»Sie entfernen? Wie denn? Mit deinem Messerchen?« Er richtete den Blick auf die Truhe, in der ich meine chirurgischen Instrumente aufbewahrte, und zog angewidert die Schultern hoch.
»Das könnte ich, ja, obwohl ich mir vorstelle, dass es ohne Anästhesie ziemlich schmerzhaft wäre. Aber es gab eine sehr viel einfachere Methode, die sich gerade allgemein durchzusetzen begann, als ich – gegangen bin.« Nur für einen Moment spürte ich einen Stich der Sehnsucht nach meinem Krankenhaus. Beinahe konnte ich das Desinfektionsmittel riechen, das Murmeln und Hasten der Schwestern und Pfleger hören, die Hochglanztitel der wissenschaftlichen Magazine, die vor Ideen und Informationen nur so überquollen, unter meinen Fingern spüren.
Dann war es vorbei, und ich wog die Vorzüge von Blutegeln gegenüber einer Abschnürung ab, unter Berücksichtigung des Ziels, Mr. Higgins zur bestmöglichen Analgesundheit zu verhelfen.
»Dr. Rawlings rät zum Einsatz von Blutegeln«, erklärte ich. »Zwanzig oder dreißig, sagt er, in einem schweren Fall.«
Jamie, der sich von dieser Vorstellung herzlich wenig angewidert zeigte, nickte. Er war halt selbst schon mehrfach mit Blutegeln behandelt worden und versicherte mir, dass es nicht schmerzhaft war.
»Aye. So viele hast du aber nicht, nicht wahr? Soll ich die Jungen holen und mit ihnen sammeln gehen?«
Nichts, was Jemmy und Germain mehr Spaß machen würde als eine Ausrede, mit ihrem Großvater in den Bächen herumzumatschen und bis zu den Ohren mit Schlamm und Blutegeln übersät heimzukommen. Doch ich schüttelte den Kopf.
»Nein. Oder vielmehr, ja«, verbesserte ich mich. »Wenn du Zeit hast – aber ich brauche sie nicht sofort. Blutegel würden die Lage vorübergehend verbessern, aber Bobbys Hämorrhoiden sind voller Thrombosen – verklumptem Blut –«, korrigierte ich mich, »– und ich glaube, dass es wirklich besser für ihn wäre, wenn ich sie ganz entfernte. Ich glaube, ich kann sie abbinden – jede Hämorrhoide ganz unten fest mit einem Faden abschnüren, meine ich. Das unterbricht ihre Blutzufuhr, und im Lauf der Zeit vertrocknen sie einfach und fallen ab. Sehr sauber.«
»Sehr sauber«, murmelte Jamie wie ein Echo. Er zog ein etwas nervöses Gesicht. »Hast du das schon einmal gemacht?«
»Ja, ein-, zweimal.«
»Ah.« Er spitzte die Lippen, während er sich den Vorgang anscheinend vorstellte. »Wie … äh … ich meine … glaubst du, er kann scheißen, während das so geht? Es wird doch sicher eine Weile dauern.«
Ich runzelte die Stirn und klopfte mit dem Finger auf die Arbeitsfläche.
»Sein größtes Problem ist, dass er nicht scheißt«, offenbarte ich. »Nicht oft genug, meine ich, und nicht mit der richtigen Konsistenz. Schreckliche Verpflegung«, sagte ich und zeigte anklagend mit dem Finger auf ihn. »Er hat es mir erzählt. Brot, Fleisch und Ale. Kein Gemüse, kein Obst. Ich glaube, die ganze britische Armee muss Verstopfung haben. Es würde mich nicht überraschen, wenn sie bis zum letzten Mann Hämorrhoiden hätten, die ihnen wie Traubenbüschel aus dem Hintern hängen!«
Jamie zog eine Augenbraue hoch und nickte.
»Es gibt viele Dinge, die ich an dir bewundere, Sassenach – vor allem deine delikate Ausdrucksweise.« Er hustete und senkte den Blick. »Aber … wenn du sagst, dass es Verstopfung ist, die Hämorrhoiden verursacht –«
»Das tut sie.«
»Aye, nun ja. Es ist nur – was du über John Grey gesagt hast. Ich meine, du glaubst doch nicht, dass der Zustand von Bobbys Hintern etwas zu tun hat mit … mmpfm.«
»Oh. Nun, nein, nicht direkt.« Ich hielt inne. »Es war eher so, dass Lord John in seinem Brief gefragt hat, ob ich möglicherweise eine Behandlung für seine anderen Beschwerden vorschlagen kann. Ich meine, eventuell weiß er von Bobbys Problemen, ohne sich … äh … sagen wir, persönlich ein Bild davon gemacht zu haben. Aber wie gesagt, Hämorrhoiden sind eine derart verbreitete Erkrankung, warum sollte er sich so sehr dafür interessieren, dass er mich um Hilfe bittet – wenn er nicht glaubt, dass sie ihm irgendwann einmal beim, äh, Vorankommen hinderlich sein könnten?«
Jamies Gesicht hatte während unserer Unterhaltung über Blutegel und Verstopfung seine normale Farbe zurückgewonnen, doch an diesem Punkt wurde es erneut rot.
»Beim –«
»Ich meine«, sagte ich und verschränkte die Arme unter meiner Brust, »ich bin ein kleines bisschen … angewidert … von der Vorstellung, dass er Mr. Higgins sozusagen zur Instandsetzung zu uns geschickt hat.« Ich hatte die ganze Zeit ein äußerst ungutes Gefühl in Bezug auf die Sache mit Bobby Higgins’ Hinterteil gehabt, hatte es aber bis jetzt noch nicht in Worte gefasst. Jetzt, da ich es ausgesprochen hatte, war mir absolut klar, was mich so störte.
»Der Gedanke, dass ich den armen kleinen Bobby in Ordnung bringen soll, um ihn dann wieder heimzuschicken, damit er –« Ich presste die Lippen fest aufeinander und wandte mich abrupt wieder meinen Waldlilienknollen zu, die ich überflüssigerweise wendete.
»Dieser Gedanke gefällt mir nicht«, sagte ich an die Schranktür gerichtet. »Ich werde natürlich für Mr. Higgins tun, was ich kann. Bobby Higgins hat keine großen Zukunftsaussichten; er würde zweifellos alles tun …, was Seine Lordschaft wünscht. Aber vielleicht tue ich ihm ja auch unrecht. Lord John, meine ich.«
»Vielleicht tust du das.«
Ich drehte mich um und sah, dass sich Jamie auf den Hocker gesetzt hatte und mit einem Krug Gänseschmalz spielte, dem seine ungeteilte Aufmerksamkeit zu gelten schien.
»Nun«, sagte ich unsicher. »Du kennst ihn besser als ich. Wenn du meinst, dass er keine …« Ich verstummte.
»Ich weiß mehr über John Grey, als mir lieb ist«, sagte Jamie schließlich und sah mich an. Ein reumütiges Lächeln umspielte seinen Mundwinkel. »Und er weiß eine Menge mehr über mich, als ich mir ausmalen möchte. Aber.«
Er beugte sich vor und stellte das Glas hin. Dann legte er die Hände auf seine Knie und sah mich an. »Eines weiß ich über jeden Zweifel erhaben. Er ist ein Ehrenmann. Er würde weder Higgins noch irgendeinen anderen Mann in seiner Obhut ausnutzen.«
Er klang sehr überzeugt, und ich fühlte mich beruhigt. Ich mochte John Grey. Und doch … wurde mir beim Erscheinen seiner Briefe, die uns mit der Regelmäßigkeit eines Uhrwerks erreichten, stets leicht beklommen zumute, als ob ich es in der Ferne donnern hörte. Die Briefe selbst hatten nichts an sich, das eine solche Reaktion begründet hätte; sie waren genauso wie der Mann selbst – gebildet, humorvoll und aufrichtig. Und er hatte natürlich Grund zu schreiben. Mehr als einen.
»Er liebt dich immer noch, das weißt du«, sagte ich leise.
Er nickte, sah mich aber nicht an, sondern hielt den Blick weiter auf irgendetwas jenseits der Bäume gerichtet, die unseren Hof säumten.
»Wäre es dir lieber, wenn es nicht so wäre?«
Er hielt inne, dann nickte er erneut. Diesmal drehte er sich jedoch um und sah mich an.
»Das wäre es, aye. Um meinetwillen. Gewiss um seinetwillen. Aber um Williams willen?« Er schüttelte unsicher den Kopf.
»Oh, möglich, dass er William deinetwegen angenommen hat«, sagte ich und lehnte mich mit dem Rücken an die Arbeitsfläche. »Aber ich habe die beiden zusammen gesehen, weißt du noch? Ich habe keinen Zweifel, dass er William jetzt um seiner selbst willen liebt.«
»Nein. Daran zweifle ich ebenso wenig.« Er stand unruhig auf und klopfte sich eingebildeten Staub vom Saum seines Kilts. Sein Gesicht war verschlossen, sein Blick nach innen auf etwas gerichtet, das er nicht mit mir teilen wollte.
»Hast du –«, begann ich, hielt jedoch inne, als er zu mir aufblickte. »Nein. Es spielt keine Rolle.«
»Was?« Er legte den Kopf zur Seite und kniff die Augen zusammen.
»Nichts.«
Er regte sich nicht, sondern intensivierte lediglich seinen Blick.
»Ich kann deinem Gesichtsausdruck ansehen, dass das nicht stimmt, Sassenach. Was?«
Ich atmete tief durch die Nase ein und wickelte die Fäuste in meine Schürze.
»Es ist nur – und ich bin mir sicher, dass es nicht stimmt, es ist nur so ein Gedanke –«