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»Ja.« Der Arzt verzog angewidert den Mund. »Das kommt bei blockierten Personen häufig vor. Sie leiden unter den Symptomen, sie wissen, was mit ihnen nicht stimmt, aber sie sind nicht in der Lage, mit irgendwem darüber zu reden. Und jeder Versuch einer Behandlung schlägt fehl, weil das behandelnde Personal den wahren Grund nicht kennt…« Er unterbrach sich und schüttelte den Kopf. »Eine impulsive Entscheidung. Der einzige Ausweg. Die einzige Lösung, um Frieden zu finden. Das ist alles. Ich bin im Begriff, eine Aussage zu machen, die mir große Probleme mit der Sicherheit bescheren würde, Admiral.«

»Reden Sie, ich werde Sie verteidigen.«

»Danke. Bei den wenigen Gelegenheiten, bei denen ich über Blockaden nachgedacht habe, ist mir bewusst geworden, dass es tatsächlich ihre Aufgabe ist, auf die älteste und sicherste Methode Geheimnisse unter Verschluss zu halten. Die Blockaden treiben die betroffene Person letztlich in den Selbstmord, und sobald die Person tot ist, kann sie niemandem mehr ihr Geheimnis mitteilen.«

Tote reden nicht. Wie alt war dieses Sprichwort wohl? Geary atmete leise schnaubend aus und versuchte, sich zu beruhigen. »Warum tötet man diese Person nicht einfach?«

»Aber, Admiral, wir sind doch zivilisiert. Wir würden doch nicht einfach so jemanden töten!« Diesmal trieften die Worte des Arztes vor Sarkasmus.

»Ich verstehe schon, warum sie das so sehr unter Verschluss halten«, fuhr Geary fort. »Wenn mehr als nur eine Hand voll Leute davon wüsste, dass die Allianz Blockaden einsetzt, würden die Fakten doch irgendwie an die Öffentlichkeit dringen, und die Reaktion darauf würde verdammt heftig ausfallen. Wie oft greifen die Syndiks zu mentalen Blockaden?«

»Überhaupt nicht«, sagte Dr. Nasr und schüttelte den Kopf. »Ich hätte davon erfahren, wenn sie es tun würden. Die Syndiks sind nicht so zivilisiert wie wir, und allem Anschein nach erschießen sie jeden, der zufälligerweise etwas weiß, was er nicht wissen sollte. Wenn man nur kaltblütig genug an die Sache herangeht, ist das die viel effizientere Lösung, um ein Problem aus der Welt zu schaffen.«

Was sollte er dazu noch sagen? »Danke für Ihre Auskünfte, Doctor. Nach allem, was Sie jetzt wissen — können Sie Commander Benan nun gezielter und besser behandeln?«

»Ich kann ein paar Dinge ausprobieren, aber ich bezweifle, dass sie viel nützen werden. Die Blockade muss aufgehoben werden, Admiral. Danach können wir versuchen, den angerichteten Schaden zu beheben.«

»Kann ich Ihnen befehlen, die Blockade aufzuheben?«

»Nein, Admiral«, antwortete Nasr und machte eine hilflose Geste. »Selbst wenn Sie das könnten, wüsste ich nicht, was ich tun soll. In der Theorie weiß ich zwar in groben Zügen, wie man ein Gehirn mit einer Blockade versieht, aber ich kann das nicht in die Praxis umsetzen. Ich hätte eine solche Ausbildung auch niemals mitgemacht. Das heißt, dass ich erst recht keine Ahnung habe, wie man die Blockade wieder aufhebt.«

»Dann muss Commander Benan warten, bis wir wieder zu Hause sind, bevor eine wirksame Behandlung begonnen werden kann.«

»Wenn er solange durchhält. Und wenn Sie nach unserer Rückkehr die Zustimmung erhalten, die Blockade aufheben zu lassen. Diejenigen, die das können, werden es auch nur machen, wenn sie auf dem ordnungsgemäßen Weg den richtigen Befehl dafür erhalten.« Dr. Nasr schüttelte erneut den Kopf. »Es tut mir leid, Admiral.«

»Sie trifft überhaupt keine Schuld.«

»Wenn es sonst nichts mehr gibt… ich werde in einer Viertelstunde im OP erwartet.«

»Bekommen Sie eigentlich genug Schlaf?«

Dr. Nasr hielt kurz inne. »Meine Patienten brauchen mich, Admiral. Wenn Sie mich dann entschuldigen würden, ich muss…« Er hielt inne und sah zur Seite, wo soeben eine Nachricht für ihn einging. »Eine Bärkuh hat das Bewusstsein wiedererlangt, Admiral. Sie ist jetzt tot.«

»Tot.« Geary bemerkte einen bitteren Geschmack im Mund. »Ich nehme an, in dem Moment, als sie erkannt hat, dass sie sich in Gefangenschaft befindet.«

»Ja. Ihr gesamter Metabolismus hat sich einfach abgeschaltet. Wie, das weiß ich nicht. Aber angesichts der kompletten Isolation, in der sie sich befinden, war es bereits zu spät, um noch etwas zu unternehmen.«

»Ich hatte gehofft, eine von ihnen würde erkennen, dass wir ihr geholfen haben, um ihr das Leben zu retten, und sie würde verstehen, dass wir ihr nichts antun wollen.«

Der Arzt zögerte abermals, dann sagte er mit Nachdruck: »Admiral, diese Kreaturen hier, die…«

»…die Spinnenwölfe.«

»Ja. Haben Sie mal die Möglichkeit in Erwägung gezogen, dass sie womöglich so essen wie die Spinnen, mit denen wir vertraut sind?«

»Wenn ich ehrlich sein soll, habe ich mir alle erdenkliche Mühe gegeben, um genau darüber nicht nachzudenken.«

»Das ist verständlich.« Dr. Nasr zog einen Mundwinkel nach unten. »Manche Spinnen fressen ihre Beute nicht sofort auf, sondern lähmen sie oder wickeln sie in einen Kokon, damit sie sich nicht mehr bewegen kann. Dann wenden sie sich vorläufig von ihr ab, weil sie sie jetzt essen können, wann ihnen danach ist. Sie wollen nicht, dass ihrer Beute etwas zustößt, sie soll vielmehr leben und für den Verzehr frisch gehalten werden.«

Im ersten Moment verstand Geary nicht, aber nachdem ihm die Worte des Arztes einen Augenblick lang durch den Kopf gegangen waren, begann er zu begreifen. »Es könnte sein, dass die Bärkühe den Spinnenwölfen schon einmal begegnet sind und sie dabei herausgefunden haben, dass die ihre Beute am liebsten lebend essen und dass sie die Bärkühe als eine solche Beute ansehen, nicht wahr?«

»Wir müssen eine solche Möglichkeit in Erwägung ziehen«, antwortete Dr. Nasr. »Wir wissen es zwar nicht mit Gewissheit, aber genauso wenig wissen wir, dass die Bärkühe noch nie mit derartigen Jägern zu tun gehabt haben, bevor es ihnen gelungen ist, die Herrschaft über ihre Welt zu erlangen. Wir können nichts darüber sagen, ob sie mit einer Spezies zusammengetroffen sind, die vom Geschmack von Bärkühen angetan ist. Menschen betrachten sich selbst üblicherweise nicht als Beute, Admiral. Aber wenn wir den Eindruck bekommen, dass wir für einen anderen nichts weiter darstellen als die nächste Mahlzeit, dann ist das ein wirklich entsetzliches Gefühl. Zuerst habe ich mich gefragt, warum eine intelligente Spezies die Fähigkeit entwickelt, alle Lebensfunktionen einfach abzuschalten und damit zu sterben. Aber dann kam mir der Gedanke, dass die Bärkühe schon immer von irgendwem als Beute angesehen worden sind. Es könnte sein, dass ihre Fähigkeit, sich selbst den Tod aufzuzwingen, zur gleichen Zeit entstand, als sie Intelligenz entwickelten. Ich kann mir die körperlichen Schmerzen vorstellen, die ich empfinden würde, wenn jemand mich verspeisen wollte. Aber ich weiß nicht, wie entsetzlich die seelischen Schmerzen sein können, wenn man weiß, dass man soeben aufgefressen wird. Unter solchen Umständen dürfte es sehr angenehm sein zu wissen, dass man diesen Schmerzen ein Ende bereiten kann, wann immer man das will.«

Ein Summer ertönte in Dr. Nasrs Büro, der Mann zuckte daraufhin zusammen. »Meine Operation, Admiral. Ich muss jetzt los.«

»In Ordnung, Doctor. Stellen Sie nur sicher, dass die restlichen fünf Bärkühe weiterhin betäubt bleiben.«

Dr. Nasr hielt inne, kurz bevor er die Verbindung unterbrechen konnte. »Ihnen ist doch klar, dass wir so wenig über ihre Physiologie wissen, dass wir sie mit unseren Beruhigungsmitteln ohne Weiteres töten könnten.«

»Ich verstehe schon, Doctor.« Es ist egal, ob wir etwas unternehmen oder nichts tun, beides kann verkehrt sein. »Aber wenn wir nicht wollen, dass die verbliebenen fünf sich auch noch umbringen oder auf andere Weise ums Leben kommen, sehe ich im Moment keine Alternative zu den Beruhigungsmitteln.«

Nach dem Gespräch saß Geary da und grübelte über die Situation nach. Was sollte er mit den Bärkühen anfangen? Eine als humanitär gedachte Geste hatte sich in die Notwendigkeit verwandelt, sie in einem Zustand zwischen Leben und Tod zu halten, um sie daran zu hindern, dass sie ihnen einfach wegstarben. Wäre es vielleicht humaner, sie einfach sterben zu lassen?