»Wie sie was rechtfertigen?«, fragte Geary verwundert.
Duellos schaute ihn eindringlich an. »Wie sie es rechtfertigen, dass sie nicht Ihnen das Kommando übertragen. Sie sind der beste Gefechtskommandant der Allianz, Sie sind beliebter und angesehener als jeder andere Offizier. Wie soll man es rechtfertigen, dass nicht Sie das Kommando erhalten?«
»Sie scheinen schon eine Antwort auf diese Frage gefunden zu haben.«
»Allerdings. Wenn Admiral Geary nicht da ist, kann ihm auch nicht das Kommando übertragen werden.«
Geary lehnte sich frustriert nach hinten und hielt die Hände verschränkt. »›Nicht da‹ kann viele Gründe haben.«
»Richtig. Aber auch wenn die einzelnen Beteiligten unterschiedliche Gründe haben, warum Admiral Geary nicht da sein sollte, könnten sie sich darin einig sein, dass er nicht da sein sollte.« Duellos nickte zufrieden. »So deute ich diese Situation. Keine gewaltige Verschwörung, die auf ein bestimmtes Ziel hinarbeitet, sondern verschiedene Gruppen, die alle ihre eigenen Pläne verfolgen, von denen sich viele in dem Punkt überlappen, dass unsere Flotte auf diese eine Weise auf ihre Mission geschickt werden musste. Es geht nicht darum, dass Sie allein gegen die Regierung antreten.«
»Danke«, erwiderte Geary. »Ich hatte zu der gleichen Schlussfolgerung kommen wollen, aber weil ich es wollte, habe ich meiner Denkweise misstraut. Sie sind jetzt wenigstens zum gleichen Schluss gekommen wie ich. Daheim sitzen Leute, die mir Steine in den Weg legen wollen, während andere Leute versuchen, zu Macht oder Reichtum zu gelangen. Ein paar von ihnen arbeiten tatsächlich für das Gemeinwohl, aber sie könnten dazu verleitet worden sein, Vorgehensweisen zu unterstützen, die anderen Zwecken dienen. Gut. Dann verraten Sie mir, wie ich Ihnen bei Ihren Sorgen helfen kann.«
»Gegen meine Ängste kann mir niemand beistehen«, sagte Duellos. »Ich gehöre nicht länger an diesen Ort, der einmal mein Zuhause war. Ich werde mich irgendwie anpassen müssen.«
»Sie werden in jeder Streitmacht unter meinem Kommando immer ein Zuhause haben.«
»Ich danke Ihnen vielmals.« Duellos stand auf und salutierte mit ernster Miene. »Allerdings glaube ich nicht, dass meine Frau Ihnen auch dankbar sein wird. Ich werde mich jetzt wieder meinen Aufgaben widmen, Admiral.«
Nachdem Duellos gegangen war, saß Geary da und betrachtete das Sternendisplay. Also nicht ich gegen die Regierung. Aber was ist, wenn eine andere Regierung kommt? Wenn einige der Leute die Kontrolle übernehmen, vor denen mich Rione gewarnt hat? Wenn sie behaupten, ich würde ihr Handeln befürworten, weil sie wissen, dass die Menschen in der Allianz dann Ruhe bewahren? Aber das wird dann nicht mehr die Regierung sein, jedenfalls keine Regierung, wie sie die Menschen der Allianz gewählt haben.
Aber wie viele von ihnen würden das erkennen und mein Vorgehen verstehen, wenn es dazu kommt?
Er hatte einiges über diesen antiken Ort namens Rom auf der Alten Erde gelesen und darüber, was geschehen war, als sich die Führer des Militärs zu den Herrschern über das Land gemacht hatten, was sie dann mit Behauptungen über Unfähigkeit oder Korruption oder Schwäche aufseiten der Regierung gerechtfertigt hatten. Manche Behauptungen waren zutreffend gewesen, doch jedes Mal, wenn die Legionen marschierten, ging es in der Regierung wieder etwas weniger um den Senat und die Römer und dafür umso mehr um jene Führer, deren Macht sich danach bestimmte, wie scharf die Klinge ihrer Schwerter war.
Er durfte nicht zulassen, dass das auch der Allianz widerfuhr.
Fünfzehn
Es ist bloß ein weiteres System, das von den Enigmas kontrolliert wird, sagte sich Geary, als die letzten Minuten bis zum Verlassen des Sprungraums bei Hua verstrichen. Wir haben sie jedes Mal geschlagen, sogar als sie wussten, dass wir auf dem Weg zu ihnen waren. Wir kommen auch hier durch.
