Der militante Geruch heißen Bleis begann, den Raum zu durchziehen; im Wettstreit mit dem Pfeifenrauch des Majors überwältigte er die angenehm heimelige Atmosphäre aus aufgehendem Brot, Kochgerüchen, getrockneten Kräutern, Putzbinsen und Seife, die normalerweise die Küche erfüllte.
Blei schmilzt ganz plötzlich; in einer Sekunde liegt eine deformierte Kugel oder ein verbogener Knopf vollständig und deutlich erkennbar in der Pfanne; in der nächsten sind sie fort, und eine winzige, dumpf schimmernde Metallpfütze ist an ihre Stelle getreten. Jamie goss das geschmolzene Blei vorsichtig in die Form.
»Warum Indianer?«
»Ah. Nun, das war es, was die Hure in Edenton gesagt hat. Sie meinte, ein paar der Männer, die ihr Haus abgebrannt und sie entführt hätten, wären Indianer. Aber wie gesagt, damals habe ich ihrer Geschichte wenig Beachtung geschenkt.«
Jamie machte ein schottisches Geräusch, um anzudeuten, dass er verstand, wenn auch nicht ohne Skepsis.
»Und wann seid Ihr diesem Mädchen begegnet, Donald, und habt ihre Geschichte gehört?«
»Um Weihnachten herum.« Der Major stocherte mit seinem verfärbten Zeigefinger im Kopf seiner Pfeife herum, ohne aufzublicken. »Ihr meint, wann ist ihr Haus überfallen worden? Das hat sie nicht gesagt, aber ich denke … wohl nicht allzu lange vorher. Sie war noch … ziemlich … frisch.« Er hustete, fing meinen Blick auf, hielt den Atem an und hustete erneut, so heftig, dass sein Gesicht erneut rot anlief.
Jamie presste den Mund fest zusammen, und er senkte den Blick, um die Gießform aufzuklappen und eine neue Kugel in die Kaminasche fallen zu lassen.
Ich ließ meine Gabel sinken, denn mir war jeder Appetit vergangen.
»Wie?«, wollte ich wissen. »Wie kam es, dass diese junge Frau im Bordell gelandet ist?«
»Nun, sie haben sie verkauft, Ma’am.« MacDonalds Wangen waren zwar noch gerötet, aber er hatte genug von seiner Fassung zurückerlangt, um mich anzusehen. »Die Banditen. Sie haben sie an einen Händler auf einem Flussboot verkauft, sagt sie, ein paar Tage nach der Entführung. Er hat sie eine Zeitlang bei sich auf dem Boot behalten, aber dann kam eines Abends ein Mann, um einen Handel abzuschließen, warf ein Auge auf sie und hat sie gekauft. Er nahm sie mit bis zur Küste, aber ich nehme an, dann hatte er genug von ihr …« Er verstummte, steckte die Pfeife wieder in den Mund und sog fest daran.
»Verstehe.« So war es, und das halbe Omelett, das ich gegessen hatte, lag als kleine, harte Kugel in meiner Magengrube.
Noch ziemlich frisch. Wie lange dauerte es wohl, fragte ich mich. Wie lange überlebte eine Frau, die beiläufig von Hand zu Hand wechselte, von den splitterigen Planken eines Bootsdecks auf die zerschlissene Matratze eines gemieteten Zimmers, und nur das Nötigste zu essen bekam? Es war mehr als gut möglich, dass ihr das Bordell in Edenton wie eine Zuflucht erschienen war, als sie dort ankam. Dieser Gedanke ließ mich jedoch MacDonald gegenüber nicht freundschaftlicher empfinden.
»Wisst Ihr wenigstens noch, wie sie hieß, Major?«, fragte ich mit eisiger Höflichkeit.
Ich hatte das Gefühl, aus dem Augenwinkel Jamies Mundwinkel zucken zu sehen, hielt den Blick jedoch fest auf MacDonald gerichtet.
Er nahm die Pfeife aus dem Mund, ließ den Rauch ausströmen, dann fixierte er mich und sah mich mit seinen blassblauen Augen sehr direkt an.
»Um ehrlich zu sein, Ma’am«, sagte er, »nenne ich sie alle Polly. Das spart Ärger, versteht Ihr?«
Mir blieb eine Antwort – oder Schlimmeres – erspart, weil Mrs. Bug mit einer leeren Schüssel in der Hand zurückkam.
»Der Junge hat etwas gegessen, und jetzt wird er schlafen«, verkündete sie. Ihr scharfer Blick huschte von meinem Gesicht zu meinem halbvollen Teller. Sie öffnete stirnrunzelnd den Mund, doch dann sah sie Jamie an und schien einen unausgesprochenen Befehl von ihm zu empfangen. Sie schloss den Mund wieder und räumte den Teller mit einem kurzen »Hmp!« ab.
