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»Kleine wurmartige Tentakel? In jeder Klaue?«

Seine Reaktion musste sehr verräterisch gewesen sein, da Rione ihn schief angrinste. »Ich weiß. Kann es in irgendeiner Weise noch abscheulicher werden, als es ohnehin schon ist? Das ist eine Sache, die wir überwinden müssen. Apropos, ich empfehle Ihnen, unbedingt mit Dr. Setin und Dr. Shwartz Kontakt aufzunehmen. Sie haben eine faszinierende Theorie über die Spinnenwölfe entwickelt, die Sie sicher gern hören würden.«

»Okay, danke.« Er stellte eine Verbindung zur Mistral her, wo sich sofort ein schuldbewusst dreinblickender Dr. Setin meldete.

»Admiral! Kann ich etwas für Sie tun?«

»Ja, das können Sie.« Geary musterte aufmerksam den Experten für nichtmenschliche intelligente Spezies und versuchte dahinterzukommen, wieso er so wirkte wie ein Student, den man bei der Abschlussprüfung beim Pfuschen ertappt hatte. »Sind Sie beschäftigt, Doctor?«

»Ja, sehr, Admiral«, platzte Setin heraus. »Es ist so wichtig, dass wir der Meinung waren, uns keine Pause gönnen zu können. Ich wusste, Sie würden das verstehen.«

Und deshalb haben Sie mir gar nicht erst etwas davon gesagt? »Die Gesandte Rione sprach davon, Sie und Dr. Shwartz hätten eine Theorie über die Spinnenwölfe entwickelt.«

»Oh, richtig. Aber wir befinden uns noch nicht in einer Phase, in der wir…«

Dr. Shwartz erweiterte den Ausschnitt des Komm-Schirms, sodass Geary sie ebenfalls sehen konnte. Sie machte einen erschöpften, aber auch erfreuten Eindruck. »Ich finde, wir sollten es dem Admiral sagen. Es ist mehr ein Gefühl, ein Instinkt, aber noch nichts wissenschaftlich Greifbares. Wir können uns mit den Worten und Sätzen der Spinnenwölfe befassen, bis alle bekannten Sterne erloschen und neue entstanden sind, und trotzdem werden wir keine Gewissheit bekommen. Was ich bei diesen Wesen fühle — und Dr. Setin stimmt mit mir überein, dass es durchaus möglich sein könnte — ist, dass sie in Mustern oder Strukturen denken.«

»Muster? Strukturen?«

»Ja. General Charban und Gesandte Rione und auch wir alle versuchen, über spezifische Dinge zu reden. Ich brauchte einige Zeit, bis mir klar wurde, dass diese Aliens immer über Verbindungen zwischen Dingen reden. Sie und ich, wir sehen einen Wald, der aus einzelnen Bäumen besteht. Sie dagegen sehen den Wald an sich als die primäre Sache.« Sie hielt inne und verzog unzufrieden den Mund. »Vielleicht ist das nicht der richtige Vergleich, weil sie Begriffe benutzen, die sich auf ein Gleichgewicht der Kräfte zu beziehen scheinen. Zum Beispiel Spinnennetze. Deshalb kam ich auf diesen Gedanken. Unsere akademische Voreingenommenheit verlangt von uns die Annahme, selbst wenn etwas wie eine Spinne aussieht, kann es eigentlich keine Spinne sein. Es muss zerlegt und analysiert werden, um herauszufinden, was es in Wahrheit ist. Aber was, wenn die Spinnenwölfe sich tatsächlich aus den Wesen entwickelt haben, an die sie uns erinnern? Irgendwelche Spinnenwesen. Wesen, die Netze spinnen, durch die alles zusammengehalten wird, alle Spannungen und Kräfte im Gleichgewicht, ein Bild der Schönheit und Stabilität. Stellen Sie sich eine Spezies vor, die alles unter diesem Gesichtspunkt betrachtet.«

Geary runzelte die Stirn und lehnte sich nach hinten. »So wie ihre Schiffsformationen. Nicht bloß funktional, sondern auch schön anzusehen. Und wenn sie von etwas abstammen, das Netze spinnen konnte, dann besitzen sie einen natürlichen Instinkt für die Ingenieurskunst, die von uns Menschen voller Ehrfurcht betrachtet wird.«

»Ja. Etwas, das grundlegend anders denkt als wir, aber immer noch auf eine Weise, die wir begreifen können.«

