»Sehr freundlich von Euch, Major«, sagte Jamie trocken. Er sah mich an und zog eine Augenbraue hoch. Die Kolonialregierung musste in einem schlimmeren Zustand sein, als selbst er es vermutet hatte, wenn Gouverneur Martin die Existenz der Komitees nicht nur duldete – sondern sie insgeheim billigte.
Das langgezogene Jaulen eines gähnendes Hundes drang aus dem Flur schwach an mein Ohr, und ich entschuldigte mich, um nach Ian zu sehen.
Ich fragte mich, ob Gouverneur Martin die geringste Idee hatte, was er da entfesselte. Ich traute ihm zu, dass er das Beste aus einer verfahrenen Situation machte, indem er dafür zu sorgen versuchte, dass zumindest einige der Sicherheitskomitees von Männern angeführt wurden, die während der Regulatorenkriege auf der Seite der Krone gestanden hatten. Das änderte nichts daran, dass er nicht viele dieser Komitees kontrollieren – oder auch nur von ihnen wissen – konnte. Doch die Kolonie begann allmählich wie ein kochender Teekessel zu sieden und zu rumpeln, und Martin hatte keine offiziellen Truppen zu seiner Verfügung – nur irreguläre Soldaten wie MacDonald … und die Miliz.
Was natürlich der Grund dafür war, dass MacDonald Jamie »Oberst« nannte. Der Vorgänger des Gouverneurs, William Tryon, hatte Jamie – völlig gegen dessen Willen – zum Oberst der Miliz für das Hinterland oberhalb des Yadkin ernannt.
»Hmpf«, sagte ich zu mir selbst. Weder MacDonald noch Martin waren Dummköpfe. Jamie um die Einrichtung eines Sicherheitskomitees zu bitten, bedeutete, dass er die Männer einberufen würde, die unter ihm in der Miliz gedient hatten – die Regierung jedoch zu nichts verpflichten konnte, was ihre Bezahlung oder Ausrüstung anging, und der Gouverneur von jeder Verantwortung bezüglich ihrer Handlungen frei sein würde, da ein Komitee für die Sicherheit keine offizielle Einrichtung war.
Doch wenn Jamie auf einen solchen Vorschlag einging, war die Gefahr für ihn – und uns alle – beträchtlich.
Es war dunkel im Flur, da Licht allein hinter mir aus der Küche und von der schwach leuchtenden Kerze im Sprechzimmer kam. Ian schlief, war aber unruhig, und leises Unwohlsein legte die Haut zwischen seinen Augenbrauen in Falten. Rollo hob den Kopf, und seine buschige Rute wedelte auf dem Boden grüßend hin und her.
Ian antwortete weder, als ich seinen Namen sagte, noch, als ich ihm die Hand auf die Schulter legte. Ich schüttelte ihn erst sanft, dann fester. Ich konnte ihn kämpfen sehen, irgendwo unter den Schichten der Bewusstlosigkeit, wie einen Mann, der unter Wasser in der Strömung dahintreibt, sich den lockenden Tiefen hingibt, als ihn ein unerwarteter Angelhaken zurückreißt, ein schmerzender Stich in der von der Kälte betäubten Haut.
Seine Augen öffneten sich plötzlich, dunkel und verloren, und er starrte mich verständnislos an.
»Hallo, du«, sagte ich leise, erleichtert, ihn aufwachen zu sehen. »Wie heißt du?«
Ich konnte sehen, dass er die Frage zunächst nicht verstand, und wiederholte sie geduldig. Irgendwo in den Tiefen seiner geweiteten Pupillen regte sich das Bewusstsein.
»Wer ich bin?«, fragte er auf Gälisch. Er sagte noch etwas Unverständliches auf Mohawk, und seine Augenlider schlossen sich flatternd.
»Wach auf, Ian«, sagte ich bestimmt und schüttelte ihn wieder. »Sag mir, wer du bist.«
Seine Augen öffneten sich erneut, und er blinzelte mich verwirrt an.
»Versuch’s mit etwas Einfacherem«, schlug ich vor und hielt zwei Finger hoch. »Wie viele Finger siehst du hier?«
In seinen Augen flackerte Verständnis auf.
»Lass das nur nicht Arch Bug sehen, Tante Claire«, sagte er verschlafen, und der Hauch eines Lächelns überflog sein Gesicht. »Das ist wirklich unanständig, weißt du?«
Nun, zumindest hatte er mich erkannt und auch das »V«-Zeichen. Und er musste wissen, wer er war, da er mich Tante nannte.
»Wie ist dein voller Name?«, fragte ich erneut.