»Mrs. Bug«, sagte Jamie leise. »Würdet Ihr Arch bitten, zu mir zu kommen? Und wenn es nicht zu viel verlangt ist, Roger Mac auch?«
Ihre kleinen schwarzen Augen wurden rund, dann kniff sie sie zusammen und richtete den Blick auf MacDonald. Wenn es Ärger gab, so hatte sie ihn offensichtlich im Verdacht, dahinterzustecken.
»Ja«, sagte sie und tadelte mich mit einem Kopfschütteln für meine Appetitlosigkeit. Dann stellte sie das Geschirr ab und ging, ohne die Tür zu verriegeln.
»Woram’s Landing«, sagte Jamie zu MacDonald und nahm ihre Unterhaltung wieder auf, als wäre sie nie unterbrochen worden. »Und Salem. Und wenn es dieselben Männer sind, ist Ian ihnen im Wald begegnet, einen Tagesmarsch westlich von hier. Nah genug.«
»Nah genug, dass es dieselben Männer sein könnten? Aye, das stimmt.«
»Es wird gerade erst Frühling.« Bei diesen Worten blickte Jamie zum Fenster; es war inzwischen dunkel, und die Läden waren geschlossen, doch ein kühler Windhauch schlich sich zu uns herein und ließ die Fäden schwanken, an denen ich Pilze zum Trocknen aufgehängt hatte, dunkle, verschrumpelte Umrisse, die sich wie winzige, erstarrte Tänzer vor dem hellen Holz bewegten.
Ich wusste, was er damit meinte. Der Boden in den Bergen war im Winter unpassierbar; die hoch gelegenen Pässe waren noch verschneit, und auf den tiefer gelegenen Hängen begann es erst seit ein paar Wochen zu grünen und zu blühen. Wenn es eine Bande organisierter Marodeure gab, war es möglich, dass sie sich den Winter über im Vorgebirge versteckt gehalten hatten und erst jetzt ins Hinterland vorstießen.
»Das stimmt«, pflichtete ihm MacDonald bei. »Hoffentlich früh genug, um die Leute zur Wachsamkeit zu mahnen. Doch ehe Eure Männer da sind, Sir – sollten wir vielleicht über den Grund meines Kommens sprechen?«
»Aye?«, sagte Jamie und goss vorsichtig blinzelnd einen weiteren glänzenden Bleistrom in die Form. »Natürlich, Donald. Ich hätte wissen müssen, dass es keine Kleinigkeit ist, die Euch so weit geführt hat. Worum geht es?«
MacDonald lächelte wie ein Haifisch; jetzt ging es zur Sache. »Ihr habt Eure Sache hier in Fraser’s Ridge gut gemacht, Oberst. Wie viele Familien habt Ihr jetzt auf Eurem Land?«
»Vierunddreißig«, sagte Jamie. Er blickte nicht auf, sondern kippte die nächste Kugel in die Asche.
»Dann habt Ihr eventuell noch Platz für ein paar mehr?« MacDonald lächelte unentwegt. Wir waren von Wildnis umgeben, die sich Tausende Meilen weit erstreckte; die Handvoll Siedlungsplätze von Fraser’s Ridge kratzte kaum daran – und konnte sich in Luft auflösen. Ich dachte eine Sekunde an die Hütte der Holländer und erschauerte. Ich konnte den bitteren, widerlichen Geruch verbrannten Fleisches nach wie vor in meiner Kehle schmecken, wo er unter den leichteren Aromen des Omeletts lauerte.
»Möglicherweise«, erwiderte Jamie gleichmütig. »Geht es um die neuen schottischen Emigranten? Aus Thurso?«
Major MacDonald und ich starrten ihn an.
»Woher zum Teufel wisst Ihr das?«, wollte MacDonald wissen. »Ich habe es selbst erst vor zehn Tagen gehört!«
»Habe gestern in der Mühle einen Mann getroffen«, erwiderte Jamie und griff wieder nach der Gießpfanne. »Ein Herr aus Philadelphia, der zum Pflanzensammeln in den Bergen unterwegs ist. Er war durch Cross Creek gekommen und hatte sie gesehen.« Neben seinem Mund zuckte ein Muskel. »Offenbar haben sie in Brunswick für einigen Aufruhr gesorgt und fühlten sich dort nicht so recht willkommen, deshalb sind sie auf Flachbooten den Fluss hinaufgefahren.«
»Einigen Aufruhr? Was haben sie denn getan?«, fragte ich.
»Nun, seht Ihr, Ma’am«, erklärte der Major, »es strömen heutzutage Massen von Menschen von den Schiffen, direkt aus den Highlands. Ganze Dörfer werden in die Eingeweide eines Schiffes gepackt – und beim Ausschiffen sehen sie dann auch aus wie ausgeschissen. An der Küste ist für sie jedoch nichts zu holen, und die Städter neigen dazu, mit dem Finger auf sie zu zeigen und sie auszulachen, wenn sie sie in ihren ungewohnten Kleidern sehen. Also steigen die meisten direkt auf den nächsten Lastkahn oder das nächste Flachboot und fahren den Cape Fear hinauf. In Campbelton und Cross Creek gibt es wenigstens Menschen, mit denen sie sich verständigen können.«