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»Gerade noch rechtzeitig«, sagte sie etwas zittrig, als er lächelnd den Weg entlangkam, einen großen Karton unter dem Arm. Mit seinen kurzen Haaren fand sie ihn immer noch ungewohnt. »Noch zehn Minuten länger, und ich hätte mit Sicherheit jemanden umgebracht. Als Erstes wahrscheinlich Fiona.«

»Oh, aye?« Er beugte sich vor und küsste sie mit großer Leidenschaft, was darauf hindeutete, dass er ihr wahrscheinlich nicht zugehört hatte. »Ich habe hier etwas.«

»Das sehe ich. Was –?«

»Woher soll ich das wissen.«

Die Kiste, die er jetzt auf den antiken Esstisch stellte, war ebenfalls aus Holz; eine schöne Ahorntruhe, von den Jahren, durch Ruß und durch Anfassen abgenutzt, doch ihre Machart war für das geübte Auge gut zu erkennen. Sie war kunstvoll hergestellt, die Anschlüsse ordentlich vernutet, mit einem Deckel, der zur Seite glitt – der allerdings irgendwann mit einem dicken Tropfen einer Masse versiegelt worden war, die aussah wie geschmolzenes Bienenwachs, das vom Alter schwarz geworden war.

Das Auffälligste daran war jedoch der Deckel. Es war ein Name in das Holz gebrannt: Jeremiah Alexander Ian Fraser MacKenzie.

Sie spürte, wie sich bei diesem Anblick ihr Bauch verkrampfte, und sah zu Roger auf, der irgendein Gefühl angespannt unterdrückte; sie konnte spüren, wie es in ihm vibrierte.

Roger schüttelte den Kopf und zog einen schmutzigen Briefumschlag aus seiner Tasche.

»Das war dabei, mit Klebeband an der Seite befestigt. Es ist die Handschrift des Reverends, eine dieser kleinen Notizen, die er manchmal geschrieben hat, um vorsichtshalber klarzustellen, welche Bedeutung ein Gegenstand hat. Aber ich kann nicht behaupten, dass es irgendetwas erklärt.«

Die Notiz war kurz und besagte lediglich, dass die Truhe aus einem ehemaligen Bankhaus in Edinburgh stammte. Zusammen mit der Truhe war die Instruktion gelagert gewesen, dass sie nur von der Person geöffnet werden durfte, mit deren Namen sie beschriftet war. Das Original dieser Instruktion war nicht erhalten, doch die Person, von der er die Truhe hatte, hatte sie ihm mündlich mitgeteilt.

»Und wer war das?«

»Keine Ahnung. Hast du ein Messer dabei?«

»Habe ich ein Messer dabei«, brummte sie und grub in ihrer Jeanstasche herum. »Habe ich jemals kein Messer dabei?«

»Das war eine rhetorische Frage«, erklärte er. Er küsste ihre Hand und nahm das leuchtend rote Schweizer Armeemesser, das sie ihm hinhielt.

Das Bienenwachs zersplitterte und löste sich problemlos; der Deckel der Truhe dagegen war nach so vielen Jahren nicht zum Nachgeben bereit. Sie mussten beide mithelfen – der eine hielt die Truhe fest, der andere zog und zerrte an ihrem Deckel –, doch schließlich bewegte er sich mit einem leisen Quietschen.

Der Hauch eines Dufts schwebte hinaus; irgendetwas Undefinierbares, das jedoch von einer Pflanze stammte.

»Mama«, sagte sie unwillkürlich. Roger sah sie erschrocken an, doch sie drängte ihn mit einer Geste, fortzufahren. Er griff vorsichtig in die Truhe und holte ihren Inhalt heraus: einen Stapel Briefe, die zusammengefaltet und mit Wachs versiegelt waren, zwei Bücher – und eine kleine Schlange aus Kirschholz, die vom langen Gebrauch glänzend poliert war.

Sie stieß ein leises, unartikuliertes Geräusch aus und packte den ersten Brief, den sie so fest an ihre Brust drückte, dass das Papier knisterte und das Wachssiegel zersprang und abfiel. Das dicke, weiche Papier, dessen Fasern schwach mit etwas gefleckt waren, das einmal Blumen gewesen waren.

Tränen liefen ihr über das Gesicht, und Roger sagte etwas, aber sie achtete nicht auf seine Worte. Die Kinder veranstalteten oben einen Aufruhr, die Handwerker diskutierten draußen immer noch – doch das Einzige auf der ganzen Welt, wofür sie sich interessierte, waren die verblichenen Worte auf dem Blatt, mühsam geschrieben mit krakeliger Hand.

