Ich wandte mich ab, weil ich Stimmen hinter dem Haus hörte. Jamie und Arch waren in den Holzschuppen gegangen, doch die Tür stand offen; ich konnte sehen, wie sie sich innen dicht gegenüberstanden. Jamie sah mich draußen stehen und winkte mich mit einem Kopfnicken zu sich.
»Guten Morgen, Arch«, sagte ich und sah unseren ehemaligen Faktor an. »Wie geht es Euch?«
»Es ging mir schon einmal besser, a nighean, vielen Dank«, sagte er und hustete. Seine Stimme war kaum mehr als ein rauhes Flüstern, so hatte sie der Rauch beeinträchtigt, und er hatte große, mit Flüssigkeit gefüllte Blasen an den Händen und im Gesicht. Abgesehen davon, dass er seine Haare und seine Augenbrauen verloren hatte, hatte ich ansonsten den Eindruck, dass ihm nichts fehlte.
»Arch war gerade im Begriff, mir das hier zu erklären, Sassenach.« Jamie wies mit dem Zeh auf den glänzenden Goldbarren, der zu seinen Füßen in den Sägespänen lag. »Nicht wahr, Arch?«
Nach außen hin war seine Stimme freundlich, doch ich hörte den Stahl darin genauso deutlich, wie Arch es tat. Doch Arch war kein Feigling, egal, wie er aussah.
»Ich bin Euch nicht die geringste Erklärung schuldig, Seaumais mac Brian«, sagte er genauso freundlich.
»Ich räume Euch die Chance ein, es zu erklären, Mann, nicht die Wahl.« Er hatte den freundlichen Ton abgelegt. Jamie war überall mit Ruß beschmiert und leicht angesengt, doch seine Augenbrauen waren unversehrt und arbeiteten auf Hochtouren. Er wandte sich mir zu und wies auf das Gold.
»Das hast du doch schon einmal gesehen, aye?«
»Natürlich.« Als ich es das letzte Mal gesehen hatte, hatte es im Schein einer Laterne Seite an Seite mit seinen Genossen auf dem Boden eines Sarges in Hector Camerons Mausoleum gelegen, doch die Form der Barren und die Lilienprägung waren unverwechselbar. »Falls Louis von Frankreich nicht noch jemandem größere Goldmengen geschickt hat, gehört es zu Jocastas Schatz.«
»Das tut es nicht und hat es auch nie getan«, verbesserte mich Arch entschlossen.
»Aye?« Jamie sah ihn an und zog eine Augenbraue hoch. »Wem gehört es denn, wenn nicht Jocasta Cameron? Beansprucht Ihr es etwa für Euch?«
»Nein.« Er zögerte, doch der Drang zu sprechen war zu stark. »Es ist das Eigentum des Königs«, sagte er, und sein alter Mund schloss sich fest über dem letzten Wort.
»Was, des Königs von – oh«, sagte ich und begriff es endlich. »Dieser König.«
»Le roi est mort«, sagte Jamie leise, wie zu sich selbst, doch Arch fuhr heftig zu ihm herum.
»Ist Schottland etwa tot?«
Jamie holte Luft, sprach aber nicht sofort. Stattdessen wies er mich mit einer Handbewegung an, mich auf einen Brennholzstapel zu setzen, und lud Arch kopfnickend ein, sich auf einen anderen zu setzen, bevor er sich neben mir niederließ.
»Schottland wird sterben, wenn sein letzter Sohn stirbt, a charaid«, sagte er und wies mit der Hand zur Tür, auf die Berge und Täler ringsum – und die vielen Menschen, die sie bevölkerten. »Wie viele sind hier? Wie viele werden noch kommen? Schottland lebt – aber nicht in Italien.« In Rom, meinte er, wo Charles Stuart den Rest seines sogenannten Lebens damit verbrachte, seine enttäuschten Träume in Alkohol zu ertränken.
Arch kniff die Augen zusammen, schwieg aber hartnäckig.
»Ihr wart der dritte Mann, nicht wahr?«, fragte Jamie, ohne Notiz davon zu nehmen. »Als das Gold aus Frankreich an Land gebracht wurde. Dougal MacKenzie hat ein Drittel an sich genommen und Hector Cameron ein weiteres. Ich weiß nicht, was Dougal mit seinem Drittel angefangen hat – wahrscheinlich hat er es Charles Stuart gegeben, möge Gott seiner Seele dafür gnädig sein. Ihr wart Gefolgsmann Malcolm Grants; er hat Euch geschickt, nicht wahr? Ihr habt in seinem Namen ein Drittel des Goldes an Euch genommen. Habt Ihr es ihm übergeben?«
Arch nickte langsam.
»Es wurde uns anvertraut«, sagte er, und seine Stimme überschlug sich. Er räusperte sich und spuckte aus. Der Schleim war schwarz gefärbt. »Mir und dann Grant – der es dem Sohn des Königs hätte geben sollen.«
»Hat er es getan?«, fragte Jamie neugierig. »Oder war er wie Hector Cameron der Meinung, dass es schon zu spät war?«
Es war zu spät gewesen; zu diesem Zeitpunkt war die Sache schon verloren gewesen – kein Gold der Welt hätte daran etwas geändert. Arch presste die Lippen so fest zusammen, dass sie fast nicht mehr zu sehen waren.
»Er hat getan, was er getan hat«, sagte er knapp. »Was er für richtig gehalten hat. Das Geld wurde zum Wohle des Clans ausgegeben. Doch Hector Cameron war ein Verräter und seine Frau auch.«
»Ihr wart es, der Jocasta in ihrem Zelt angesprochen hat«, sagte ich plötzlich und begriff. »Beim Gathering, wo Ihr Jamie kennengelernt habt. Ihr wart ihretwegen dort, nicht wahr?«
Arch schien überrascht zu sein, dass ich ihn ansprach, doch er neigte zur Bestätigung minimal den Kopf. Ich fragte mich, ob er die Anstellung bei Jamie angenommen – oder gar gesucht? – hatte, weil dieser mit Jocasta verwandt war.
»Und das hier–«, ich stieß mit dem Zeh gegen den angekratzten Goldbarren, »– habt Ihr in Jocastas Haus gefunden, als Ihr mit Roger dort wart, um die Fischersleute abzuholen.« Der Beweis – falls er einen solchen gebraucht hatte –, dass Jocasta ihren Anteil am Gold der Franzosen noch besaß.
»Was ich mich aber frage«, sagte Jamie und rieb sich den langen, geraden Nasenrücken, »ist, wie zum Teufel Ihr den Rest gefunden und ihn dann fortgeschafft habt.«
Archs Lippen spitzten sich einen Moment, dann lösten sie sich widerstrebend voneinander.
»Das war kein großes Kunststück. Ich habe das Salz vor Hectors Grab gesehen – und wie sich die schwarzen Sklaven davon ferngehalten haben. Kein Wunder, wenn er keine Ruhe fand – aber wo sollte das Gold besser aufgehoben sein als bei ihm?« Ein blasses Winterlicht leuchtete in seinen Augen. »Ich kannte Hector Cameron schließlich ein wenig. Er war kein Mann, der irgendetwas aufgegeben hätte, nur weil er tot war.«
Arch unternahm häufige Handelsreisen nach Cross Creek. Normalerweise übernachtete er nicht auf River Run, doch er war schon oft genug dort gewesen, um sich gut auszukennen. Wenn jemand in der Nacht eine Gestalt in der Nähe des Mausoleums sah – nun, jeder wusste doch, dass Hector Camerons Geist umging und nur durch das ausgestreute Salz an einem Ort festgehalten wurde; niemand würde je dicht genug herangehen, um es genauer zu untersuchen.
Und so hatte er nach einer Weile bei jedem Ausflug einen Barren mitgenommen – oder fast bei jedem – und schließlich den ganzen Schatz entfernt, bevor Duncan Innes den Verlust bemerkte.
»Ich hätte den ersten Barren nicht hierbehalten dürfen, das weiß ich jetzt«, sagte er und wies mit einem reumütigen Kopfnicken auf das Stück Gold. »Doch anfangs dachte ich, wir würden ihn vielleicht brauchen – Murdina und ich. Und dann, als sie gezwungen war, diesen Brown umzubringen –«
Jamies Kopf fuhr auf, und wir starrten ihn beide an. Er hustete.
»Der hinterhältige Kerl wurde kräftig genug, um in der Hütte herumzuschnüffeln, wenn sie nicht da war; er hat das da –«, er wies erneut kopfnickend auf den Goldbarren, »– in ihrem Handarbeitskorb gefunden, wo sie es versteckt hatte. Er konnte natürlich nicht wissen, was es war – aber er wusste sehr wohl, dass so zerlumpte Leute wie wir so etwas nicht haben dürften.« Sein schmaler Mund verengte sich zu einem Strich, und mir fiel wieder ein, dass er einmal das Oberhaupt des Clan Grant vertreten hatte – ein »Mann von Wert« gewesen war. Damals.
»Er hat sie darauf angesprochen, und sie hat ihm natürlich nichts erzählt. Aber als er dann bis vor Euer Haus gekrochen ist, hat sie Angst bekommen, dass er erzählen würde, was er gesehen hatte. Und so hat sie ihm den Garaus gemacht.«