Ein älterer Systemtechniker nickte zustimmend. »Etwas Revolutionäres, das uns nie in den Sinn gekommen wäre. Wie soll man beziffern, welchen Wert so etwas haben könnte?«
»Ganz genau. Und falls wir nichts finden, was über unseren derzeitigen Wissensstand hinausgeht, dann haben wir uns zumindest ein Bild von den Grenzen gemacht, die den Bärkühen gesetzt sind.«
Wieder wurde zustimmend genickt, dann hielt ihm eine Matrosin ihre Dateneinheit hin, auf der ein Foto zu sehen war. »Admiral, sehen die G-… die Wesen, die uns geholfen haben… sehen die tatsächlich so aus?«
Es war eine gute Darstellung eines Spinnenwolfs, vermutlich stammte sie aus einer der Mitteilungen, die die Aliens der Flotte insgesamt geschickt hatten, kurz nachdem die das Honor-System erreicht hatte. Aber auch wenn die Matrosin sich noch rechtzeitig davon abgehalten hatte, in Gearys Gegenwart den Begriff GeV zu verwenden, kursierte der offensichtlich immer noch. »Ja, so sehen sie aus. Hässlich anzusehen, nicht wahr?«, fragte Geary, der damit versuchte, irgendwelchen abfälligen Bemerkungen schon im Voraus den Wind aus den Segeln zu nehmen. »Aber das ist äußerlich. Innerlich scheinen sie uns viel ähnlicher zu sein als die Bärkühe oder die Enigmas.«
»Ein paar von ihnen wollten einer Rettungskapsel von der Balestra helfen«, merkte ein anderes Crewmitglied an.
»Damit sind sie sogar noch besser als die Syndiks«, warf jemand ein.
Das sich anschließende Gelächter klang ein wenig nervös. »Worauf es ankommt«, sagte Geary so überzeugend, wie er nur konnte, »ist die Tatsache, dass sie Seite an Seite mit uns gekämpft haben und dass sie auch versucht haben, uns in anderer Hinsicht zu unterstützen. Sie lassen uns ihr Hypernet benutzen, was uns viel schneller nach Hause bringt. Man beurteilt einen anderen nach seinem Handeln, nicht nach seinem Aussehen.«
»Sagen Sie das mal meinem Chief, wenn er das nächste Mal die Uniformen inspiziert, Admiral!«
»Ja, Admiral. Darf ich Sie dann mit diesen Worten zitieren?«
Geary lachte und stand auf. »Ich bin auch nur ein Admiral. Ich kann einem Chief nicht sagen, was er tun und lassen soll. Außerdem weiß ich von Captain Desjani, dass Sie die besten Matrosen der Flotte sind. Warum soll ich mich für eine Sonderbehandlung für Sie einsetzen?«
Als er den Speisesaal verließ, fühlte er sich besser, doch die Fragen der Matrosen hatten einige seiner eigenen Bedenken wiedererwachen lassen. In seinem Quartier angekommen, rief er General Charban an und bat ihn, so bald wie möglich vorbeizukommen.
»Admiral.« Endlich konnte sich auch der General ein wenig ausruhen, da er während des Flugs durch den Sprungraum nicht ständig versuchen musste, mit den Spinnenwölfen zu kommunizieren. »Sie wollten mich sprechen?«, fragte er, als er Gearys Quartier betrat.
»Ja, richtig.« Er deutete auf einen Stuhl, auf dem Charban Platz nahm. »Ich hatte schon befürchtet, Sie könnten schon eingeschlafen sein.«
»Nachdem ich so viele Tage hintereinander wach bleiben und Verhandlungen führen musste, wird mein Metabolismus noch ein paar Stunden benötigen, bis er sich so sehr verlangsamt hat, dass ich schlafen kann«, sagte Charban. »Ich könnte ihn mit Medikamenten dazu zwingen, aber mir ist es lieber, wenn mein Körper auf natürliche Weise in seinen Normalzustand zurückkehrt.«
»Ein kluger Zug«, meinte Geary. »Ich benötige eine offene, ehrliche Aussage von Ihnen, ohne den Druck, der durch die Anwesenheit weiterer Personen entstehen könnte. Sie hatten von allen an Bord den engsten Kontakt zu den Spinnenwölfen.«
»Gesandte Rione ist genau genommen die Einzige, die tatsächlich Kontakt mit ihnen hatte«, betonte Charban. »Aber diese Unterscheidung scheint das medizinische Personal nicht zu machen, das uns beide dem gesamten Spektrum aller nur denkbaren Untersuchungsmethoden ausgesetzt hat. Um mich auf das Treffen mit den Spinnenwölfen vorzubereiten, hatte ich ein paar Berichte über fiktive Begegnungen mit fremden Lebensformen gelesen, wie man sie sich in der fernen Vergangenheit vorstellte. In diesen alten Geschichten wird oft davon erzählt, dass die Aliens die Menschen mit Sonden und anderen Methoden der körperlichen Untersuchung überraschten. Aber die Spinnenwölfe waren äußerst höflich, stattdessen haben uns unsere eigenen Ärzte so eifrig mit Sonden traktiert, dass uns Hören und Sehen verging.«
»Das tut mir leid.« Geary nahm Charban gegenüber Platz. »General, ich möchte von Ihnen jeden Eindruck zusammengestellt bekommen, den Sie nicht in einem der vielen formalen Berichte erwähnt haben.«
»Einen Eindruck, Admiral? In welcher Hinsicht? Ich kann stundenlang meine Eindrücke zum Besten geben, aber es wäre hilfreicher, wenn ich ganz konkret wüsste, was Sie wissen wollen.«
»Können wir ihnen vertrauen?« Geary sah, dass Charban mit Erstaunen auf seine Frage reagierte. »Ja, ich weiß, sie haben Seite an Seite mit uns gegen die Bärkühe gekämpft. Aber wie sieht es jetzt aus? Der Sprungraum ist keine Frage des Vertrauens, weil wir wissen, wohin wir wollen. Mein Gefühl warnt mich jetzt nicht, dass wir etwa mit einer Falle oder einem Hinterhalt vonseiten der Spinnenwölfe rechnen müssen. Aber wir werden mit ihnen in ihr Hypernet vordringen, und dann sind wir völlig von ihnen abhängig, was den Ort angeht, wo wir letztlich rauskommen werden.«
»Verstehe.« Charban bedachte Geary mit einem ironischen Blick. »Admiral, hatten Sie schon mal mit Leuten zu tun, die Sie als gefährlich angesehen haben, weil sie unberechenbar sind? Sie wissen, was ich meine. Leute, die zu allem fähig sind und die jederzeit auf jeden losgehen könnten. Oder die etwas völlig Unerwartetes tun.«
Er nickte und musste unwillkürlich an Jane Geary denken, gleich danach kam ihm Commander Benan in den Sinn. Keinen von beiden Namen sprach er jedoch laut aus.
»Dann«, redete Charban weiter, »gibt es noch andere Typen, beispielsweise General Carabali, also Leute, die wegen ihrer Fähigkeiten gefährlich sind, die sie aber in einem eng gesteckten Rahmen zum Einsatz bringen. General Carabali schlägt erst zu, nachdem sie alle Optionen durchgespielt und entschieden hat, dass dieses bestimmte Ziel auf diese bestimmte Weise angegriffen werden muss.«
»Richtig«, stimmte Geary ihm zu. »Ich habe beide Typen kennengelernt.«
»Bei den Spinnenwölfen habe ich den Eindruck, dass sie zu diesem zweiten Typ gehören. Sie können äußerst todbringend sein, aber sie überlegen sich jeden Schlag gegen den Feind ganz genau. Sie handeln immer zugunsten ihrer Ziele, und diese Ziele und Pläne sind alle bestens durchdacht. Zum Beispiel diese Sache mit dem Muster, auf das die zivilen Experten gekommen sind. Allein so zu denken, also zu überlegen, wie eine Tat sich nicht nur auf die unmittelbare Umgebung, sondern auf alles auswirkt, das damit verbunden ist, das erfordert schon eine gründliche Planung. Sie und ich, wir könnten auf diese Weise vorgehen, weil wir das für besonders klug oder geschickt halten. Aber bei den Spinnenwölfen bin ich davon überzeugt, dass sie so handeln, weil sie glauben, sie müssen das tun.«
Geary dachte eine Weile darüber nach, während Charban geduldig wartete. »Ist schon irgendwie unheimlich, nicht wahr?«, entgegnete er schließlich. »Eine intelligente Spezies, die sich verpflichtet fühlt, über die Folgen und die Konsequenzen ihres Handelns erst einmal gründlich nachzudenken. Das macht sie intelligenter, als wir es sind.«
»Vielleicht, aber es ist auch immer eine Frage, wie man ›intelligent‹ definiert.« Charban schüttelte den Kopf. »Gehen sie Risiken ein? Ich glaube nicht. Jedenfalls nicht in einer Weise, wie wir es tun. Was ist mit Vertrauensvorschuss? Unwahrscheinlich, würde ich sagen. Spontane Handlungen? Plötzliche Inspiration, die sofortiges Handeln nach sich zieht? Halte ich bei ihnen auch nicht für möglich. Alles ist sorgfältig geplant.«