»Menschen können Muster sehen«, wandte Geary ein. »So was ist uns nicht fremd.«

»Das können wir«, meldete sich Dr. Setin zu Wort. »Aber das ist auch nicht die Voreingenommenheit, von der wir sprachen. Dadurch bin ich erst auf den Gedanken gekommen, die Überlegungen von Dr. Shwartz als so faszinierend anzusehen, weil Menschen nicht instinktiv in Mustern denken. Wir denken mehr im Sinne von Gegensätzen. Schwarz und weiß, gut und böse, Yin und Yang, These und Antithese, Ja und Nein, rechts und links, Freund und Feind. Für uns zählen die Gegensätze, und sobald etwas nicht das eindeutige Gegenteil von etwas anderem ist, bewerten wir es auf einer Skala zwischen den beiden absoluten Punkten. Etwas ist dann lauwarm. Es ist ein Vielleicht. Es ist in einer Grauzone. Wenn wir unseren Verstand richtig anstrengen, dann erkennen wir Muster und Strukturen, aber das ist eben nicht unsere natürliche Art, etwas zu betrachten.«

Darüber musste er erst noch eine Weile nachdenken, da die Konsequenzen aus dieser Theorie erst langsam deutlich wurden. Schließlich erwiderte er: »Dann sehen uns diese Aliens weder als Verbündete noch als Feinde, sondern wir sind Teil eines Musters.«

»Das glauben wir jedenfalls«, antwortete Dr. Shwartz. »Ein Satz, den sie uns übermittelt hatten, hat mich nachdenklich werden lassen. Er schien zu besagen: ›Das Bild ist verändert, aber geblieben.‹ Dann dachte ich: ›Was ist, wenn es nicht Bild, sondern Muster heißt?‹ Unsere Ankunft hat das Muster verändert, aber es ist nicht verschwunden, sondern nur anders als zuvor. Und dann sagten die Spinnenwölfe: ›Gemeinsam halten wir das Bild.‹ Nun, wenn das so viel heißt wie ›Gemeinsam halten wir das Muster‹, dann erklärt sich dadurch, was sie von uns erwarten. Ich glaube, wir können mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass unsere Rolle in diesem Muster ihrer Ansicht nach die eines weiteren Ankers ist, damit das Muster stabil bleiben kann, durch das sie ihr Universum betrachten.«

»Sie glauben, diese Wesen sehen die Menschheit als eine stabilisierende Kraft an?«, fragte Geary.

Die beiden Ärzte zögerten und sahen sich kurz an. »Das klingt eigenartig, nicht wahr?«, sagte dann Dr. Shwartz. »Wir sehen uns selbst nicht so. Aber wie viele außenstehende Beobachter haben bislang auch ihr Urteil über die Menschheit abgegeben? Vielleicht sehen wir im Vergleich zu den paranoiden Enigmas und den aggressiven Bärkühen für die Spinnenwölfe ganz gut aus.«

»Es gibt da einen Begriff, ein Piktogramm«, ergänzte Dr. Setin, »das sie immer wieder verwenden. Die Software, die sie uns mitgegeben haben, interpretiert es auf unterschiedliche Weise. Mal als Anker, mal als Fundament, als Band oder Kiel oder Pfeiler. Allesamt Dinge, die einer anderen Sache Stabilität verleihen. Dieses Piktogramm taucht auf, wenn sie mit uns reden. Dieses Konzept eines festen, stabilen Ankers scheint für sie von äußerster Wichtigkeit zu sein.«

In diesem Moment begriff er. »Weil sich ohne Anker jedes Muster aufzulösen beginnt.«

»Ja, genau.«

»Ich glaube«, fuhr Dr. Shwartz warnend fort, »dass ihre Vorstellung von einem Anker nicht nur stoffliche Objekte betrifft, sondern auch solche, die sich nicht fassen lassen. Also Ideen, Theorien, Philosophien, Mathematik. Das alles trägt etwas zu dem Muster bei, es hilft dem Muster, seine Form zu wahren.«

Wären sie doch bloß nicht so extrem hässlich… »Das klingt, als wenn eine Verständigung zwischen den Spinnenwölfen und uns möglich sein sollte. Zumindest in einem Maß, dass wir in Frieden koexistieren können und vielleicht ein paar Ideen austauschen werden.«

»Ja, das glaube ich, Admiral.« Sie machte eine Geste, die ihr Unbehagen ausdrückte. »Selbstverständlich ist das alles noch nicht mehr als eine Theorie. Es ist nicht immer klar, wie sie reagieren werden, wenn wir etwas zu sagen versuchen. Und ihnen ihre Gefühle anzusehen, ist… eine ziemliche Herausforderung.«

»Wir konnten leichte Farbveränderungen feststellen«, erklärte Dr. Setin. »Wir haben sie bei ihnen an Kopf und Körper beobachten können, aber wir wissen natürlich nicht, welcher Farbton was bedeutet. Womöglich gibt es noch andere Hinweise auf ihre Emotionen, zum Beispiel Düfte oder Hormonemissionen. Aber da wir nur auf Distanz kommunizieren und uns nie in einem Raum mit ihnen aufhalten, lässt sich dazu natürlich nichts sagen.«