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Natalia Stepanowna. Kurzen Unterkiefer? höre ich zum erstenmal!

Lomow. Ich versichere Ihnen, der untere Kiefer ist kürzer als der obere.

Natalia Stepanowna. Haben Sie denn gemessen?

Lomow. Ich habe gemessen. Zum Laufen taugt er natürlich, ob aber zum Auffangen im Fluge … das kaum…

Natalia Stepanowna. Erstens ist unser Otkatai von reiner Rasse, Vollblut, er ist der Sohn Sapragajas und Stameskis, und bei Ihrem Buntscheckigen kommt man gar nicht auf seine Herkunft… Dann ist Ihrer alt und häßlich wie eine klapperdürre Schindmähre…

Lomow. Alt, gewiß! Ich nehme für ihn keine fünf Ihrer Otkatais… Kann man das aber auch? Ugadai – ist ein Hund und Otkatai … es ist lächerlich, zu streiten… Solche wie Ihren Otkatai findet man bei jedem Hundehändler so viele, daß man mit ihnen einen Teich füllen könnte.

Natalia Stepanowna. In Ihnen, Iwan Wassiljitsch, sitzt heute ein böser Geist des Widerspruchs. Bald gehören die Wiesen Ihnen, bald ist Ugadai besser als Otkatai. Mir gefällt es gar nicht, wenn ein Mensch nicht das spricht, was er denkt. Sie wissen ja sehr wohl, daß Otkatai hundertmal besser ist als Ihrer … dieser dumme Ugadai. Warum also das Gegenteil sagen?

Lomow. Ich sehe, Natalia Stepanowna, Sie halten mich für blind oder für einen Narren. Aber begreifen Sie doch, daß Otkatai einen kurzen Unterkiefer hat!

Natalia Stepanowna. Es ist nicht wahr!

Lomow. Ja, einen kurzen Unterkiefer!

Natalia Stepanowna (schreit). Nicht wahr!

Lomow. Warum schreien Sie denn, meine Gnädige?

Natalia Stepanowna. Warum reden Sie solchen Unsinn? Das ist doch empörend! Es ist höchste Zeit, Ihren Ugadai zu erschießen, und Sie vergleichen ihn mit Otkatai!

Lomow. Entschuldigen Sie, ich kann diesen Streit nicht fortsetzen. Ich habe Herzklopfen.

Natalia Stepanowna. Ich habe bemerkt, daß diejenigen Jäger am meisten streiten, die am wenigsten verstehen.

Lomow. Meine Gnädige, ich bitte Sie, schweigen Sie… Mir platzt das Herz… (Er schreit.) Schweigen Sie!

Natalia Stepanowna. Ich werde nicht schweigen, bis Sie nicht zugeben, daß Otkatai hundertmal besser ist als Ihr Ugadai.

Lomow. Hundertmal schlechter. Krepieren soll er, Ihr Otkatai! Die Schläfen… Die Augen… Die Schulter…

Natalia Stepanowna. Und Ihr dummer Ugadai hat es gar nicht nötig zu krepieren, weil er ohnehin wie krepiert ist!

Lomow (schreit). Schweigen Sie! Ich habe einen Herzschlag…

Natalia Stepanowna. Ich werde nicht schweigen!

Tschubukow (kommt herein). 

Siebenter Auftritt.

Die Vorigen. Tschubukow.

Tschubukow. Was gibt es denn schon wieder?

Natalia Stepanowna. Papa, sag' aufrichtig, auf Ehr' und Gewissen: welcher Hund ist besser – unser Otkatai oder sein Ugadai?

Lomow. Stepan Stepanowitsch, ich flehe Sie an, sagen Sie bloß eins: hat Ihr Hund einen kurzen Unterkiefer oder nicht? Ja oder nein?

Tschubukow. Und wenn schon! Ist das von so großer Wichtigkeit? Dafür gibt es im ganzen Umkreis keinen bessern Hund und dergleichen.

Lomow. Aber mein Ugadai ist doch besser? Sagen Sie aufrichtig!

Tschubukow. Regen Sie sich nicht auf, Schätzbarster!… Gestatten Sie… Ihr Ugadai hat eben seine guten Eigenschaften… Er ist von guter Rasse, hat kräftige Läufe, starke Lenden und dergleichen. Aber der Hund, wenn Sie es wissen wollen, mein Bester, hat zwei Mängeclass="underline" er ist alt und hat einen kurzen Unterkiefer.

Lomow. Entschuldigen Sie, ich habe Herzklopfen… Sprechen wir von Tatsachen … wollen Sie sich erinnern, auf Maruskins Wiesen ging mein Ugadai mit den gräflichen Raswachai Ohr an Ohr und Ihr Otkatai blieb eine ganze Werst zurück.

