine Sorge mehr.«
»Wir könnten sie bis ins Syndik-Gebiet locken und dann abschütteln, damit sie sich da austoben können«, schlug Desjani vor und fügte sogleich hinzu: »Das war übrigens nur ein Scherz.«
»Danke, dass Sie das klargestellt haben«, meinte er nur halb im Scherz. Als er Tanya das erste Mal begegnet war, hatte sie noch viele der hässlichen Einstellungen und Überzeugungen mit sich herumgetragen, die in hundert Jahren Krieg entstanden waren. Damals gab es nur wenig, was sie den verhassten Syndikatwelten nicht angetan hätte, ohne Rücksicht darauf, ob sie Militär oder Zivilisten vor sich hatte. Auf ihrer Seele fanden sich noch viele Narben dieses Kriegs, aber sie ließ sich nur selten etwas davon anmerken. »Aber wenn sie uns folgen, werden wir sie irgendwo kampfunfähig machen müssen, wo sie nicht von ihren Festungen unterstützt werden und wo sie nicht auf all die Ressourcen zurückgreifen können, die dieses System ihnen bietet.«
Sie nickte und lächelte flüchtig. »Mir ist aufgefallen, dass Sie noch kaum ein Wort über den Stern verloren haben, zu dem wir springen wollen.«
»Wir werden sehen, was uns da erwartet, und dann werden wir uns damit auseinandersetzen.«
»Admiral?«, meldete sich der Komm-Wachhabende zu Wort. »Captain Smythe von der Tanuki versucht Sie zu erreichen, aber er sagt, dass er eine Sperrmitteilung angezeigt bekommt.«
»Captain Smythe?« Geary sah zu Desjani. »Ich weiß ganz genau, dass meine Komm-Einstellungen keine Sperre bei ihm enthalten.«
Desjanis Miene verfinsterte sich, und er haute mit Wucht auf die interne Komm-Kontrolle. »Systemwartung, hier spricht der Captain. Etwas stimmt nicht mit der Komm-Software für den Flottenkommandanten. Finden Sie heraus, was es ist, und beheben Sie es auf der Stelle. Verstanden?«
»Ja, Captain!« Die Stimme des Mitarbeiters aus der Systemüberwachung klang beunruhigt, was auch nur angebracht war, wenn Desjani in diesem Tonfall mit jemandem redete.
»Stellen Sie Captain Smythe zu mir durch«, wies Geary den Komm-Wachhabenden an.
Ein Fenster öffnete sich, der verwundert dreinblickende Smythe tauchte darin auf. »Komm-Probleme, Admiral? Ist nur so eine Vermutung, aber anders lässt sich eigentlich nicht erklären, dass ich nicht direkt zu Ihnen durchgekommen bin.«
»Offenbar ja«, antwortete Geary. »Es wird bereits daran gearbeitet.«
»Wahrscheinlich haben Sie… ist das der einzige Vorfall? Oder haben Sie noch was in dieser Art mitgekriegt?«
»Mindestens ein weiteres Problem bei meinen Komm-Einstellungen.«
»Admiral, ich will Sie nicht unnötig beunruhigen«, sagte Smythe, dessen Gesichtsausdruck mit einem Mal große Sorge verriet. »Möglicherweise ist das kein Softwareproblem. Jedenfalls dann nicht, wenn die Betriebssysteme ordentlich arbeiten. Aber wenn die Prozessoren und Speicherstifte des Komm-Systems physische Fehler entwickeln, wird das bei der Software für widersprüchliches Verhalten sorgen.«
Geary wusste, dass wegen der geringen Lebenserwartung der Schiffe alles in der Flotte kurz vor dem Zusammenbruch stand, doch an dieses spezielle Problem hatte er nicht gedacht. Wenn er jetzt Probleme mit dem Komm hatte, so kurz vor einem neuerlichen Zusammentreffen mit den Aliens, dann… »Captain Desjani, ich höre gerade von Captain Smythe, dass es ganz gut wäre, wenn Ihre Systemtechniker auch die Hardware im Komm-System überprüfen, also Prozessoren und Speicherstifte.«
Sie verstand sofort die Bedeutung dieser Worte und sah Geary nur einen Moment lang stumm an. »Systemwartung! Hardware überprüfen! Chefingenieur! Ich benötige eine sofortige und umfassende Überprüfung aller Prozessoren, die mittelbar oder unmittelbar mit dem Komm zu tun haben.«
Smythe, der nichts von Desjanis Befehlen hören konnte, sagte zu Geary: »Ich melde mich eigentlich wegen der Orion. Die Kupua hat alle Reparaturen an der beschädigten Hauptantriebseinheit ausgeführt. Die Bereitschaftssysteme der Flotte werden Ihnen anzeigen, dass die Orion wieder bei hundert Prozent Leistung ist. Allerdings hat die Befehlshaberin der Kupua, Commander Miskovic, mir gesagt, sie sei besorgt.«
»Besorgt?« Sie ist besorgt? Was würde sie wohl dazu sagen, dass im Augenblick nicht klar ist, ob das Komm-System funktioniert, während wir auf eine Begegnung mit einer gegnerischen Flotte zurasen. »Aus welchem Grund?«
»Die Systemtests sind fehlerlos verlaufen«, erklärte Smythe und suchte nach den richtigen Worten »Aber… Miskovic hat mir gesagt, dass sie sich ihrem Gefühl nach nicht gut anfühlen.«
»Was soll das heißen?«, wollte er wissen.
»Das soll heißen, dass es kein erkennbares Problem mit dem Antrieb der Orion gibt, Admiral. Trotzdem hat eine begabte und erfahrene Frau kein gutes Gefühl.« Smythe machte eine frustrierte Geste. »Ich muss Sie ja nicht erst darauf aufmerksam machen, dass die Orion im abgelaufenen Jahr etliche Treffer hat einstecken müssen und dementsprechend oft repariert worden ist. Manchmal waren das sogar sehr hastige Reparaturen. So etwas kann auf manchmal undefinierbare Arten zusammenspielen.«
»Ich verstehe nicht.«
Ein paar Sekunden lang wirkte Smythe erschrocken, dann bekam er sich wieder unter Kontrolle. »Oh ja, natürlich. Sie haben nicht Ihre ganze Karriere über im Gefecht verbracht, jedenfalls nicht nach der Schlacht bei Grendel. Ich bitte um Verzeihung, Admiral, aber heute neigt jeder zu der Annahme, dass alle Offiziere, die man kennt, ihr Leben lang von einer Schlacht zur nächsten gezogen sind. Aber es bedeutet, dass Sie keine große Erfahrung mit Systemen haben, die wiederholt im Gefecht beschädigt und repariert wurden. Ich muss allerdings auch einräumen, dass das nicht so oft vorgekommen ist, wie man eigentlich meinen sollte, weil einfach zu viele Schiffe vollständig zerstört wurden oder sie nur noch ausgeschlachtet werden konnten. Aber so etwas addiert sich mit der Zeit, genauso wie die normale Beanspruchung ihre Spuren hinterlässt.«