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– Gewiß, Mistreß Weldon, doch diese Prüfungen sind nicht ohne Nutzen an ihm vorübergegangen. Er hat eher gelernt, sich in der Welt durchzufinden, und hat dabei den besten Weg gewählt.

– Ja, den Weg der Pflicht.

– Sehen Sie nur, fuhr Kapitän Hull fort, wie er dort am Steuer steht, das Auge auf die Spitze des Bugspriets gerichtet. Unsern jungen Leichtmatrosen vermag nichts zu zerstreuen, er hält das Schiff ohne Wanken im rechten Kurs. Dick Sand besitzt schon die Sicherheit eines bewährten Steuermannes! Ein guter Anfang für einen Seemann! Unser Geschäft, Mistreß Weldon, gehört zu denen, in welchem man von der Pieke auf dienen muß. Wer niemals Schiffsjunge war, wird es nie dahin bringen, ein großer Seemann zu werden, mindestens nicht in der Handelsmarine. Hier muß ihm Alles zur Lehre dienen und er muß – da bei ihm Alles ebenso instinctiv wie mit Vorbedacht geschehen muß – sich ebenso schnell zu entschließen, wie richtig zu handeln wissen.

– Ich dächte aber, Herr Kapitän, in der Kriegsmarine fehlte es an guten Officieren eben auch nicht?

– Gewiß nicht, doch meines Wissens haben die Meisten ihre Laufbahn in früher Kindheit begonnen, und ohne gerade von Nelson und einigen Anderen zu sprechen, so sind auch sonst die Schlechtesten niemals Die, welche als Schiffsjungen angefangen haben.«

Eben sah man Vetter Benedict auf dem Hinterdeck erscheinen, doch ebenso mit sich beschäftigt und so wenig mit der Welt, wie vielleicht der Prophet Elias, wenn er einmal auf die Erde zurückkehrte.

Cousin Benedict begann seine Wanderung auf dem Verdeck wie eine arme Seele, er suchte jede Spalte in der Schanzkleidung ab, durchstöberte den Raum unter den Hühnerkäsigen und strich mit der Hand durch die Fugen des Decks, überall wo der Theer herausgequollen war.

»Nun, Vetter Benedict, fragte Mrs. Weldon, Sie befinden sich doch noch immer wohl?

– Ja, … Cousine Weldon… ja, ich befinde mich wohl, aber ich sehne mich doch etwas nach dem Lande.

– Was suchen Sie denn da unter der Bank, Herr Benedict? wandte sich Kapitän Hull an den Genannten.

– Natürlich Insecten, mein Herr, erwiderte Vetter Benedict, was soll ich denn anders suchen?

– Insecten? Nun, wahrhaftig, das durfte man von Ihnen erwarten, doch auf dem Meere werden Sie Ihre Sammlungen schwerlich bereichern.

– Und warum nicht, mein Herr? Wäre es nicht möglich, an Bord ein seltenes Exemplar von…

– Vetter Benedict, unterbrach ihn Mrs. Weldon, zanken Sie doch auf Kapitän Hull! Sein Schiff ist leider so sauber, daß Sie als Schneider von der Jagd zurückkehren werden!«

Kapitän Hull lachte auf.

»Mistreß Weldon übertreibt, antwortete er. Indessen glaube auch ich, Herr Benedict, daß Sie unsere Cabinen doch vergeblich durchsuchen würden.

– Ach, ich weiß es wohl, rief Vetter Benedict, all meine Mühe war umsonst!…

– Aber unten im Raume des »Pilgrim«, fuhr der Kapitän fort, da könnten Sie vielleicht einige Kackerlacken finden, nur sind es keine besonders interessanten Exemplare.

– Wahrhaftig, sehr wenig interessant, diese nächtlichen Orthopteren denen Virgil und Horaz schon geflucht haben; wenig interessant, diese nahen Verwandten des Periploneta orientalis und der amerikanischen Kackerlacken, welche jedes Schiff bewohnen…

– Es unsicher machen, fiel Kapitän Hull ein.

– Es beherrschen… fuhr Vetter Benedict mit Stolz fort.

– Eine liebenswürdige Herrschaft!…

– Und Sie sind nicht Entomolog, mein Herr?

– Nur so viel als nöthig.

– Und Sie, Vetter Benedict, bemerkte Mrs. Weldon lächelnd, Sie wünschten sich wohl, aus purer Liebe zur Wissenschaft, von jenen Schwaben verzehrt zu werden?

– Ich wünsche nichts weiter, Cousine Weldon, antwortete der unverbesserliche Entomolog, als meiner Sammlung einige seltene Exemplare, die ihr Ehre machen könnten, hinzuzufügen.

– Sind Sie denn mit Ihren Erwerbungen in Neu-Seeland nicht zufriedengestellt?