Tschubukow. Er blieb zurück, weil der gräfliche Aufseher ihn mit seiner Peitsche geschlagen hatte.

Lomow. Er hatte recht, alle Hunde spüren dem Fuchs nach, Otkatai aber hält es für notwendig, ein Schaf zu beißen!

Tschubukow. Das ist nicht wahr … Liebster … ich bin reizbar und darum bitte ich Sie, brechen wir diesen Streit ab. Er hat ihn geschlagen, weil jedermann auf einen fremden Hund von guter Rasse mit Neid sieht… Jawohl, alle sind Neider. Auch Sie, mein Herr, sind nicht frei von Sünden! Kaum bemerken Sie, daß der Hund eines andern besser ist als Ihr Ugadai, so fangen Sie gleich an … dies … jenes … sein … mein … und dergleichen… Ich erinnere mich genau an alles!

Lomow. Auch ich erinnere mich!

Tschubukow (nachäffend). Auch ich erinnere mich … woran erinnern Sie sich?

Lomow. Herzklopfen… Das Bein ist gelähmt… Ich kann nicht…

Natalia Stepanowna (nachspottend). Herzklopfen … was sind Sie für ein Jäger? Sie sollten in der Küche auf dem Ofen liegen und Schaben erdrosseln, aber nicht Füchse jagen! Herzklopfen!…

Tschubukow. Wahrhaftig, was sind Sie für ein Jäger? Mit Ihren Krankheiten sitzt man zu Hause und baumelt nicht herum auf dem Sattel. Wenn Sie noch ein Jäger wären, aber Sie fahren doch nur deshalb herum, damit Sie über Hunde anderer streiten, die Leute stören und dergleichen. Ich bin reizbar, lassen wir dieses Gespräch, Sie sind nämlich kein Jäger!

Lomow. Sind Sie denn ein Jäger? Sie fahren doch nur aus, um sich beim Grafen einzuschmeicheln, um zu intrigieren… Das Herz… Sie Intrigant…!

Tschubukow. Nun und wenn ich ein Intrigant bin? (Er schreit.) Schweigen Sie!

Lomow. Intrigant!

Tschubukow. Bube! Junger Hund! Wandelnde Apotheke!

Lomow. Alte Ratte! Jesuit! Ich kenne Sie genau!

Tschubukow. Schweig! Sonst schieße ich dich nieder … mit dem schlechtesten Gewehr, wie ein Rebhuhn! Geck! Taube Nuß! Tagedieb!

Lomow. Alle wissen, daß – ach! Das Herz! – Ihre selige Frau Sie geprügelt hat… Das Bein … die Schläfen… Funken… Ich falle um, ich falle…

Tschubukow. Und du stehst unter dem Pantoffel deiner Beschließerin!

Lomow. Hier … da … da … ist das Herz geplatzt. Die Schulter ist fortgerissen… Wo ist meine Schulter?… Ich sterbe. (Er fällt in den Fauteuil.) Den Doktor! (Ohnmacht.)

Tschubukow. Bube! Gelbschnabel! Geck! Mir ist schlecht! (Er trinkt Wasser.) Übel ist mir!

Natalia Stepanowna. Was sind Sie für ein Jäger? Sie können ja nicht einmal zu Pferd sitzen! (Zum Vater.) Papa, was hat er? Papa, sieh hin, Papa! (Sie jammert.) Iwan Wassiljitsch! Er ist tot!

Tschubukow. Mir ist schlecht! Der Atem versagt mir!… Luft!…

Natalia Stepanowna. Er ist tot! (Sie schüttelt Lomow am Ärmel.) Iwan Wassiljitsch! Iwan Wassiljitsch! Was haben wir angerichtet? Er ist gestorben! (Sie sinkt in den Fauteuil.) Den Doktor! Den Doktor! (Hysterischer Anfall.)

Tschubukow. Ach!… Was gibt es denn? Was fehlt dir?

Natalia Stepanowna (stöhnt). Er ist tot!… Tot!

Tschubukow. Wer ist gestorben? Wer ist tot? (Auf Lomow hinsehend.) Wahrhaftig, er ist tot! Gerechter Gott! Wasser! Den Arzt! (Das Glas an Lomows Lippen haltend.) Trinken Sie!… Nein, er trinkt nicht… Er ist also tot und dergleichen… Unglückseligster Mensch, der ich bin! Warum jage ich mir keine Kugel in die Stirn? Warum habe ich mir bis jetzt noch nicht den Hals durchgeschnitten? Worauf warte ich noch? Gebt mir ein Messer! Gebt mir eine Pistole! (Lomow bewegt sich.) Es scheint, er kommt zu sich… Trinken Sie Wasser! So…