31. Dezember 1776

Meine liebe Tochter,

wie Du sehen wirst, wenn Dich dies je erreicht – wir leben noch …

Epilog II: Der Teufel im Detail

»Was ist denn das?« Amos Crupp blinzelte die Seite an, die fertig gesetzt auf dem Bett der Druckerpresse lag, und las sie mit der Übung langjähriger Erfahrung spiegelverkehrt.

»Mit Trauer nehmen wir die Nachricht vom Tod … Woher kommt das denn?«

»Ein Abonnent hat es eingereicht«, sagte Sampson, sein neuer Geselle, achselzuckend und trug Druckerschwärze auf die Platte auf. »Ich dachte, es macht sich ganz gut als Füllsel; General Washingtons Ansprache an die Truppen läuft nicht bis ganz unten.«

»Hm. Kann sein. Es ist aber doch schon Schnee von gestern«, sagte Crupp mit einem Blick auf das Datum. »Januar?«

»Nun ja, nein«, gab der Geselle zu und drückte auf den Hebel, der die Seite auf die geschwärzte Platte senkte. Die Presse sprang wieder hoch, die Buchstaben erschienen schwarz und feucht auf dem Papier, und er hob den Bogen mit flinken Fingern heraus, um ihn zum Trocknen aufzuhängen. »Auf der Notiz war es Dezember. Aber ich hatte die Seite in Zwölf-Punkt-Baskerville gesetzt, und in dieser Type fehlen die Abkürzungen für November und Dezember. Nicht genug Platz, um es auszubuchstabieren, und zu mühsam, die ganze Seite neu zu setzen.«

»Das stimmt«, sagte Amos, der das Interesse an der Angelegenheit verlor, während er jetzt die letzten Absätze von Washingtons Rede studierte. »Ist auch nicht so wichtig. Tot sind sie doch sowieso alle, oder nicht?«

Danksagung

Meinen ENORMEN Dank an …

Meine beiden wunderbaren Lektoren Jackie Cantor und Bill Massey für ihren Tiefblick, ihre Unterstützung, ihre hilfreichen Anmerkungen (»Was ist mit Marsali?«), ihre lebhaften Reaktionen (»Iiiiih!«) und dafür, dass sie mich (positiv, wie ich schnell hinzufügen möchte) mit Charles Dickens verglichen haben.

Meine hervorragenden und bewundernswerten literarischen Agenten Russell Galen und Danny Baror, die sich so sehr dafür einsetzen, die Welt auf diese Bücher aufmerksam zu machen – und meinen Kindern das College zu finanzieren.

Bill McCrea, den Kurator des North Carolina Museum of History, und sein Personal für die Karten, die Kurzbiographien, die allgemeinen Informationen und das köstliche Frühstück im Museum. Die Käsepfanne war toll!

Das Personal des Besucherzentrums am Schlachtfeld von Moore’s Creek für das offene Ohr und kiloweise interessante, neue Bücher – vor allem so packende Werke wie die Musterrolle der Patrioten in der Schlacht an der Brücke am Moore’s Creek und die Musterrolle der Loyalisten in der Schlacht an der Brücke am Moore’s Creek – und für die Erklärung, was ein Eissturm ist, weil sie gerade einen hatten. Bei mir in Arizona gibt es keine Eisstürme.

Linda Grimes, weil sie mit mir gewettet hat, dass ich es nicht schaffe, eine interessante Szene über das Popeln in der Nase zu schreiben. An diesem Kapitel ist ganz allein sie schuld.

Die Ehrfurcht erregende und übermenschliche Barbara Schnell, die das Buch ins Deutsche übersetzt hat, während ich es geschrieben habe, und sich quasi ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit mir geliefert hat, um es rechtzeitig zum deutschen Erscheinungstermin fertigzubekommen.

Silvia Kuttny-Walser und Petra Zimmermann, die Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt haben, um die Weltpremiere in Deutschland zu ermöglichen.

Dr. Amarillis Iscold für einen wahren Schatz an Details und Ratschlägen zu den medizinischen Szenen – und dafür, dass sie dann und wann vor Lachen am Boden gelegen hat. Jegliche Freiheiten oder Fehler gehen allein auf mein Konto.

Dr. Doug Hamilton für seine Expertenauskunft zum Thema Zahnheilkunde und darüber, was sich mit einer Zange, einer Flasche Whisky und einer Pferde-Gebissfeile ausrichten lässt und was nicht.