»Dann hätten Sie nichts dagegen einzuwenden?«, fragte Geary.
»Sie meinen, Ausrüstung der Marines zu benutzen? Nein, Admiral. Sie ist so entwickelt, dass sie mit der Flottenausrüstung kompatibel ist. Außerdem wissen General Carabalis Gefechtsingenieure, was sie tun.«
»Schön, so etwas von einem Flotteningenieur zu hören«, sagte Carabali. »Wenn Sie es genehmigen, Admiral, können wir damit fertig sein, bevor die Flotte dieses System verlässt. Das gekaperte Schiff verfügt dann über zwei Kompanien Marines, verstärkt um schwere Waffen. Niemand erobert das Schiff ohne erbitterten Kampf und ohne eine sehr starke Streitmacht.«
Commander Shen blickte noch etwas missmutiger als üblich drein. »Ich sage nichts dagegen, dass sich Marines auf dem gekaperten Schiff befinden, aber jeder, der es mit einer Streitmacht entern will, muss erst mal den Beschuss durch die Orion und ihre Schwesterschiffe überstehen.«
»Ich für meinen Teil werde mich sehr sicher fühlen, wenn ich weiß, dass mich acht Schlachtschiffe und zwei Kompanien Marines vor jeder Bedrohung schützen«, merkte Admiral Lagemann an. »Und dann steht natürlich auch immer noch die Panzerung dieses Superschlachtschiffs zwischen uns und allen möglichen Gefahren.«
»Gut, dann wollen wir mal«, befahl Geary.
Jane Geary beugte sich vor. »Heißt das dann, wir trennen das Superschlachtschiff von der Flotte und lassen es eskortiert folgen?«
»Nein«, antwortete er entschieden. »Jedenfalls jetzt noch nicht. Das gekaperte Schiff ist von ungeheurem Wert. Ich würde die halbe Flotte dafür abstellen müssen, damit es eine ausreichende Eskorte erhält. Solange ich aber nicht weiß, was die Enigmas in Sachen Kriegsschiffe aufzubieten haben und ob wir ihnen unter Umständen schon bei Pele begegnen werden, beabsichtige ich nicht, die Flotte aufzuteilen.«
»Nicht bevor wir Hua hinter uns gebracht haben«, stimmte Tulev zu.
Geary wollte die Besprechung beenden, da beugte sich Desjani zu ihm herüber und flüsterte: »Fordern Sie Roberto Duellos auf, noch zu bleiben. Sie sollten mit ihm reden.«
Er überspielte sein Erstaunen, nickte nur kurz und gab dann Duellos ein Zeichen zu bleiben, ehe er sich an die übrigen Schiffskommandanten wandte: »Das wäre dann alles. Wir werden zum Kampf bereit sein, wenn die Enigmas versuchen, sich uns in den Weg zu stellen.«
Die Bilder der Offiziere verschwanden im Eiltempo, gleichzeitig schrumpfte der Raum immer weiter zusammen, sodass es einen Moment lang so schien, als würden sich die Schotten tatsächlich zusammenziehen.
Rione und Charban, die so wie Desjani persönlich anwesend waren, standen beide auf und machten einen resignierten Eindruck. »Wir setzen uns wieder mit den Spinnenwölfen in Verbindung und versuchen weiter, ihre sonderbare Denkweise zu durchschauen«, merkte Charban an.
»Wenn Sie in die Politik wollen«, gab Rione zurück, »dann sollten Sie sich daran lieber schon mal gewöhnen. Aber zeitweise ist es schon ermüdend. Wenn Sie uns entschuldigen würden, Admiral.«
Desjani wartete, bis die beiden gegangen waren, sodass nur noch sie, Geary und der virtuelle Duellos anwesend waren. »Ich glaube, ihr Jungs müsst euch mal ein bisschen austoben.«
»Wie bitte?«, erwiderte Geary.
»Sie haben viel mit mir geredet. Aber ein gewisser Flottenbefehlshaber sollte seine Sorgen und Bedenken nicht nur mit einem gewissen Schlachtkreuzer-Captain teilen, wenn er mehr als nur eine Meinung und einen Blickwinkel erfahren will. Sie wissen, Sie können Captain Duellos alles anvertrauen. Und Sie, Roberto, erzählen mir seit Ihrer Rückkehr vom Landurlaub, was Ihnen zu schaffen macht. Dabei sage ich Ihnen immer wieder, Sie sollen mal mit Jack reden. Bei allen Vorfahren, hören Sie wenigstens dieses eine Mal auf mich!«
»Jack?«, wiederholte Duellos verdutzt.
