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»Wenn etwas so gut aussieht, stellt sich einem immer die Frage, was man wohl übersehen hat«, gab er zu bedenken. »Die Enigmas haben die Tatsache übersehen, dass wir möglicherweise nicht die Rolle spielen, die sie für uns in ihrem Plan vorgesehen haben.«

»Das Hypernet-Portal liegt drei Stunden hinter uns«, betonte Desjani. »Die größte militärische Einrichtung ist auf der Backbordseite in Richtung des Sterns viereinhalb Lichtstunden von uns entfernt. Wie weit bis zum Sprungpunkt?«

Es vergingen einige Sekunden, ehe diese Information auf den Displays auftauchte.

»Eindreiviertel Lichtstunden«, sagte sie dann, während ihre Finger über das Tastenfeld wirbelten, da sie Daten von den Steuersystemen der Flotte durchrechnen ließ. »Wenn wir versuchen, auf die gleiche Geschwindigkeit wie die Spinnenwölfe zu gehen, also 0,15 Licht vor dem Beginn des Bremsmanövers, dann haben wir… fünfzehn Stunden Transitzeit vor uns.«

Die Berechnung war simpel. In spätestens viereinhalb Stunden würde man auf der Militärbasis das Eintreffen der Allianz-Flotte bemerken. Wenn eines der Enigma-Kriegsschiffe vor diesem Zeitpunkt mit Überlicht-Komm eine Warnung aussandte, würde diese Zeitspanne auf zwei Stunden schrumpfen. Wenn die Basis daraufhin dem Hypernet-Portal den Befehl zum Kollabieren übermittelte, würde es fast fünfeinhalb Stunden dauern, bis das Signal das Portal erreichte. Die dann folgende Druckwelle der Explosion würde noch einmal mehr als drei Stunden benötigen, ehe sie die Flotte auf dem Weg zum Sprungpunkt erreicht hatte. »Dreizehn Stunden, bevor sie uns erwischen können.«

»Vielleicht nur zehn, wenn eines der Kriegsschiffe die Neuigkeit von unserer Ankunft mit Überlichtgeschwindigkeit meldet«, warnte Desjani ihn.

Geary betrachtete das Sternensystem, das ständig aktualisiert wurde, da die Sensoren kontinuierlich neue Daten erfassten und verarbeiteten. Das System war weder reich an Ressourcen, noch war es besonders dicht besiedelt, dennoch handelte es sich um ein gutes System. Auf einem Planeten fanden sich die getarnten Städte, die sich am Rand von beeindruckend großen Ozeanen drängten. »Wir wissen nicht, wie detailliert eine dieser Überlicht-Übermittlungen ausfallen kann. Würden sie das Portal sprengen, ohne sich erst davon zu überzeugen, was eines ihrer Schiffe gemeldet hat? Vor allem wenn sie sehen, dass wir schnurstracks zum nächsten Sprungpunkt fliegen, um von hier zu verschwinden, anstatt hier zu verharren oder tiefer ins System einzudringen?«

»Menschliche Logik hilft uns nicht unbedingt weiter, wenn es um die Enigmas geht«, machte Desjani ihm klar.

»Stimmt. Aber wir wissen, dass die Zahl der ihnen zur Verfügung stehenden Systeme begrenzt ist, weil wir uns auf der einen und die Bärkühe auf der anderen Seite befinden. Und nicht zu vergessen die Spinnenwölfe, die ihnen in die andere Richtung den Weg versperren. Auf unserem Weg durch ihr Territorium haben wir nicht ein einziges Enigma-System entdeckt, das dem Kollaps eines Hypernet-Portals ausgesetzt gewesen ist. Sie können nicht die Befugnis besitzen, ein ganzes Sternensystem hochgehen zu lassen, außer ihnen bleibt überhaupt keine andere Möglichkeit.«

Eine Verwundbarkeitsphase, die sich irgendwo zwischen zwei und fünf Stunden bewegte. Und das Einzige, was sie tun konnten, war bereits eingeleitet worden: das Bemühen, den nächsten Sprungpunkt so schnell wie möglich zu erreichen, um von hier verschwinden zu können.

Er hatte in der Nacht vor der Ankunft in diesem System nicht gut geschlafen, und nun drohte der Flotte über Stunden hinweg keine Gefahr. »Captain Desjani, ich ziehe mich in mein Quartier zurück, um mich eine Weile auszuruhen. Ich schlage vor, Sie gönnen Ihrer Crew auch eine Erholungspause.«

Desjani warf ihm einen skeptischen Blick zu und tat so, als würde sie nicht bemerken, wie die Brückencrew sich alle Mühe gab, keinen hoffnungsvollen Gesichtsausdruck zur Schau zu tragen. »Meine Crew soll sich ausruhen?«

»Wenn Sie nichts dagegen einzuwenden haben.« Er wusste, wie angestrengt sie alle gearbeitet hatten, um bei der Ankunft alle Systeme wieder einsatzbereit zu haben, und wie sie alles getestet und repariert hatten, damit die Dauntless so gefechtsbereit war, wie es nur irgend möglich war.