»Wenigstens dürfte es die Enigmas völlig überraschen, dass wir bei Hua auftauchen«, sprach Desjani unwissentlich das aus, was Geary durch den Kopf ging. »Die beglückwünschen sich vermutlich noch immer gegenseitig, weil sie glauben, die Kiks hätten unsere Flotte ausgelöscht. Sie wissen, dass es hier ein Hypernet-Portal gibt, nicht wahr?«
»Ja, das weiß ich.« Für die Enigmas war es ein an der Grenze gelegenes System, und soweit sie das beurteilen konnten, benutzten die Enigmas die Portale selbst als Verteidigungswaffe, anstatt den Mechanismus in einer viel kleineren und unauffälligeren Mine zu verstauen, wie es die Spinnenwölfe machten.
Sein Verstand wurde durcheinandergewirbelt, als die Dauntless den Sprungraum verließ und so wie alle anderen Allianz-Schiffe das im Voraus programmierte Ausweichmanöver flog. Als er wieder klarer denken konnte, bemerkte er, dass die Sensorsysteme keine unmittelbare Gefahr meldeten. Mit Erleichterung beobachtete er, dass auf seinem Display weder ein Minenfeld noch eine Formation aus Enigma-Kriegsschiffen in unmittelbarer Nähe zum Sprungpunkt angezeigt wurde.
»Da ist es«, sagte Desjani. Das Hypernet-Portal hing in einer Entfernung von drei Lichtstunden bedrohlich genau in der Richtung im All, die die Flotte bei ihrem Ausweichmanöver eingeschlagen hatte. »Gute Wahl, was unsere Kursänderung angeht, Admiral.«
»Danke.« Wo waren die Sprungpunkte?
Dann wurde ihm klar, dass er nicht erst warten musste, bis die Flottensensoren die Sprungpunkte lokalisiert hatten. Die sechs vor der Flotte befindlichen Schiffe der Spinnenwölfe machten einen regelrechten Satz nach vorn, um auf eine Position an Steuerbord zuzuhalten. Geary gab sofort den Befehl aus, den verbündeten Aliens zu folgen und dabei die Geschwindigkeit zu erhöhen, um den Abstand zu ihnen nicht zu groß werden zu lassen. »Hängen wir uns an die Spinnenwölfe.«
»Haben Sie jemals damit gerechnet, so etwas zu sagen?«, kommentierte Desjani, die ihr Display aufmerksam beobachtete. »Vereinzelte fest installierte Verteidigungsanlagen… Raumdocks hier und da… Das da sieht aus wie eine große militärische Orbitalstation. Da, da und dort halten sich Kriegsschiffe auf.«
»Eindeutig Enigma-Kriegsschiffe«, stellte Geary fest. Es waren nur fünf Stück, und sie alle wiesen die gedrungene, an Schildkröten erinnernde Form auf, die für die Kriegsschiffe der Enigmas typisch waren. In der Größe reichten sie von Allianz-Zerstörern bis hin zu etwas, das größer als ein Schwerer Kreuzer, aber deutlich kleiner als ein Schlachtschiff war.
»Abgesehen von dem verdammten Hypernet-Portal«, erklärte Desjani schließlich, »finden sich hier nicht annähernd so viele Verteidigungseinrichtungen, wie ich erwartet hatte. Immerhin grenzt dieses System unmittelbar an das Gebiet der Spinnenwölfe. General Charban könnte mit seiner Vermutung recht gehabt haben.«
»Captain«, meldete sich Lieutenant Yuon. »Es scheint in diesem System etliche Andockeinrichtungen für Militärschiffe zu geben. Das macht den Eindruck, dass hier normalerweise viel mehr Kriegsschiffe zu finden sind.«
Desjani nickte. »Gute Beobachtung, Lieutenant. Sie haben ihre Verteidigungsstreitmacht auf ein Minimum zurückgefahren, um genügend Schiffe für eine Angriffsstreitmacht abstellen zu können.« Sie sah zu Geary. »Und wir wissen, wohin diese Streitmacht sehr wahrscheinlich abgereist ist. Es muss für die Enigmas nach einer sicheren Sache ausgesehen haben, Hua nahezu ohne Verteidigung zurückzulassen, um sich auf Midway zu stürzen. Die denken, wir sind von den Kiks ausgelöscht worden, ausgenommen vielleicht ein paar versprengte Schiffe, die irgendwie versuchen, nach Hause zu humpeln. Die Spinnenwölfe lassen unterdessen ihre Nachbarn in Ruhe, solange die nicht bei ihnen auftauchen.«