»Sie wissen, wen ich meine. Den Admiral«, fügte sie hinzu und betonte den Dienstgrad auf eine Weise, dass es komisch wirkte. »Ich werde mich jetzt zurückziehen, damit Sie beide auch über mich herziehen können, wenn Sie das wollen.«
Duellos grinste und verbeugte sich in ihre Richtung, als sie den Raum verließ. »Was haben Sie getan, um jemanden wie sie zu verdienen.«
»Ich verdiene sie gar nicht«, sagte Geary. »Ich schätze, Sie und ich, wir haben unsere Befehle.«
»Ich fand schon immer, dass ein Admiral eine Stimme an seiner Seite haben sollte, die ihn hin und wieder an seine Fehlbarkeit erinnert«, meinte Duellos. »Mit Tanya haben Sie eine solche Stimme gefunden.«
»Die manchmal ziemlich energisch werden kann, wenn ich nicht auf sie höre. Was macht ihr Sorgen?«
»Sie und ich, würde ich annehmen.« Duellos wandte sich um und sah dorthin, wo Augenblicke zuvor noch die anderen Offiziere gesessen hatten. »Und Jane Geary, aber die wird nicht reden wollen. Sie scheint noch immer nach ihrem Anteil am Ruhm zu streben.«
»Glauben Sie mir, das ist mir nicht entgangen.« Geary setzte sich hin und bedeutete Duellos, ebenfalls Platz zu nehmen. »Entspannen Sie sich. Ich vermute, das hier ist mehr so eine Art private Therapiesitzung, auch wenn keiner von uns darum gebeten hat.«
»Dafür hat man Freunde«, seufzte Duellos, der irgendwie älter wirkte als noch vor ein paar Tagen, als Geary ihn das letzte Mal gesehen hatte.
»Was ist los mit Ihnen?«, fragte er. »Wir sind auf dem Heimweg.«
»Und ich sollte mich darüber so freuen wie alle anderen.« Duellos zuckte mit den Schultern, sein Gesichtsausdruck spiegelte seine Unentschlossenheit wider. »In der kurzen Ruhephase nach Kriegsende bin ich nach Hause gereist. Es kam mir sonderbar vor.«
»Sonderbar?«
»Sie sind nicht nach Glenlyon heimgekehrt?«
»Nein. Sie können sich ja vorstellen, was das geworden wäre. Kosatka hat mir mehr als genügt.«
Duellos nickte. »Der Held aus einer Legende kehrt heim. Ich muss gestehen, als ich nach Hause flog, da habe ich nicht nur erwartet, dass sich meine Familie über meine Rückkehr freut, sondern dass ich auch Lob für alles höre, was die Flotte getan hat. ›Gut gemacht, Roberto.‹ Etwas in der Art. Nichts Übertriebenes, einfach nur eine Anerkenntnis, dass wir das gut gemacht haben. Aber die Stimmung war anders, Admiral, grundlegend anders.«
»Wie soll ich das verstehen?«
»Es ist vorbei.« Duellos hielt inne und dachte nach. »So kam es mir vor. Jetzt ist es vorbei. Kein Jubel, dass wir gewonnen haben. Kein Willkommen für die heimkehrenden Helden. Nein, einfach nur aus und vorbei. Auf Catalan gibt es eine große Trainingsbasis, die bis zu zwanzigtausend Rekruten fassen kann. In den letzten hundert Jahren haben in Fort Cinque unzählige Rekruten gelernt, wie man marschiert und Befehle ausführt; natürlich nicht immer gleichermaßen erfolgreich. Ich ging dorthin, Admiral, aber die Basis war geschlossen.«
»Das heißt, sie wird aufgelöst?«, fragte Geary, der eine solche Vorgehensweise nachvollziehen konnte.
»Nein, sie wird nicht aufgelöst. An dem Tag, an dem sie erfuhren, dass der Krieg vorbei ist, drückten sie jedem Rekruten ein Flugticket für die Heimreise in die Hand, und dann wurden sie noch am gleichen Tag nach Hause geschickt. Dann folgten die Instruktoren, die Wachen, die Wartungstechniker und alle anderen, und noch bevor die Sonne untergegangen war, verließ der Befehlshaber der Basis als Letzter das Gelände und schloss hinter sich ab.« Duellos sah zu Geary, sein Gesicht verriet keine Regung. »Hundert Jahre lang haben Zigtausende Männer und Frauen dieses Fort durchlaufen. Es war ein Teil ihres Lebens, ein Teil der Geschichte. Und dann hören sie, dass der Krieg vorüber ist, und sie machen den Laden einfach sofort dicht.«
»Passiert so was mit allen Einrichtungen?«, wollte Geary wissen.
»Größtenteils ja. Überall werden Basen geschlossen, die lokalen Verteidigungsstreitkräfte werden so schnell entlassen, wie man ihnen ihre Papiere ausstellen kann. Verträge mit militärischem Bezug werden gekündigt, Ausrüstungsgegenstände werden eingemottet oder sogar gleich verschrottet. Es ist keine Verkleinerung des Militärs, es ist seine komplette Auflösung.« Duellos lächelte bitter. »Meine Frau und ich sind zu ein paar Treffen gegangen. Die Leute wollten nicht wissen, was ich gemacht habe, sondern ob ich Ihnen begegnet bin. Ansonsten hieß es nur: ›Und was werden Sie jetzt machen?‹ Jetzt, da der Krieg vorbei ist, braucht niemand mehr einen Flottenoffizier.«