Er setzte sich hin und verschanzte sich hastig hinter Fellen und Decken.
»Hört auf damit, alle beide!«, sagte er streng auf Cherokee. »Ihr seid wunderschön, aber ich kann nicht mit Euch schlafen.«
»Nein?«, sagte eine der Frauen und klang verwirrt.
»Warum nicht?«, sagte die andere.
»Äh … weil ein Eid auf mir liegt«, sagte er, von der Not inspiriert. »Ich habe geschworen … geschworen …« Er suchte nach dem richtigen Wort, doch es fiel ihm nicht ein. Zum Glück fiel Ian an dieser Stelle mit einem Wortschwall auf Tsalagi ein, so schnell, dass Jamie ihm nicht folgen konnte.
»Ooh«, hauchte eines der Mädchen beeindruckt. Jamie spürte einen deutlichen Gewissensbiss.
»Was in Gottes Namen hast du ihnen gesagt, Ian?«
»Ich habe ihnen gesagt, dass dir der Große Geist im Traum erschienen ist, Onkel Jamie, und dir gesagt hat, dass du mit keiner Frau zusammen sein darfst, bis du allen Tsalagi Gewehre gebracht hast.«
»Bis ich was?«
»Nun ja, es war das Beste, was mir in der Eile eingefallen ist, Onkel Jamie«, verteidigte sich Ian.
So haarsträubend diese Idee war, er musste zugeben, dass sie wirkte; die beiden Frauen hockten zusammen und flüsterten in ehrfurchtsvollem Ton miteinander und hatten völlig von ihm abgelassen.
»Aye, nun ja«, sagte er widerstrebend. »Es könnte sicher schlimmer sein.« Selbst falls sich die Krone überreden ließ, Gewehre zur Verfügung zu stellen, gab es schließlich eine ziemliche Menge Tsalagi.
»Gern geschehen, Onkel Jamie.« Das Lachen gluckste dicht unter der Oberfläche der Stimme seines Neffen und verschaffte sich als unterdrücktes Prusten Luft.
»Was?«, sagte er gereizt.
»Die eine Dame sagt, sie sei enttäuscht, Onkel Jamie, weil du sehr gut ausgestattet bist. Aber die andere sieht es praktischer. Sie sagt, es sei möglich, dass sie Kinder von dir bekommen hätten, und die … die Babys könnten rote Haare haben.« Die Stimme seines Neffen zitterte.
»Was ist denn so schlimm an roten Haaren, zum Kuckuck?«
»Ich weiß es nicht genau, aber soweit ich es verstehe, ist es nichts, was man seinem Kind wünscht, wenn man es verhindern kann.«
»Na schön«, schnappte er. »Die Gefahr ist ja jetzt gebannt, nicht wahr? Können sie jetzt nicht nach Hause gehen?«
»Es regnet, Onkel Jamie«, stellte Ian fest. So war es; der Wind hatte die ersten Tropfen mitgebracht, und jetzt war der eigentliche Schauer heraufgezogen, der unablässig auf das Dach prasselte. Durch den Rauchabzug fielen Tropfen zischend in die heißen Kohlen. »Du willst sie doch nicht in dieser Nässe ins Freie schicken, oder? Außerdem hast du nur gesagt, dass du nicht mit ihnen schlafen kannst, nicht, dass du möchtest, dass sie gehen.«
Er brach ab, um den Damen eine Frage zu stellen, die sie eifrig bejahten. Zumindest hatte Jamie den Eindruck, dass sie ja gesagt hatten. Sie erhoben sich mit der Anmut junger Kraniche, stiegen splitternackt wieder in sein Bett, wo sie ihn unter bewunderndem Gemurmel tätschelten und streichelten – wenn sie auch seine Geschlechtsteile gewissenhaft vermieden –, dann drückten sie ihn tief in die Felle und kuschelten sich rechts und links an ihn, ihre warme, nackte Haut gemütlich an ihn gepresst.
Er öffnete den Mund, dann schloss er ihn wieder, weil ihm in keiner der ihm bekannten Sprachen irgendetwas einfiel, was er hätte sagen können.
Er lag stocksteif auf dem Rücken und atmete flach. Sein Schwanz pulsierte entrüstet vor sich hin – er hatte eindeutig vor, die ganze Nacht aufzubleiben und ihn zu quälen, um sich für diese Schmach zu rächen. Aus dem Fellstapel auf dem Boden drang leises Kichern, unterbrochen von Kieksen und Prusten. Möglicherweise war es das erste Mal, dass er Ian seit seiner Rückkehr richtig lachen hörte.
Er betete um Standhaftigkeit, holte lang und tief Atem und schloss die Augen, die Hände fest auf der Brust gefaltet, die Ellbogen an seine Seiten gepresst.