– O doch, Cousine Weldon; ich war schon vollkommen zufrieden, eine jener neuen Staphilinen zu erhaschen, welche bisher nur tausend Meilen weiter, in Neu-Caledonien, gefunden wurden.«

Eben kam Dingo, der mit Jack spielte, schweifwedelnd dem Vetter Benedict nahe.

»Marsch! Marsch fort! rief dieser und trieb das Thier von sich.

– Die Kackerlacken lieben und die Hunde verabscheuen. Aber Herr Benedict!…

– Und noch dazu einen so guten Hund, sagte der kleine Jack, und nahm Dingo’s großen Kopf zwischen seine Händchen.

– Ja… das sage ich ja gar nicht!… stammelte Vetter Benedict wie zur Entschuldigung. Und doch, das verdammte Thier hat die schönsten Hoffnungen betrogen, die ich auf ihn setzte.

– O, großer Gott, rief Mrs. Weldon, glaubten Sie ihn etwa in der Ordnung der Dipteren oder Hymenopteren unterzubringen?

– Nein, das nicht, antwortete Vetter Benedict ganz ernsthaft. Doch irre ich mich nicht, so wurde dieser Dingo, trotzdem er von neuseeländischer Race ist, auf der Westküste Afrikas angetroffen?

– Ganz recht, bestätigte Mrs. Weldon, Tom hat das von dem Kapitän des »Waldeck« oft genug aussprechen hören.

– Nun also, eben deshalb dachte ich… hoffte ich… daß der Hund vielleicht einige Exemplare der Afrika eigenthümlichen Arten von Hemipteren mitgebracht haben könne…

– Gütiger Himmel! rief Mrs. Weldon.

– Und vielleicht, setzte Vetter Benedict hinzu, gar einen Sandfloh von unbekannter Art…

– Hörst du wohl, Dingo, fragte Kapitän Hull, hörst du mein Hund? Du hast deine Pflichten jämmerlich vernachlässigt.

– Ich konnte aber suchen so viel ich wollte… fuhr der Entomolog mit dem Ausdrucke tiefsten Bedauerns fort, nicht ein einziges Insect habe ich entdeckt!…

– Und Sie hätten es doch sofort und ohne Erbarmen gemordet und aufgespießt, hoffe ich! meinte Kapitän Hull.

– Mein Herr, entgegnete Vetter Benedict trocken, denken Sie daran, daß Sir John Franklin sich ein Gewissen daraus machte, das geringste Insect, und wäre es eine Stechmücke gewesen, deren Angriffe weit empfindlicher sind als die eines Flohes, zu tödten, und Sie werden mir wohl zugestehen, daß Sir John Franklin ein Seemann war, der sich mit jedem Anderen messen konntet

– Ohne Zweifel, erwiderte Kapitän Hull mit einer leichten Verbeugung.

– Und einst, als er von einer Diptere tüchtig gepeinigt worden war, blies er sie fort und sagte, ohne ihr etwas zu Leide zu thun: »Geh! die Welt ist groß genug für dich und mich!«

– Ah! rief der Kapitän Hull.

– Ja wohl, mein Herr!

– Nun, Herr Benedict, entgegnete Kapitän Hull, das hat auch noch ein Anderer lange vor John Franklin ausgesprochen.

– Ein Anderer!

– Gewiß, und dieser Andere war der Onkel Tobias.

– Ohne Zweifel ein Entomolog? fragte Vetter Benedict sehr schnell.

– O nein, der Onkel Tobias von Sterne, und dieser würdige Onkel bediente sich fast genau derselben Worte, indem er einer Fliege, die ihn immer belästigte, aber die er doch schonen zu sollen glaubte, die Freiheit gab: »Geh’, armer Teufel, sagte er, die Welt ist groß genug für dich und für mich!«

– Ein braver Mann, dieser Onkel Tobias! rief Vetter Benedict entzückt. Ist er todt?

– Das glaub’ ich wohl, erwiderte Kapitän Hull möglichst ernsthaft, weil er ja niemals gelebt hat!«

Alle schauten Vetter Benedict lächelnd an.

Mit solchen Unterhaltungen und vielen ähnlichen, die sich allemal um die Entomologie drehten, sobald Vetter Benedict an denselben Theil nahm, verflossen die langen Stunden dieser Seefahrt mit Hindernissen. Das Meer blieb stets freundlich, aber der Wind hielt sich immer in einer Richtung, welche die Brigg-Goëlette nöthigte, dicht an demselben zu segeln. Der »Pilgrim« kam bei der schwachen Brise sehr wenig nach Osten vorwärts und Alle sehnten sich darnach, nach den Meerestheilen zu kommen, wo der herrschende Wind voraussichtlich günstiger sein mußte.