»Sie sind auffallend guter Laune«, gab Geary zurück.
»Es ist ja auch ein schöner Tag, Admiral.«
»Sie meinen, weil das der Tag ist, an dem Victoria Rione einen Spinnenwolf umarmen muss?«
»Ach, ist das für heute vorgesehen?«, fragte sie in einem überraschten Tonfall, der nicht mal im Ansatz überzeugend wirkte. »Ist es nicht gut zu wissen, wenn das Muster des Universums das nächste Mal ein bisschen ausfranst, dass die Spinnenwölfe dann in der Lage sein werden, es mit unserem Klebeband wieder zu richten?«
»Ihnen ist doch klar«, überging Geary ihre letzte Bemerkung, »dass Victoria Rione in die Geschichte eingehen wird, weil sie als erster Mensch körperlichen Kontakt mit einer freundlich gesinnten fremden Spezies haben wird, oder?«
Desjani zuckte mit den Schultern. »Die Marines hatten körperlichen Kontakt mit Heerscharen von Bärkühen.«
»Aber die waren nicht freundlich gesinnt. Und ich glaube, niemand wird noch feststellen können, wer bei diesem Gemetzel als Erster in Kontakt mit ihnen gekommen ist.«
»Und die Enigmas…«
»Angesichts der Geheimnisse, mit denen sie sich umgaben, als sie das erste Mal auf Menschen trafen, wird die Identität des Menschen, der ihnen als Erster begegnet ist, wohl für immer ein Rätsel bleiben. Außer vielleicht für die Enigmas selbst. Abgesehen davon fallen sie auch nicht in die Kategorie freundlich.«
Das Shuttle der Allianz-Flotte und das der Spinnenwölfe trafen zusammen, die Pilotin gab sich alle Mühe, ihr Raumfahrzeug genauso elegant und selbstbewusst zu fliegen, wie es ihr Pendant im anderen Shuttle machte. Geary konnte auf der Videoleitung den Passagierbereich so gut überblicken, dass er Charban und Rione mustern konnte, ob einer von beiden nervös wirkte. Zu seinem Erstaunen waren sie zumindest äußerlich völlig ruhig.
Die beiden Shuttles kamen Seite an Seite zum Stillstand, und die Pilotin meldete sich über die Videoleitung: »Befinde mich jetzt neben dem Shuttle der Aliens. Erwarte weitere Anweisungen.«
»Hier spricht Admiral Geary. Warten Sie ab, was sie als Nächstes tun.«
»Jawohl, Sir.«
Er konnte auch mitverfolgen, was sich rings um das Shuttle abspielte. Die Kamera, die auf das eiförmige Shuttle der Spinnenwölfe gerichtet war, zeigte, wie sich ein ovaler Schlauch in Richtung des Allianz-Shuttles bewegte.
»Das sieht gut aus«, merkte Desjani an. »Diese ovale Form, die Proportionen. Man könnte meinen, die Spinnenwölfe haben die gleiche Vorliebe wie wir für den Goldenen Schnitt.«
Der Schlauch berührte die Seite des Allianz-Shuttles, vor dem Platz der Pilotin leuchteten Warnlampen auf. »Wir haben Hüllenkontakt. Ich weiß nicht, was da los ist.« Ihre Stimme klang fest und ruhig.
»Haben die alle Beruhigungsmittel geschluckt?«, wunderte sich Geary. »Warum ist da kein Mensch auch nur ein bisschen nervös?«
»Ich habe die Pilotin ausgesucht, Admiral«, antwortete Desjani. »Sie hat definitiv nichts geschluckt. Ob das bei den Gesandten auch der Fall ist, müssen Sie sie schon selbst fragen.«
»Luftdruck außerhalb der Schleuse«, meldete die Pilotin. »Ungefähr 0,95 Standard. Zusammensetzung der Gase liegt im akzeptablen Bereich, um von Menschen geatmet zu werden.«
Wie hatte der Schlauch eine luftdichte Versiegelung an der Hülle des Shuttles erzeugen können? Und wie war aus ihm auf einmal ein starres Objekt geworden, wenn er eben noch flexibel gewesen war?
Rione und Charban hatten beide die Meldung der Pilotin gehört, Charban ging zur Schleuse, drehte sich um und salutierte in Richtung der Kamera. »Es geht los«, meinte er und grinste schief.
Rione stellte sich zu ihm, während sich erst die innere Schleusentür und dann die äußere Luke öffnete. Geary sah, wie sie tief einatmete, als die Luft aus dem fremden Shuttle sich mit der in der Passagierkabine vermischte. »Würzig«, sagte sie. »Nicht zu scharf, auch nicht stechend. Fast schon angenehm.«
»Vielleicht riechen sie ja gut«, überlegte Geary.
»So wie sich das anhört, riechen sie nicht nur gut, sondern besser als wir«, meinte Desjani. »Anwesende natürlich ausgenommen.«
Er fragte sich, was er empfinden sollte, während sie darauf warteten, dass die Spinnenwölfe zum Vorschein kamen. Endlich nahm die Menschheit mit einer fremden Intelligenz Kontakt auf. Die Enigmas hatten sich einem Gespräch mit den Menschen verweigert und nur Drohungen und Forderungen ausgesprochen. Die Bärkühe waren zu keinerlei Kommunikation bereit gewesen. Aber die Spinnenwölfe waren intelligent und zugleich bereit, mit den Menschen zu reden. Zum ersten Mal würde die Menschheit erfahren, wie eine andere Intelligenz das Universum betrachtete, das sie sich teilten. Mit der Zeit würde die noch sehr grobschlächtige Verständigung zwischen ihnen besser werden, einer würde die Sprache des anderen erlernen und…
Trotzdem würde man sich an den Anblick der Spinnenwölfe erst noch gewöhnen müssen, wie Geary einsehen musste, als zwei von ihnen schließlich durch den ovalen Schlauch herüberkamen, der groß genug war, um sie Seite an Seite hindurchgehen zu lassen.
An Bord der Rettungskapsel der Balestra hatte er Spinnenwölfe in Rüstung gesehen, aber jede Art von Panzerung oder Schutzanzug vermittelte für gewöhnlich ein falsches Bild von den Maßen des Trägers. Als er sie jetzt zum ersten Mal in ihrer leuchtenden, seidenartigen Kleidung zu sehen bekam, konnte er sich endlich ein Bild davon machen, wie groß sie waren.
Sie bewegten sich irgendwo zwischen den kleinen Bärkühen und den deutlich größeren Menschen und waren vielleicht einen Meter fünfzig hoch. Durch die Art, wie ihre Arme nach außen ragten und wie sich der Bauchbereich zu beiden Seiten ausdehnte, waren sie zugleich deutlich breiter als ein Mensch.
Charban hielt ihnen den Karton Klebeband hin. »Für unsere Freunde«, sagte er. »Eine der größten Errungenschaften der Menschheit und zugleich eines ihrer am besten gehüteten Geheimnisse. Und dennoch teilen wir es aus freien Stücken mit Ihrer Spezies im Geist der Freundschaft und der Verständigung.«
Irgendwie wollte ein Karton Klebeband nicht so recht zu den geschwollenen Worten passen, mit denen Charban das Präsent den Spinnenwölfen überreichte. Einer der Aliens streckte vier Arme aus, die Klauen schlossen sich dabei ganz behutsam um die Kiste, um sie auf eine Weise festzuhalten, als sei der Inhalt von ungeheurem Wert.
Der andere Spinnenwolf wandte sich Rione zu, deren leichte Anspannung Geary sonderbar vertraut vorkam. Nicht bei ihr, sondern vielmehr bei sich selbst. Vielleicht lag es an Riones Bemerkung über das Verkuppeln, dass er sich an seine eigenen Verabredungen in seiner Jugend erinnert fühlte, vor allem an die missratenen, bei denen die jeweilige Freundin genauso dagestanden hatte. Es war nicht allzu viel Erfahrung notwendig, um zu begreifen, dass eine solche Körperhaltung ein sicherer Vorbote für einen flüchtigen Wangenkuss und eine genauso flüchtige Umarmung mit minimalem Körperkontakt gewesen war.
Empfand der Spinnenwolf das jetzt auch so? Er hob seine vier Klauenarme und legte sie so um Rione, dass er sie kaum berührte. Dann ließ er seinen abscheulichen Kopf ein Stück weit nach vorn sinken, um nur ganz leicht Riones Stirn zu berühren. Die ahmte die Geste nach, woraufhin der Spinnenwolf rasch die Arme sinken ließ. Geary konnte beobachten, wie sich Gesicht und Oberbauch plötzlich verfärbten — von einem Rosaton hin zu einem leichten Blau und schließlich einem Lila, das sich ausbreitete und dann verharrte.
Er und die anderen hatten gescherzt, dass die Spinnenwölfe die Menschen für genauso widerwärtig ansehen mochten wie umgekehrt. Wenn er die Reaktionen dieses Spinnenwolfs richtig deutete, hatten sie mit ihrer Überlegung gar nicht so verkehrt gelegen.
Desjani lachte kurz auf. »Sie hat Mut. Ich hasse diese Frau, aber sie hat Mut. Wie lange werden die beiden danach in Quarantäne bleiben müssen?«
»Das werden die Ärzte entscheiden, wenn sie sie untersucht haben.«