»Nein, Admiral, habe ich nicht. Jeder an Bord hat es sich verdient. An die Besatzung, hier spricht der Captain. Unterbrechen Sie Ihre Arbeit für drei Stunden, nach Ablauf dieser Zeit nehmen Sie Ihre Tätigkeit wieder auf.« Sie ließ die Komm-Taste los und zwinkerte Geary so zu, dass niemand sonst davon etwas mitbekommen konnte. »Genießen Sie Ihre Ruhepause, Admiral. Ich werde hier oben alles im Auge behalten.«

»Tanya, Sie sollten…«

»Ich habe letzte Nacht genug Schlaf bekommen.«

Vermutlich war das eine maßlose Übertreibung, aber er würde ihr nicht vor versammelter Brückencrew widersprechen und sie damit indirekt als Lügnerin bezeichnen.

Nur zwei Stunden später war er bereits auf dem Rückweg zur Brücke, wobei ihm auffiel, dass auch etliche andere Crewmitglieder offenbar nicht die drei freien Stunden voll ausgenutzt hatten.

»Was glauben Sie, was die denken?«, fragte Desjani. »Die Enigmas meine ich. Wir tauchen hier auf, eskortiert von sechs Schiffen der Spinnenwölfe, und haben ein Kik-Superschlachtschiff im Schlepptau, das unübersehbar schon bessere Zeiten erlebt hat.«

»Ich hoffe«, antwortete Geary, »die Enigmas sehen, dass wir zum einen neue Verbündete haben und zum anderen die Kiks nicht nur zum Teufel gejagt, sondern ihnen auch noch ein schönes Andenken abspenstig gemacht haben.« Einen Moment lang fragte er sich, welchen Namen die Enigmas wohl für die Kiks benutzten. »Eines von beiden könnte die Enigmas dazu veranlassen, ernsthaft mit uns zu verhandeln. Aber beides zusammen genügt vielleicht sogar, um sie davon zu überzeugen, dass sie sich nicht mit uns anlegen sollten.«

»Klingt nicht so, als würden Sie an das glauben, was Sie mir sagen«, stellte Desjani fest und lehnte sich auf ihrem Platz nach hinten, während sie das Display nicht aus den Augen ließ.

»Nein.« Geary verspürte wieder dieses alte Gefühl der Sinnlosigkeit. »General Charban glaubt, die Enigmas müssen mindestens noch einmal ordentlich unter Beschuss genommen werden, damit sie begreifen, dass sie uns militärisch nicht schlagen können.«

»Wie kann ein General der Bodentruppen so gut begreifen, wie eine fremde Spezies denkt?«

»Ich habe keine Ahnung. Und trotzdem ist er unverheiratet.« Geary konnte sich nicht davon abhalten, diese Bemerkung anzufügen.

Desjani drehte sich nicht zu ihm um, sondern sah ihn nur aus dem Augenwinkel an. »Frauen sind keine fremde Spezies.«

»Habe ich das gesagt? Hat sich irgendwas Erwähnenswertes ereignet?«

»Außer dass sich ein Admiral auf sehr dünnem Eis bewegt? Nein. Dann wären Sie sofort darüber informiert worden, Sir.« Sie deutete auf eines der Enigma-Kriegsschiffe. »Der Bursche ist uns am nächsten, er wird uns als Erster bemerken, und zwar irgendwann in den nächsten Minuten. Wenn wir in einigen Stunden seine Reaktion zu sehen bekommen, gibt uns das vielleicht einen Hinweis darauf, was die Enigmas tun werden.«

Geary rieb sich mit einer Hand übers Kinn. Er wünschte, er hätte klarere und aktuellere Informationen. Eigentlich solltest du dich inzwischen an diese zeitversetzten Informationen gewöhnt haben. Er betätigte die interne Komm-Taste. »Gesandte Rione? General Charban? Haben wir von den Spinnenwölfen etwas gehört?«

Dr. Shwartz meldete sich. »Ich bin momentan allein hier, Admiral. Wir haben absolut nichts von ihnen gehört.«

»Was haben wir ihnen geschickt?«

»Bei unserer Ankunft haben wir eine Nachricht übermittelt, mit der wir die Spinnenwölfe zu fragen versuchen, was sie tun werden. Es ist nach wie vor schwierig, Piktogramme und andere Symbole auf eine Weise zu formatieren, dass wir ihnen auch nur die simpelsten Konzepte senden können. Vor einer Stunde haben wir angefragt, ob sie wissen, wie die Enigmas reagieren werden. Wir haben ihnen diese Frage natürlich auch schon gestellt, bevor wir das Gebiet der Spinnenwölfe verlassen haben, aber sie haben nicht geantwortet. Da haben wir uns gedacht, wir wiederholen einfach unsere Frage an sie.«