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»Jemmy!«

Er wandte ihr verständnislos das Gesicht zu, sagte mit leiser, unsicherer Stimme »Mama?«, und dann setzte er sich plötzlich hin, weil seine Beine unter ihm nachgaben wie Gummibänder.

Sie war sich vage bewusst, dass Germain schwankte wie ein junger Baum im Sturm, doch sie hatte keine Aufmerksamkeit für ihn übrig. Sie packte Jemmy, hob seinen Kopf und rüttelte ihn sacht.

»Jemmy! Wach auf! Was ist denn los?«

»Der Kleine ist stockbesoffen, a nighean«, sagte eine belustigt klingende Stimme über ihr. »Was habt Ihr ihm nur gegeben?« Robin McGillivray, der selbst nicht mehr der Nüchternste war, beugte sich vor und stupste Jemmy leicht an, doch dieser stieß nur ein leises Gurgeln aus. Er hob einen von Jemmys Armen hoch und ließ ihn dann los; er sank schlaff zu Boden wie ein Bündel gekochte Spaghetti.

»Ich habe ihm gar nichts gegeben«, erwiderte sie, und ihre Panik verwandelte sich zunehmend in Verärgerung, als sie sah, dass Jemmy tatsächlich nur schlief und sich seine kleine Brust in beruhigendem Rhythmus hob und senkte. »Germain!«

Germain war zu einem kleinen Häufchen zusammengesunken und sang verträumt »Alouette« vor sich hin. Brianna hatte ihm dieses Lied beigebracht; es war sein absolutes Lieblingslied.

»Germain! Was hast du Jemmy zu trinken gegeben?«

»… j’te plumerai la tête …«

»Germain!« Sie packte seinen Arm, und er hörte auf zu singen und schien überrascht, sie zu sehen.

»Was hast du Jemmy gegeben, Germain?«

»Er hatte Durst, M’dame«, sagte Germain mit einem unnachahmlich süßen Lächeln. »Er wollte etwas zu trinken.« Dann verdrehten sich seine Augen, und er kippte rückwärts um, schlaff wie ein toter Fisch.

»Oh, Himmel, Arsch und Zwirn!«

Inge und Hilde setzten schockierte Mienen auf, doch sie war nicht in der Stimmung, auf ihre Befindlichkeiten Rücksicht zu nehmen.

»Wo zum Teufel ist Marsali?«

»Sie ist nicht hier«, sagte Inge und beugte sich vor, um Germain zu untersuchen. »Sie ist mit den Mädchen zu Hause geblieben. Fergus ist …« Sie richtete sich auf und sah sich vage um. »Nun ja, vor kurzem habe ich ihn noch gesehen.«

»Was ist denn hier los?« Die heisere Stimme an ihrer Seite überraschte sie, und als sie sich umdrehte, sah sie Roger mit fragender Miene dastehen, sein Gesicht entspannt und nicht so ernst wie sonst.

»Dein Sohn ist ein Trunkenbold«, informierte sie ihn. Dann stieg ihr Rogers Atem in die Nase. »Auf den Spuren seines Vaters, wie ich merke«, fügte sie indigniert hinzu.

Ohne diese Worte zu beachten, setzte sich Roger neben sie und nahm Jemmy auf seinen Schoß. Er hielt den Kleinen gegen seine Knie gestützt und tätschelte ihm sanft, aber beharrlich die Wange.

»Hallo, kleiner Mej«, sagte er leise. »Hallo, du. Alles in Ordnung bei dir?«

Wie von Zauberhand schwebten Jemmys Augenlider in die Höhe. Er lächelte Roger verträumt an.

»Hallo, Papa.« Er lächelte weiter selig, während sich seine Augen schlossen und er sich völlig entspannte, bis seine Wange flach am Knie seines Vaters lag.

»Ihm fehlt nichts«, sagte Roger zu ihr.

»Nun gut«, sagte sie, nicht übermäßig besänftigt. »Was glaubst du, was sie getrunken haben? Bier?«

Roger beugte sich vor und roch an den rot gefleckten Lippen seines Sprösslings.

»Kirschlikör, wenn ich raten soll. Hinten an der Scheune steht ein Fass davon.«

»Gütiger Himmel!« Sie hatte noch nie Kirschlikör getrunken, aber Mrs. Bug hatte ihr gesagt, wie man ihn herstellte – Man nehme den Saft eines Scheffels Kirschen, löse vierundzwanzig Pfund Zucker darin auf, gieße ihn in ein Vierzig-Gallonen-Fass und fülle dieses mit Whisky auf.

»Ihm fehlt nichts.« Roger tätschelte ihren Arm. »Ist das Germain da drüben?«

»So ist es.« Sie beugte sich prüfend über ihn, doch Germain schlief friedlich und lächelte ebenfalls. »Dieser Kirschlikör muss es in sich haben.«

Roger lachte. »Er ist schrecklich. Wie extra starker Hustensaft. Ich muss aber sagen, dass man davon sehr fröhlich wird.«

»Hast du ihn auch getrunken?« Sie musterte ihn scharf, doch seine Lippen schienen ihre normale Farbe zu haben.