Kapitel 15
Bis zum Hals im Wasser
Roger trat auf die Terrasse von River Run. Er fühlte sich angenehm erschöpft. Nach drei Wochen harter Arbeit hatte er die neuen Pächter aus allen Winkeln Cross Creeks und Campbeltons zusammengeholt, sich sämtlichen Haushaltsvorständen vorgestellt, es geschafft, sie zumindest mit dem Nötigsten an Nahrungsmitteln, Decken und Schuhen für die Reise auszustatten – und sie alle an einem Ort versammelt, indem er ihre Marotte, in Panik die Flucht zu ergreifen, strikt unterband. Am Morgen würden sie nach Fraser’s Ridge aufbrechen – keine Sekunde zu früh.
Er ließ den Blick zufrieden von der Terrasse in Richtung der Wiese schweifen, die hinter Jocasta Cameron Innes’ Stallungen lag. Dort hatten sie vorübergehend ihr Lager aufgeschlagen: zweiundzwanzig Familien mit sechsundsiebzig Seelen, vier Maultiere, zwei Ponys, vierzehn Hunde, drei Schweine und weiß Gott wie viele Hühner, Katzen und Ziervögel, die für die Reise in Weidenkäfigen untergebracht waren. Er trug all ihre Namen – außer denen der Tiere – auf einer eselsohrigen, zerknitterten Liste in seiner Tasche bei sich. Dort befanden sich noch diverse andere Listen, die bis zur Unlesbarkeit überschrieben, durchgestrichen und verbessert worden waren. Ihm war wie einem wandelnden Deuteronomium zumute. Außerdem dürstete es ihn nach einem sehr großen Whisky.
Dieser erwartete ihn zum Glück bereits; Duncan Innes, Jocastas Ehemann, war ebenfalls von seinem Tagewerk zurückgekehrt. Er saß auf der Terrasse und leistete einem geschliffenen Dekanter Gesellschaft, den die Strahlen der sinkenden Sonne in sanftem Bernstein aufglühen ließen.
»Wie stehen die Dinge, a charaid?« Duncan begrüßte ihn herzlich und wies auf einen der Korbsessel. »Möchtet Ihr vielleicht einen Schluck?«
»Gern, und danke.«
Er ließ sich erleichtert in den Sessel sinken, der unter seinem Gewicht gemütlich ächzte. Er nahm das Glas entgegen, das Duncan ihm reichte, und stürzte den ersten Schluck mit einem kurzen »Slainte« hinunter.
Der Whisky brannte sich durch seine zugeschnürte Kehle, so dass er husten musste, schien dann aber plötzlich alles zu öffnen, so dass sein konstantes, schwaches Gefühl der Atemnot nachließ. Er nippte zufrieden weiter.
»Sind sie bereit zum Aufbruch?« Duncan wies in Richtung der Wiese, wo der Rauch der Lagerfeuer als goldener Nebel dicht über dem Boden hing.
»So bereit, wie es nur geht. Arme Teufel«, fügte Roger mitfühlend hinzu.
Duncan zog eine seiner schütteren Augenbrauen hoch.
»Sie sind völlig aus ihrem Element gerissen«, erklärte Roger und hielt Duncan sein Glas hin, als ihm dieser anbot, es erneut zu füllen. »Die Frauen haben Todesangst, und die Männer genauso, aber sie verheimlichen es besser. Man könnte meinen, ich würde sie alle als Sklaven auf eine Zuckerplantage verschleppen.«
Duncan nickte.
»Oder sie nach Rom verkaufen als Schuhputzer für den Papst«, sagte er ironisch. »Ich glaube nicht, dass einer von ihnen vor ihrer Überfahrt je einen Katholiken auch nur gerochen hat. Und so, wie sie die Nasen rümpfen, gefällt ihnen der Geruch jetzt auch nicht besonders. Ob sie wenigstens dann und wann einen Schluck trinken?«
»Nur aus medizinischen Gründen und auch dann nur bei akuter Lebensgefahr, glaube ich.« Roger trank genüsslich einen Schluck seines Nektars und schloss die Augen, während ihm der Whisky die Kehle wärmte und sich in seiner Brust einrollte wie eine schnurrende Katze. »Ihr habt Hiram doch kennengelernt. Oder? Hiram Crombie, ihren Anführer?«
»Den alten Sauertopf, der einen Stock verschluckt hat? Aye, das habe ich.« Duncan grinste, und die Enden seines langen Schnurrbarts zuckten. »Er kommt gleich zum Abendessen. Trinkt am besten noch einen.«
»Gern, danke«, sagte Roger und streckte die Hand mit seinem Glas aus. »Obwohl keiner von ihnen viel für hedonistische Vergnügungen übrighat, soweit ich das beurteilen kann. Man hat das Gefühl, dass sie nach wie vor durch und durch Covenanter sind. Die ewigen Auserwählten, aye?«