»Ian James Fitzgibbons Fraser Murray«, antwortete er ziemlich mürrisch. »Warum fragst du mich dauernd nach meinem Namen?«
»Fitzgibbons?«, sagte ich. »Wie in aller Welt bist du denn daran gekommen?«
Er stöhnte und legte zwei Finger auf seine Augenlider. Er zuckte zusammen, als er sacht zudrückte.
»Onkel Jamie hat ihn mir gegeben – seine Schuld«, sagte er. »Er ist für seinen alten Patenonkel, hat er gesagt. Murtagh Fitzgibbons Fraser hieß er, aber meine Mutter wollte nicht, dass ich Murtagh heiße. Ich glaube, ich muss mich wieder übergeben«, fügte er hinzu und zog seine Hand fort.
Er beugte sich würgend über die Schüssel, übergab sich aber dann doch nicht, was ein gutes Zeichen war. Ich ließ ihn wieder auf die Seite sinken, weiß und schweißklamm, und Rollo stellte sich auf die Hinterbeine, die Vorderpfoten auf den Tisch gestützt, um ihm das Gesicht zu lecken, so dass er beim Stöhnen kichern musste und schwach versuchte, den Hund fortzuschieben.
»Theirig, dhachaigh, Okwaho«, sagte er. Theirig, dhachaigh hieß »weg mit dir« auf Gälisch, und Okwaho war offensichtlich Rollos Mohawkname. Es schien Ian Schwierigkeiten zu bereiten, sich zwischen den drei Sprachen zu entscheiden, die er fließend sprach, doch trotzdem war er offensichtlich bei Sinnen. Nachdem ich ihm noch ein paar aufreizend sinnlose Fragen gestellt hatte, wischte ich ihm mit einem feuchten Tuch über das Gesicht, ließ ihn seinen Mund mit gut verdünntem Wein durchspülen und deckte ihn wieder zu.
»Tante Claire?«, fragte er schläfrig, als ich mich zur Tür wandte. »Glaubst du, ich werde meine Mutter je wiedersehen?«
Ich blieb stehen. Ich hatte keine Ahnung, was ich darauf antworten sollte. Doch das war auch nicht mehr nötig; er war mit der Plötzlichkeit, die Patienten mit Gehirnerschütterung oft an den Tag legten, wieder eingeschlafen und atmete tief, noch bevor ich irgendwelche Worte finden konnte.
Kapitel 6
Ein Hinterhalt
Ian erwachte abrupt, und seine Hand schloss sich um seinen Tomahawk. Oder vielmehr um die Stelle, wo sein Tomahawk hätte sein sollen, wo stattdessen aber nur der Stoff seiner Hose war. Im ersten Moment hatte er nicht die geringste Ahnung, wo er war, und setzte sich kerzengerade hin, während er versuchte, in der Dunkelheit irgendetwas zu erkennen.
Schmerzen durchfuhren seinen Kopf wie Blitzschläge, so dass er lautlos nach Luft schnappte und ihn mit den Händen packte. Irgendwo unter ihm im Dunkeln stieß Rollo ein leises, erschrockenes Wuff? aus.
Himmel. Die durchdringenden Gerüche des Sprechzimmers seiner Tante bissen ihm in der Nase, Alkohol und verbrannte Dochte, getrocknete Medizinblätter und das faulige Gebräu, das sie Penny-Syllin nannte. Er schloss die Augen, legte die Stirn auf seine hochgezogenen Knie und atmete langsam durch den Mund.
Was hatte er geträumt? Etwas, das mit Gefahr zu tun hatte und mit Gewalt – doch er konnte sich an kein einziges Bild erinnern, nur an das Gefühl, dass er beobachtet wurde, dass ihm etwas durch den Wald folgte.
Er musste dringend pinkeln. Er tastete nach der Kante des Tisches, auf dem er sich befand, und richtete sich langsam vollständig auf. Er kniff die Augen zu, weil sein Kopf so schmerzte.
Mrs. Bug hatte ihm ein Nachtgeschirr dagelassen; er erinnerte sich daran, dass sie das sagte, doch die Kerze war ausgegangen, und ihm war nicht danach, auf dem Boden herumzukriechen und danach zu suchen. Ein schwacher Lichtschein zeigte ihm, wo die Tür war; sie hatte sie einen Spaltbreit offen gelassen, und der Kamin in der Küche leuchtete durch den Flur bis hier. Nachdem er sich so orientiert hatte, tastete er sich zum Fenster, öffnete es, löste umständlich den Verschluss der Fensterläden und stand in der hereinflutenden Luft der kühlen Frühlingsnacht, die Augen erleichtert geschlossen, während sich seine Blase entleerte.