»Natürlich nicht.« Er beugte sich zu ihr herüber und küsste sie zum Beweis. »Du glaubst doch wohl nicht, dass ein Schotte wie Ronnie seine Enttäuschung in Kirschlikör ertränken würde, wenn es anständigen Whisky gibt?«

»Stimmt«, gab sie zu. Sie blickte zur Küferei hinüber. Der schwache Schein des Kaminfeuers war erloschen, und der Türumriss war verschwunden. Jetzt war das Gebäude nur noch ein schwarzes Rechteck vor der dunkleren Masse des dahinter liegenden Waldes. »Wie kommt Ronnie denn damit zurecht?« Sie sah sich um, doch Inge und Hilde hatten sich entfernt, um Ute zu helfen; sie wimmelten jetzt alle um den Essenstisch herum und räumten ihn ab.

»Oh, er wird’s überleben, Ronnie.« Roger hob Jemmy von seinem Schoß, drehte ihn auf die Seite und legte ihn sanft neben Germain ins Stroh. »Er war ja schließlich nicht in Senga verliebt. Er leidet an sexueller Frustration, nicht an gebrochenem Herzen.«

»Oh, nun ja, wenn das alles ist«, meinte sie trocken. »Er wird nicht mehr lange leiden müssen; man hat mich unterrichtet, dass Ute die Sache schon in die Hand genommen hat.«

»Aye, sie hat ihm gesagt, dass sie ihm eine Frau suchen wird. Er steht der ganzen Angelegenheit mehr oder minder stoisch gegenüber. Obwohl er geradezu stinkt vor Lust«, fügte er hinzu und zog die Nase kraus.

»Igitt. Willst du etwas essen?« Mit einem Blick auf die Jungen schickte sie sich an, aufzustehen. »Ich hole dir besser etwas, bevor Ute und die Mädchen alles abräumen.«

Plötzlich gähnte Roger heftig.

»Nein, es geht schon.« Er kniff die Augen zu und lächelte sie schläfrig an. »Ich gehe zu Fergus und sage ihm, wo Germain ist, vielleicht schnappe ich mir unterwegs einen Bissen.« Er tätschelte ihre Schulter, dann stand er auf und ging leicht schwankend auf das Feuer zu.

Sie sah noch einmal nach den Jungen; sie atmeten beide tief und regelmäßig und waren der Welt vollständig entrückt. Mit einem Seufzer kuschelte sie sie dicht aneinander, häufte Stroh rings um sie auf und deckte sie mit ihrem Umhang zu. Es wurde jetzt kälter, aber es lag kein Frost in der Luft.

Die Feier war immer noch im Gange, doch die Stimmung war jetzt gedämpfter. Der Tanz war beendet, und die Menge hatte sich in kleinere Grüppchen aufgeteilt, die Männer saßen am Feuer im Kreis und zündeten ihre Pfeifen an; die jüngeren Männer waren irgendwo verschwunden. Überall um sie herum ließen sich Familien für die Nacht nieder und bauten sich Nester im Heu. Einige waren im Haus, einige mehr in der Scheune; von irgendwo hinter dem Haus konnte sie die Klänge einer Gitarre hören und eine einzelne Stimme, die etwas Langsames, Wehmütiges sang. Plötzlich sehnte sie sich nach dem Klang von Rogers Stimme, die so voll und sanft gewesen war.

Doch bei diesem Gedanken fiel ihr etwas auf; seine Stimme hatte viel besser geklungen, als er von seinem Trostbesuch bei Ronnie zurückkehrte. Sie war immer noch heiser gewesen, und es hatte nur ein Hauch ihrer früheren Resonanz darin gelegen – doch sie hatte entspannt geklungen, ohne diesen erstickten Unterton. Möglicherweise entspannte Alkohol die Stimmbänder? Wahrscheinlicher, so dachte sie, dass er schlicht Roger entspannte; ihm einige seiner Hemmungen in Bezug darauf nahm, wie er sich anhörte. Das war gut zu wissen. Ihre Mutter war der Meinung, dass sich seine Stimme bessern würde, wenn er sie anstrengte, daran arbeitete – doch er scheute sich, sie zu benutzen, hatte Angst vor Schmerzen, ob es ihn nun tatsächlich beim Sprechen schmerzte oder ob er einfach den Vergleich zum früheren Klang seiner Stimme nicht ertragen konnte.

»Also mache ich ihm vielleicht ein wenig Kirschlikör«, sagte sie laut. Dann warf sie einen Blick auf die beiden schlummernden Gestalten im Heu und malte sich aus, wie es sein würde, am Morgen neben drei verkaterten Männern aufzuwachen. »Oder vielleicht auch lieber nicht.«