»Nun, es ist dein Shilling, Ian. Schieb es nicht auf mich.« Er setzte sich auf die Bettplattform und räkelte sich genüsslich, dann erbarmte er sich. »Sieh dir Georgies Nase an.«
Ian drehte den Shilling mit den Fingern um und hielt ihn blinzelnd ins Licht des Feuers, dann fluchte er erneut. Ein winziger Klecks Bienenwachs, so klein, dass man ihn nur sah, wenn man danach suchte, verzierte die vorstehende Aristokratennase von George III., Rex Britanniae.
»Wie kommt denn der dahin?« Ian musterte seinen Onkel mit argwöhnisch zusammengekniffenen Augen, doch Jamie lachte nur und legte sich hin.
»Als du Jemmy gezeigt hast, wie man eine Münze wirft. Weißt du noch, er hat den Kerzenständer umgeworfen; das heiße Wachs ist überall hingespritzt.«
»Oh.« Ian saß einen Moment da und betrachtete die Münze in seiner Hand, dann kratzte er das Wachs mit dem Daumennagel ab und steckte den Shilling ein.
»Gute Nacht, Onkel Jamie«, sagte er und glitt mit einem Seufzer zwischen die Felle auf dem Boden.
»Gute Nacht, Ian.«
Bis jetzt hatte er seine Müdigkeit ignoriert und sie wie Gideon am kurzen Zügel gehalten. Jetzt ließ er die Zügel schießen und ließ sich davontragen, und sein Körper entspannte sich in seinem bequemen Bett.
MacDonald, reflektierte er zynisch, würde entzückt sein. Eigentlich hatte Jamie nur vorgehabt, die beiden Cherokeedörfer zu besuchen, die der Vertragsgrenze am nächsten waren, um dort seine neue Stellung bekanntzugeben, bescheidene Whisky- und Tabakgeschenke zu machen – den Tabak hatte er in aller Eile von Tom Christie geborgt, der bei seiner letzten Expedition nach Cross Creek nicht nur Saatgut gekauft hatte, sondern auch ein ganzes Fass dieses Krauts – und die Cherokee davon zu unterrichten, dass weitere Großzügigkeiten zu erwarten waren, wenn er im Herbst als Botschafter zu den entfernteren Dörfern reiste.
Er war in beiden Dörfern mit großer Herzlichkeit empfangen worden – doch im zweiten, Pigtown, waren mehrere Fremde zu Besuch gewesen; junge Männer auf der Suche nach Ehefrauen. Sie entstammten einer anderen Cherokeesippe namens Snowbird, deren Dorf weiter oben im Gebirge lag.
Einer der jungen Männer war der Neffe von Bird-who-sings-in-the-morning gewesen, Anführer der Snowbird-Sippe, und er hatte Jamie bedrängt, mit ihm und seinen Begleitern in ihr Heimatdorf zurückzukehren. Nachdem er eine hastige Bestandsaufnahme seines restlichen Whiskys und Tabaks durchgeführt hatte, hatte sich Jamie einverstanden erklärt, und er und Ian waren hier geradezu königlich als Vertreter Seiner Majestät empfangen worden. Die Snowbird hatten noch nie zuvor Besuch von einem Indianeragenten gehabt und schienen diese Ehre sehr zu schätzen – und es sehr eilig damit zu haben herauszufinden, welche Vorteile ihnen in der Folge daraus entstehen könnten.
Er hatte allerdings das Gefühl, dass Bird ein Mann war, mit dem er ins Geschäft kommen konnte – in mehrerlei Hinsicht.
Bei diesem Gedanken fielen ihm verspätet Roger Mac und die neuen Pächter ein. Er hatte in den letzten Tagen keine Zeit gehabt, sich großartig um sie zu sorgen – doch er bezweifelte sowieso, dass es Grund zur Besorgnis gab. Roger Mac war ein fähiger Mann, wenn er auch aufgrund seiner heiseren Stimme unsicherer war als nötig. Doch gemeinsam mit Christie und Arch Bug …
Er schloss die Augen, und die Seligkeit absoluter Erschöpfung stahl sich über ihn, während seine Gedanken zunehmend zusammenhangloser wurden.
Eventuell noch ein Tag, dann nach Hause, rechtzeitig zur Heuernte. Noch eine Ladung Malz, vielleicht zwei, bevor das Wetter kalt wurde. Schlachtsaison – ob es endlich an der Zeit war, die verdammte weiße Sau zu schlachten? Nein … das rücksichtslose Vieh war unglaublich fruchtbar. Was für ein Eber mochte wohl den Mumm haben, sich mit ihr zu paaren?, fragte er sich dumpf, und ob sie ihn hinterher fraß? Wildschwein, Räucherschinken, Blutwurst …
Er sank gerade Schicht um Schicht in den Schlaf, als er eine Hand an seinem Unterleib spürte. Aus der Schläfrigkeit gerissen wie ein Lachs aus dem Wasser, schlug er mit der Hand auf die des Eindringlings und hielt sie fest. Und erntete ein leises Kichern von seiner Besucherin.
Frauenfinger wanden sich sacht in seiner Umklammerung, und das Gegenstück der Hand schritt prompt an ihrer Stelle zur Tat. Sein erster klarer Gedanke war, dass das Mädchen hervorragend backen musste, so gut, wie sie kneten konnte.
Andere Gedanken folgten dieser Absurdität rapide auf dem Fuße, und er versuchte, die zweite Hand zu packen. Sie entwischte ihm spielerisch, pikste und zupfte.
Er suchte nach einem höflichen Einwand auf Cherokee, doch ihm fielen nur eine Handvoll Phrasen auf Englisch und Gälisch ein, von denen keine der Situation entsprach.
Die erste Hand entwand sich ihm, zielstrebig und wie ein Aal. Da er ihr nicht die Finger zerquetschen wollte, ließ er eine Sekunde los und fischte erfolgreich nach ihrem Handgelenk.
»Ian!«, zischte er in seiner Verzweiflung. »Ian, bist du da?«
Er konnte seinen Neffen nicht sehen, weil die Hütte von Dunkelheit erfüllt war, und es war nicht festzustellen, ob er schlief. Es gab keine Fenster, und die erlöschenden Kohlen glommen nur noch ganz schwach.
»Ian!«
Auf dem Boden regte sich etwas, Körper drehten sich um, und er hörte Rollo niesen.
»Was ist, Onkel Jamie?« Er hatte Gälisch gesprochen, und Ian antwortete in derselben Sprache. Der Junge klang ruhig und hörte sich nicht so an, als sei er gerade wach geworden.
»Ian, in meinem Bett ist eine Frau«, sagte er auf Gälisch, um denselben ruhigen Tonfall wie sein Neffe bemüht.
»Es sind zwei, Onkel Jamie.« Ian klang belustigt, der Schuft! »Die andere muss unten am Fußende sein. Sie wartet, bis sie an der Reihe ist.«
Das raubte ihm die Fassung, und fast wäre ihm die Hand entglitten, die er erwischt hatte.
»Zwei? Wofür halten sie mich denn?«
Das Mädchen kicherte erneut, beugte sich über ihn und biss ihn sanft in die Brust.
»Jesus!«
»Nun, nein, Onkel Jamie, für Ihn halten sie dich nicht«, sagte Ian, der seine Fröhlichkeit hörbar unterdrückte. »Sie glauben, dass du der König bist. Sozusagen. Du bist sein Vertreter, also ehren sie Seine Majestät, indem sie dir Frauen für ihn schicken, aye?«
Die zweite Frau hatte seine Füße freigelegt und strich ihm langsam mit einem Finger über die Fußsohlen. Er war kitzelig, und es hätte ihn gestört, hätte ihn die erste Frau nicht so abgelenkt, mit der er jetzt zu einem höchst unwürdigen Versteckspiel gezwungen war.
»Sprich mit ihnen, Ian«, zischte er mit zusammengebissenen Zähnen und wehrte sich mit seiner freien Hand, während er gleichzeitig die Finger der festgehaltenen Frauenhand – die genüsslich sein Ohr streichelten – von sich schob und seine Füße schüttelte, um die Zuwendungen der zweiten Dame zu unterbinden, die immer forscher wurden.
»Äh … was soll ich denn sagen?«, erkundigte sich Ian jetzt wieder auf Englisch. Seine Stimme bebte schwach.
»Sag ihnen, ich weiß die Ehre wirklich zu schätzen, aber – gk!« Weitere diplomatische Ausflüchte wurden abgeschnitten, weil plötzlich eine Zunge in seinen Mund eindrang, die kräftig nach Zwiebeln und Bier schmeckte.
Während seiner folgenden verzweifelten Mühen war er sich dumpf bewusst, dass Ian jetzt seine Selbstbeherrschung aufgegeben hatte und hilflos kichernd am Boden lag. Es war Filizid, wenn man seinen Sohn umbrachte, dachte er grimmig; wie lautete die Vokabel für den Mord an einem Neffen?
»Madame!«, sagte er, nachdem er seinen Mund unter Schwierigkeiten von ihr gelöst hatte. Er packte die Dame an den Schultern und rollte sie mit solcher Kraft von sich, dass sie einen überraschten Ausruf ausstieß und ihre nackten Beine durch die Luft flogen – Himmel, war sie nackt?
Ja. Sie waren beide nackt; seine Augen gewöhnten sich jetzt an das schwache Glühen der Holzkohle, und er nahm das Licht wahr, das auf ihren Schultern, Brüsten und Oberschenkeln schimmerte.