»Egal«, sagte er und öffnete die Augen. »Ich gehe. Zurück. Ist mir wurscht, wie es da aussieht; es ist auf jeden Fall besser als hier.«
»Und was ist mit den Indianern?«, erkundigte ich mich sarkastisch. »Die überlässt du sich selbst, wie?«
»Ja«, sagte er, ohne den Sarkasmus zu bemerken. »Um ehrlich zu sein, habe ich keine große Lust mehr auf Indianer.« Er rieb sich geistesabwesend die Brust, und durch einen Riss in seinem Hemd sah ich eine große, wulstige Narbe.
»Mann«, sagte er sehnsuchtsvoll, »was würde ich für ein kaltes Bud und ein Baseballspiel im Fernsehen geben.« Dann richtete sich seine abschweifende Aufmerksamkeit abrupt wieder auf mich. »Also«, sagte er in halbwegs vernünftigem Ton, »ich brauche diese Diamanten. Oder was auch immer. Her damit, und wir gehen.«
Ich hatte schon diverse Pläne gewälzt, wie man sie loswerden könnte, aber ohne Erfolg, und mir wurde mit jeder Sekunde mulmiger zumute. Wir hatten nicht viel, was sich zu stehlen lohnte, und dem Anblick der geplünderten Anrichte nach, hatten sie das schon an sich gebracht – einschließlich, so begriff ich mit erneutem Erschrecken, der Pistolen und des Pulvers. Nicht mehr lange, und sie würden ungeduldig werden.
Es war natürlich möglich, dass jemand kam – Amy und die Jungen waren wahrscheinlich in Briannas Hütte, in die sie gerade umzogen; sie konnten jeden Moment zurückkehren. Möglich, dass jemand Jamie oder mich suchte – obwohl diese Chance abrupt schwand, weil das Licht nachließ. Und selbst wenn, würde es wahrscheinlich katastrophale Folgen haben.
Dann hörte ich Stimmen und laute Schritte auf der Eingangsveranda und sprang auf, das Herz in der Kehle.
»Jetzt hören Sie doch auf damit«, sagte Donner gereizt. »Sie sind das größte Nervenbündel, das mir je begegnet ist.«
Ich ignorierte ihn, weil ich eine der Stimmen erkannt hatte. Und wirklich, in der nächsten Sekunde schubsten zwei der Halunken mit gezogener Pistole Jamie in die Küche.
Er war voll Argwohn und total zerzaust, doch sein Blick wanderte sofort zu mir, um mich von oben bis unten zu betrachten und sich zu vergewissern, dass ich unverletzt war.
»Mir fehlt nichts«, sagte ich kurz. »Diese Idioten glauben, dass wir Edelsteine haben, und sie wollen sie haben.«
»Das haben sie schon gesagt.« Er richtete sich auf und zuckte mit den Achseln, um sich seinen Rock zurechtzurücken, dann blickte er auf die offenen Schränke und die geplünderte Anrichte. Selbst der Kuchenbehälter stand auf dem Kopf, und die Überreste eines Rosinenkuchens lagen mit einem großen Fußabdruck versehen auf dem Boden. »Und gesucht haben sie offensichtlich auch schon.«
»Hört zu, Kumpel«, begann einer der Banditen ganz vernünftig, »wir wollen nur die Beute. Sagt uns einfach, wo sie ist, und schon sind wir fort, und nichts ist passiert, wie?«
Jamie rieb sich die Nase und betrachtete den Sprecher.
»Ich nehme an, meine Frau hat Euch gesagt, dass wir keine Edelsteine haben?«
»Nun, das war doch zu erwarten, oder nicht?«, sagte der Bandit geduldig. »Frauen, Ihr wisst schon.« Er schien das Gefühl zu haben, dass man jetzt, da Jamie aufgetaucht war, endlich zur Sache kommen konnte, von Mann zu Mann.
Jamie seufzte und setzte sich.
»Wie kommt Ihr denn darauf, dass ich welche habe?«, erkundigte er sich nachsichtig. »Ich gebe zu, dass ich welche hatte – aber sie sind nicht mehr da. Ich habe sie verkauft.«
»Und wo ist dann das Geld?« Der zweite Bandit war offenbar gern bereit, sich auch damit zufriedenzugeben, ganz gleich, was Donner wollte.
»Ausgegeben«, sagte Jamie knapp. »Ich bin Oberst der Miliz – das wisst Ihr doch sicher? Eine Milizkompanie auszustatten, ist eine teure Sache. Nahrungsmittel, Schusswaffen, Pulver, Schuhe – das summiert sich, aye? Allein die Kosten für das Schuhleder – ganz zu schweigen vom Beschlag der Pferde! Und Wagen; Ihr würdet nicht glauben, wie viel so ein Wagen kostet …«
Einer der Banditen hatte die Stirn gerunzelt, nickte aber schwach, während er dieser nachvollziehbaren Erörterung folgte. Doch Donner und sein anderer Begleiter waren sichtlich aufgebracht.
