Auf der Lichtung war es still, abgesehen von den entfernten Rufen der Vögel auf dem Berg. Ich konnte mein eigenes Herz schmerzhaft in meiner Brust schlagen hören. Rache? Oder simple Verzweiflung?
»Aye, vielleicht«, sagte Jamie leise. Er bückte sich, um die Kante des Leinentuchs zu ergreifen, auf das sie den Toten gelegt hatten. »Nennen wir es einen Unfall.«
Der Holländer wurde zusammen mit seiner Familie in ein Grab gelegt, die beiden Fremden in ein anderes.
Ein kalter Wind hatte sich erhoben, als die Sonne unterging; die Schürze flatterte aus dem Gesicht der Frau, als sie sie aufhoben. Sinclair stieß einen erstickten Schreckensschrei aus und hätte sie beinahe fallen gelassen.
Sie hatte kein Gesicht und keine Haare mehr; ihre schlanke Taille ging abrupt in verkohlte Zerstörung über. Die Haut ihres Kopfes war vollständig verbrannt und hatte einen seltsam winzigen, geschwärzten Schädel zurückgelassen, aus dem uns ihre Zähne mit bestürzender Leichtfertigkeit entgegengrinsten.
Sie senkten sie hastig in das flache Grab, legten ihre Kinder neben sie und überließen es Brianna und mir, nach alter schottischer Sitte einen kleinen Grabhügel über ihnen zu errichten, um ihren Ruheplatz zu markieren und vor wilden Tieren zu schützen. Währenddessen wurde ein simpleres Grab für die beiden barfüßigen Männer gegraben.
Als die Arbeit schließlich getan war, sammelten sich alle schweigend und mit weißen Gesichtern um die frischen Erhebungen. Ich sah Roger dicht neben Brianna stehen, den Arm schützend um ihre Taille gelegt. Ein leiser Schauer durchlief sie, und ich glaubte nicht, dass er von der Kälte herrührte. Ihr Kind, Jemmy, war etwa ein Jahr jünger als das kleinste der Mädchen.
»Wirst du etwas sagen, Mac Dubh?« Kenny Lindsay sah Jamie fragend an und zog sich seine Strickmütze zum Schutz vor der wachsenden Kälte tief ins Gesicht.
Es war beinahe dunkel, und keiner von uns wollte sich hier noch länger aufhalten. Wir würden im Freien übernachten müssen, irgendwo weit weg vom Brandgestank, und es würde schwierig werden, im Dunklen ein Lager aufzuschlagen. Doch Kenny hatte recht; wir konnten nicht aufbrechen, ohne zumindest den Ansatz einer Zeremonie vollzogen zu haben, einen Abschied für die Fremden.
Jamie schüttelte den Kopf.
»Nein, lasst Roger Mac sprechen. Wenn diese Leute Holländer waren, waren sie wahrscheinlich Protestanten.«
Trotz des gedämpften Lichtes sah ich, wie Brianna ihrem Vater einen scharfen Blick zuwarf. Es stimmte, dass Roger Presbyterianer war, genau wie Tom Christie, ein viel älterer Mann, dessen säuerliche Miene widerspiegelte, was er von alldem hielt. Doch die Frage der Religion war nicht mehr als ein Vorwand, und das wussten alle, Roger eingeschlossen.
Roger räusperte sich, ein Geräusch wie reißender Kalikostoff. Seine Stimme klang immer schmerzerfüllt, aber jetzt lag zusätzlich Wut darin. Er erhob jedoch keinen Einwand und sah Jamie direkt in die Augen, als er seine Position am Kopf des Grabes einnahm.
Ich hatte gedacht, er würde einfach nur das Vaterunser sprechen oder eventuell einen der tröstenderen Psalmen. Aber ihm kamen andere Worte in den Sinn.
»Siehe, ob ich schon schreie über Frevel, so werde ich doch nicht erhört; ich rufe, und ist kein Recht da. Er hat meinen Weg verzäunt, dass ich nicht kann hinübergehen, und hat Finsternis auf meinen Steig gestellt.«
Seine Stimme war einmal kraftvoll und klangvoll gewesen. Jetzt war sie erstickt, nicht mehr als ein raspelnder Schatten ihrer früheren Schönheit – aber es lag so viel Kraft in der Leidenschaft, mit der er sprach, dass alle, die ihn hörten, die Köpfe senkten und ihre Gesichter im Schatten verbargen.
