»Ich würde mich über Ihre Mitwirkung an der Verteidigung dieses Systems gegen die Enigmas sehr freuen«, fügte er hinzu. »Auf die Ehre unserer Vorfahren. Geary Ende.«
Die weit verstreute und sich noch immer ausbreitende Streitmacht der Enigmas war über das System verteilt wie die Pollen einer Pusteblume, die von einem heftigen Windstoß erfasst worden war. Ihnen gegenüber und etwas mehr in Richtung des Sterns gelegen, hatten sich die Schiffe aus Gearys Verfolgergruppe ebenfalls in alle Himmelsrichtungen ausgebreitet. Zwar waren sie den Enigmas zahlenmäßig überlegen, doch ihnen fiel die schwierigere Aufgabe zu, diejenigen aufzuhalten, die irgendwie an ihnen vorbeikommen wollten.
Dazwischen befand sich immer noch die Hauptformation, was bei Geary einen Hoffnungsschimmer erwachen ließ. »Die einzelnen Enigma-Schiffe können nicht zu dicht an Armus’ Formation vorbeifliegen, weil sie sonst in deren Beschuss geraten.«
»Das schränkt die Möglichkeiten ein, welche Wege sie nehmen können, und für uns wird es leichter, sie in eine bestimmte Richtung zu dirigieren«, stimmte Desjani ihm zu. »Ich gebe Ihnen zwei Ziele, Lieutenant Yuon. Ich will sie beide haben.«
»Jawohl, Captain. Die Feuerkontrollsysteme verfolgen die von Ihnen bestimmten Ziele.«
»Feuern Sie, sobald sie nahe genug sind«, befahl sie.
Geary konnte nicht länger nachhalten, was sich alles auf seinem Display abspielte. Hunderte von Vektoren verliefen ober- und unterhalb der Hauptformation. Jäger und Gejagte hetzten durch den Raum, flogen Ausweichmanöver und beschossen sich gegenseitig, sobald sie aneinander vorbeizuckten. Die Dauntless feuerte im Vorbeiflug auf ein viel kleineres Enigma-Schiff, das durch den Treffer in zwei Teile zerbrach. Augenblicke später wurde ein zweites Schiff getroffen, das kaum kontrollierbar durch das System trudelte, dicht gefolgt von zwei Allianz-Zerstörern.
»Ich habe keine Ahnung, wie es aussieht«, murmelte Geary, während er das Gewirr aus sich kreuzenden Vektoren betrachtete. Auf seinem Display sah er daneben auch die Meldungen über die Trefferquoten, die Schätzungen der den feindlichen Schiffen zugefügten Schäden und die Schadensmeldungen seiner eigenen Schiffe, die ihrerseits von den Enigmas beschossen worden waren.
»Behalten Sie das da im Auge«, schlug Desjani vor, während die Dauntless ein Wendemanöver vollzog, das die Trägheitsdämpfer gequält aufstöhnen und die Struktur des Schiffs ächzen ließ. Sie zeigte auf eine einzelne Zahl. »Die geschätzte Anzahl feindlicher Schiffe. Solange die weiter sinkt, sieht es für uns gut aus.«
Sein Kopf wurde herumgerissen, als die Dauntless ihr Manöver vollendete und sofort Kurs auf ein Enigma-Schiff nahm, das einen Leichten Kreuzer attackierte und dabei mehr Schaden anrichtete, als es selbst einstecken musste. »Sagen Sie dem Maschinenraum, ich brauche mehr Schub vom Hauptantrieb«, befahl Desjani ihren Wachhabenden auf der Brücke.
»Der Maschinenraum meldet, dass wir bereits bei hundertzehn Prozent sind, Captain. Wenn wir weiter…«
»Hundertfünfzehn. Jetzt!«
»Jawohl, Captain.«
Sekunden später machte die Dauntless einen kleinen Satz nach vorn, der genügte, um den Abstand zu verringern. »Erledigen Sie ihn«, wies sie an.
Phantom-Raketen wurden abgefeuert und rasten auf das Enigma-Schiff zu, das zu spät erkannte, dass seine Attacke auf den Leichten Kreuzer nicht unbemerkt geblieben war. Es wollte sich noch seitlich wegdrehen, aber die beiden Phantome trafen ins Ziel und demolierten den Antrieb. Die Dauntless kam näher und hämmerte mit Höllenspeeren auf das Enigma-Schiff ein, das hektisch das Feuer erwiderte.
»Unsere Bugschilde sind kurz davor auszufallen!«, rief Lieutenant Castries.
»Verstehe«, gab Desjani ruhig zurück. »Sie werden schon lange genug durchhalten.«
Ein Schuss des Enigma-Schiffs durchbrach die Schilde und bohrte ein Loch in ein Vorratslager im vorderen Teil, dann aber brachen die Schilde des Gegners zusammen, und die Dauntless ließ einen Regen aus Höllenspeerfeuer auf das andere Schiff niedergehen.
Geary bekam kaum etwas davon mit, wie das Schiff in einer Explosion verging, vielmehr beschäftigte er sich mit der Gesamtsituation und behielt die Anzeige im Auge, auf die Desjani ihn hingewiesen hatte. Auch wenn die Zahl schnell kleiner wurde, schafften die Enigmas es dennoch, die Reihen der Allianz-Flotte zu durchbrechen und an den Kriegsschiffen der Menschen vorbeizukommen.
»Fünfunddreißig«, sagte er, als die Allianz-Schiffe begannen, die Enigma-Schiffe zu verfolgen, die sich an ihnen vorbeigeschlichen hatten. Einen Moment später fanden mehrere Phantome in äußerster Reichweite noch ihr Ziel. »Vierunddreißig.«
»Damit sollten die Syndiks eigentlich klarkommen«, meinte Desjani lächelnd. Dann aber wurde sie wieder ernst, als sie die Situation in der näheren Umgebung studierte. »Sagen Sie dem Maschinenraum, sie sollen für den Hauptantrieb auf hundert Prozent runtergehen. Vor uns liegt eine lange Verfolgungsjagd, ehe wir wieder eines der Enigma-Schiffe einholen werden.«
»Die Syndiks verfügen nicht über genügend Schiffe, um alle denkbaren Ziele ausreichend zu schützen«, sagte Geary. »Haben wir eigentlich von den Syndiks irgendeine Antwort erhalten?«
Desjani sah zum Komm-Wachhabenden, der daraufhin nickte und sagte: »Vor fünf Minuten ist etwas eingegangen.«
»Ihr ständiger Befehl lautet…«
»…keine zeitkritischen Ereignisse für Nachrichten zu stören, die nicht dringend sind«, führte Desjani den Satz zu Ende. »Sie haben sich völlig richtig verhalten. Von wem kommt die Nachricht?«
»Von der Flotte, die vom bewohnten Planeten zu den Docks in der Nähe des Gasriesen unterwegs ist. Dem, der uns am nächsten ist. Die Nachricht ist an Admiral Geary gerichtet, Captain.«
»Schicken Sie sie auf mein Display und auf das von Captain Desjani«, befahl Geary.
Einen Augenblick später öffnete sich ein Fenster vor ihm und Desjani. Eine Frau in Syndik-Uniform war zu sehen, die sich auf der Brücke eines Schweren Kreuzers der Syndiks aufhielt. Die Kragenabzeichen entsprachen allerdings nicht dem Syndik-Standard, und ihre Worte widersprachen vom ersten Ton an dem restlichen Erscheinungsbild. »Hier spricht Kommodor Marphissa vom Schweren Kreuzer Manticore des Midway-Sternensystems.«
»Kommodor Marphissa vom Schweren Kreuzer Manticore«, wiederholte Desjani. »Militärische Dienstgrade und Namen für die Schiffe? Hier hat sich seit unserem letzten Besuch aber einiges geändert. Sie hat sich nicht als Syndik bezeichnet, aber sie sieht wie eine aus.«
»Möchte wissen, was aus CEO Kolani geworden ist«, sagte Geary.
»Wahrscheinlich etwas, was wir besser nicht wissen sollten.« Desjani musterte argwöhnisch das Bild der Kommodor.
»Kolani machte auf mich den Eindruck, den Syndikatwelten gegenüber bedingungslos loyal zu sein«, redete Geary weiter. »Das würde erklären, warum jetzt Kommodor Marphissa hier das Kommando führt.«
Die Frau hatte nach ihrer Vorstellung eine längere Pause eingelegt, als hätte sie bereits erwartet, dass ihre Zuschauer über sie diskutieren würden. Jetzt redete sie selbstsicher und ruhig weiter. »Wir heißen die Unterstützung der Allianz-Flotte unter dem Kommando Admiral Geary willkommen, das Midway-Sternensystem gegen jede Bedrohung zu verteidigen.«