»Kein Wort mehr von den verdammten Wagen«, raunzte Donner. Er bückte sich und hob eins von Mrs. Bugs Küchenmessern vom Boden auf. »Also«, sagte er finster und bemühte sich um eine drohende Miene. »Ich habe genug von der Verzögerungstaktik. Ihr sagt mir jetzt, wo sie sind, oder – oder ich – ich steche zu! Ja, ich schneide ihr die Kehle durch. Ich schwöre, ich tue es.« Damit packte er mich an der Schulter und hielt mir das Messer an die Kehle.
Mir war schon seit einiger Zeit klar, dass Jamie tatsächlich darauf aus war, Zeit zu schinden, was bedeutete, dass er auf irgendetwas wartete. Was wiederum bedeutete, dass er auf jemanden wartete. Das war beruhigend, doch ich fand, dass sein scheinbar ungerührtes Verhalten angesichts meines theoretisch drohenden Ablebens eventuell doch ein wenig zu weit ging.
»Oh«, sagte er und kratzte sich am Hals. »Nun, das würde ich an Eurer Stelle nicht tun. Sie ist die Einzige, die weiß, wo die Edelsteine sind, aye?«
»Ich bin was?«, rief ich entrüstet.
»Ach ja?« Die Miene des anderen Banditen hellte sich bei diesen Worten auf.
»Oh, aye«, versicherte ihm Jamie. »Als ich das letzte Mal mit der Miliz unterwegs war, hat sie sie versteckt. Wollte mir nicht sagen, wo.«
»Halt – ich dachte, Ihr habt gesagt, Ihr habt sie verkauft und das Geld ausgegeben«, sagte Donner sichtlich verwirrt.
»Ich habe gelogen«, erklärte ihm Jamie geduldig.
»Oh.«
»Aber wenn Ihr meine Frau umbringen wollt, ändert das natürlich alles.«
»Oh«, sagte Donner, der jetzt schon erfreuter aussah. »Ja. Genau.«
»Ich glaube, wir sind uns noch nicht vorgestellt worden, Sir«, sagte Jamie höflich und hielt ihm die Hand entgegen. »Ich bin James Fraser. Und Ihr seid –?«
Donner zögerte eine Sekunde, unsicher, was er mit dem Messer in seiner rechten Hand tun sollte, doch dann nahm er es umständlich in die Linke und beugte sich vor, um Jamie kurz die Hand zu schütteln.
»Wendigo Donner«, sagte er. »Okay, jetzt kommen wir der Sache ja schon näher.«
Ich stieß ein rüdes Geräusch aus, doch es ging im krachenden Lärm und dem Klang zerbrechenden Glases aus dem Sprechzimmer unter. Der Rüpel dort musste dabei sein, ganze Regale zu leeren, indem er die Flaschen und Gläser auf den Boden fegte. Ich packte Donners Hand und schob das Messer von meiner Kehle fort, dann sprang ich auf. Ich befand mich inzwischen etwa im selben Zustand hirnloser Wut, in dem ich damals das Feld mit den Heuschrecken angezündet hatte.
Diesmal war es Jamie, der mich an der Taille packte, als ich zur Tür schoss, und mich aufhob.
»Lass mich los! Ich bring ihn um!«, kreischte ich und trat nach ihm.
»Nun, warte bitte noch etwas, Sassenach«, sagte er leise und zog mich zum Tisch zurück, wo er sich hinsetzte, die Arme fest um mich geschlungen, so dass ich auf seinem Schoß landete. Weitere Zerstörungsgeräusche tönten durch den Flur – splitterndes Holz und knirschendes Glas unter einem Stiefelabsatz. Offenbar hatte es der Bengel aufgegeben, nach irgendetwas zu suchen, und zerstörte alles einfach nur aus Spaß.
Ich holte tief Luft, eigentlich, weil ich einen Aufschrei der Frustration ausstoßen wollte, doch dann hielt ich inne.
»Himmel«, sagte Donner und rümpfte die Nase. »Was ist das für ein Gestank? Hat hier jemand einen gelassen?« Er sah mich anklagend an, doch ich beachtete ihn nicht. Es war Äther, schwer und widerlich süß.
Jamie erstarrte kaum merklich. Er wusste ebenfalls, was es war, und auch mehr oder weniger, wie es wirkte.
Dann holte er tief Luft, hob mich vorsichtig von seinem Schoß und setzte mich neben sich auf die Bank. Ich sah, wie sein Blick zu dem Messer wanderte, das in Donners Hand hing, und hörte, was seine besseren Ohren schon aufgefangen hatten. Es kam jemand.
Er rückte ein wenig nach vorn, um sogleich aufspringen zu können, und seine Augen huschten zum Kamin, wo ein schwerer Gusstopf in der Asche stand. Ich nickte kurz, und als sich die Hintertür öffnete, sprang ich mit einem Satz durch die Küche.