»Er hat meine Ehre mir ausgezogen und die Krone von meinem Haupt genommen. Er hat mich zerbrochen um und um und lässt mich gehen und hat ausgerissen meine Hoffnung wie einen Baum.« Sein Gesicht war gefasst, sein Blick ruhte jedoch eine trostlose Sekunde lang auf dem verkohlten Stumpf, der der holländischen Familie als Hackklotz gedient hatte.
»Er hat meine Brüder fern von mir getan, und meine Verwandten sind mir fremd geworden. Meine Nächsten haben sich entzogen, und meine Freunde haben mein vergessen.« Ich sah, wie die drei Lindsay-Brüder Blicke wechselten, und alle rückten zum Schutz gegen den stärker werdenden Wind ein Stück dichter zusammen.
»Erbarmet euch mein, erbarmet euch mein, ihr meine Freunde!«, sagte er, und seine Stimme wurde sanfter, so dass es schwer war, ihn im Seufzen der Bäume zu verstehen. »Denn die Hand Gottes hat mich getroffen.«
Brianna bewegte sich schwach an seiner Seite, und er räusperte sich erneut und reckte den Hals, so dass ich die Stricknarbe sah, die ihn entstellte.
»Ach, dass meine Reden geschrieben würden! Ach, dass sie in ein Buch gestellt würden! Mit einem eisernen Griffel auf Blei und zu ewigem Gedächtnis in einen Fels gehauen würden!«
Er blickte langsam von einem Gesicht zum nächsten, seine eigene Miene ausdruckslos, dann holte er tief Luft, um fortzufahren, und seine Stimme brach über den Worten.
»Aber ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und er wird mich hernach aus der Erde aufwecken. Und nachdem diese meine Haut zerschlagen ist –« Brianna erschauerte heftig und wandte den Blick von dem frischen Erdhügel ab. »– werde ich in meinem Fleisch Gott sehen. Denselben werde ich vor mir sehen, und meine Augen werden ihn schauen.«
Er hielt inne, und es ertönte ein kollektiver Seufzer, als alle gemeinsam die Luft ausatmeten, die sie angehalten hatten. Doch er war noch nicht ganz fertig. Er hatte halb bewusst nach Briannas Hand gegriffen und hielt sie fest gedrückt. Er sprach die letzten Worte beinahe zu sich selbst, merkte ich, und dachte dabei kaum an seine Zuhörer.
»So fürchtet euch vor dem Schwert, denn das Schwert ist der Zorn über die Missetaten, auf dass ihr wisset, dass ein Gericht sei.«
Ich erschauerte, und Jamies Hand schloss sich um die meine, kalt, aber kraftvoll. Er sah zu mir herunter, und ich erwiderte seinen Blick. Ich wusste, was er dachte.
Genau wie ich dachte er nicht an die Gegenwart, sondern an die Zukunft. An eine kleine Notiz, die in drei Jahren auf den Seiten der Wilmington Gazette erscheinen würde.
»Mit Trauer nehmen wir die Nachricht vom Tod James MacKenzie Frasers und seiner Gattin Claire Fraser bei einer Feuersbrunst zur Kenntnis, die in der Nacht des 21sten Januar 1776 ihr Haus in der Siedlung Fraser’s Ridge zerstörte. Mr. Fraser, ein Neffe des verstorbenen Hector Cameron, Besitzer der Plantage River Run, wurde in Broch Tuarach in Schottland geboren. Er war in der Kolonie gut bekannt und hoch angesehen; er hinterlässt keine Kinder.«
Bis jetzt war es uns leichtgefallen, uns keine großen Gedanken darum zu machen. So fern in der Zukunft, einer Zukunft, die gewiss nicht unabänderlich war – vorgewarnt war schließlich gut gewappnet, nicht wahr?
Ich richtete meinen Blick auf den flachen Grabhügel, und mich durchfuhr ein noch kälterer Schauer. Ich trat dichter an Jamie heran und legte meine andere Hand auf seinen Arm. Er bedeckte sie mit der seinen und drückte sie beruhigend. Nein, sagte er wortlos. Nein, ich werde es nicht geschehen lassen.
Doch als wir die trostlose Lichtung hinter uns ließen, konnte ich ein lebhaftes Bild nicht abschütteln. Nicht die abgebrannte Hütte, die bedauernswerten Toten, den erbärmlichen Garten. Das Bild, das mich nicht losließ, war eines, das ich Jahre zuvor gesehen hatte – ein Grabstein in den Ruinen der Abtei von Beauly tief in den schottischen Highlands.
Es war der Grabstein einer feinen Dame, über deren Namen ein grinsender Totenschädel eingemeißelt war – ganz wie der Schädel unter der Schürze der Holländerin. Unter dem Schädel stand ihr Motto: