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Am linken Ufer erhob sich ein hoher, dichter Wald. Durch das undurchdringliche Dickicht schimmerte kaum ein Lichtschein Nicht ohne Furcht betrachtete Dick Sand dieses von den Kannibalen des unteren Congo bewohnte Gebiet, das man nun durchwandern mußte, da das Boot dem Flusse nicht mehr folgen konnte. An eine Ueberführung desselben bis unterhalb der Fälle war von vornherein nicht zu denken. Gewiß ein harter Schlag für die armen Menschen, vielleicht am Tage, bevor sie im anderen Falle die portugiesischen Niederlassungen an der Küste erreicht hätten. Doch, sie hatten la nach Kräften geholfen, sollte ihnen der Himmel nicht weiter helfen?

Bald erreichte die Pirogue das linke Stromufer. Je mehr sie aber sich ihm näherte, desto auffallendere Zeichen von Ungeduld und Schmerz gab Dingo von sich.

»In dieser Hütte ist ein Mensch gestorben.« (S. 442.)

Dick Sand, der ihn scharf beobachtete – denn hier drohten Gefahren ringsum – fragte sich, ob vielleicht ein Raubthier oder ein Eingeborner in dem hohen Papyrus des Ufersaumes versteckt liegen möge. Er erkannte jedoch bald, daß es eine Empfindung von Zorn nicht sein könne, welche das Thier so erregte.

»Es sieht aus, als ob er weinte!« rief der kleine Jack, der Dingo mit den Aermchen umfaßte.

Dingo entwand sich ihm, sprang, als das Boot nur noch zehn Schritte vom Ufer entfernt war, in’s Wasser, schwamm vollends an’s Land und verschwand in den Gebüschen.

Weder Mrs. Weldon noch Dick Sand oder Herkules wußten, was sie davon denken sollten.

Wenige Augenblicke später landeten sie selbst in einem von Conserven und anderen Wasserpflanzen grüngefärbten Schaume. Mit kurzem Kreischen flogen mehrere Taucherkönige und einige kleine, schneeweiße Reiher erschrocken auf. Herkules legte das Boot an dem Stamm einer Magnolie fest und Alle erstiegen das Ufer, über welches sich hohe Bäume herabneigten. Ein eigentlicher Fußsteg zeigte sich in dem Walde nirgends; wohl aber deutete das niedergedrückte Moos des Bodens darauf hin, daß hier unlängst Eingeborne oder wenigstens Thiere vorübergekommen sein mußten.

Dick Sand mit dem geladenen Gewehre und Herkules mit der Axt in der Hand, hatten keine zehn Schritte gethan, als sie Dingo schon wiederfanden. Fortwährend leise bellend, folgte der Hund, die Nase am Boden, offenbar einer Spur nach. Ein erstes unerklärliches Vorgefühl hatte ihn hier an’s Ufer getrieben, ein anderes verlockte ihn in die Tiefe des Waldes. Allen erschien das unzweifelhaft.

»Achtung! sagte Dick Sand. Mistreß Weldon, Herr Benedict, Jack, verlieren Sie uns nicht! – Achtung, Herkules!«

Eben jetzt erhob Dingo den Kopf und lud mit kleinen Sprüngen offenbar ein, ihm zu folgen.

Bald darauf trafen Mrs. Weldon und ihre Begleiter wieder mit dem Thiere am Fuße einer im dichtesten Urwald versteckten Sycomore zusammen.

Daran stand eine verfallene Hütte aus zersprungenen Balken, vor welcher Dingo kläglich anschlug.

»Was mag er hier haben?« rief Dick Sand.

Er trat in die Hütte ein.

Mrs. Weldon und die Uebrigen folgten ihm.

Auf dem Boden lagen hier Gebeine umher, welche der entfärbende Einfluß der Luft schon gebleicht hatte.

»In dieser Hütte ist ein Mensch gestorben! sagte Mrs. Weldon.

– Und den Mann hat Dingo gekannt, vervollständigte Dick Sand, das war sein Herr, das muß er gewesen sein! Ah, seht da!«

Dick Sand wies nach dem zum Theil abgeschälten Sycomorenstamme im Hintergrund des kleinen Raumes.

Dort zeigten sich zwei große rothe, zwar halb verwischte, aber doch noch erkennbare Buchstaben.

Dingo stemmte die eine Pfote gegen den Baum, als wollte er auf jene hindeuten.

»S. V.! rief Dick Sand. Die Buchstaben, welche Dingo unter allen anderen erkannte! Dieselben, welche er an seinem Halsbande trägt!….«

Er vollendete seine Worte nicht, sondern bückte sich und hob von der Erde ein kleines, über und über oxydirtes Kästchen aus Kupfer auf, das in einem Winkel der Hütte stand.

Dasselbe war nicht verschlossen und es fiel ein Papier heraus, auf dem Dick Sand folgende wenige Worte las:

»Ermordet…. bestohlen durch meinen Führer Negoro… 3. December 1871…. hier…. 120 Meilen von der Küste…. Dingo!…. bei mir!….

S. Vernon.«

Dieser Zettel sagte Alles. Von seinem Hunde Dingo begleitet, war Samuel Vernon aufgebrochen, um unter Führung Negoro’s das Innere Afrikas zu erforschen. Das Geld, welches er bei sich trug, hatte die Habsucht jenes Schurken gereizt und ihn zu dem Entschlusse getrieben, es sich anzueignen. An diesem Punkte des Congo-Ufers angelangt, schlug der französische Reisende sein Lager in eben dieser Hütte auf. Hier ward er tödtlich verwundet, bestohlen, verlassen…. Nach vollbrachter Mordthat ergriff Negoro jedenfalls die Flucht und mochte dabei den Portugiesen in die Hände gefallen sein. Als Agent des Sklavenhändlers Alvez erkannt, wurde er nach San Pablo de Loanda abgeführt und verurtheilt, seine Tage in einer der Strafanstalten der Kolonie zu beschließen. Der Leser weiß, daß es ihm gelang, zu entweichen, nach Neu-Seeland zu entfliehen, und daß er sich auf dem »Pilgrim« mit einschiffte zum Unglück Aller, die die Brigg-Goëlette trug. Was war aber nach dem Verbrechen geschehen? Nichts, was sich nicht fast von selbst erklärte. Der unglückliche Vernon gewann, bevor er den Geist aufgab, offenbar noch Zeit, jene Zeilen niederzuschreiben, welche neben dem Datum und der Veranlassung der Unthat auch den Namen des Mörders nannten. Das Blättchen hatte er in die Cassette gelegt, in der sich vorher jedenfalls das gestohlene Geld befand, und als letzte Lebensäußerung mochte er, gleichsam als Grabschrift, jene beiden Anfangsbuchstaben mit blutender Hand in den Baum geschnitten haben. Gewiß mochte Dingo manchen Tag lang, die beiden gerötheten Buchstaben vor Augen, hier zurückgeblieben sein. Er hatte sie dabei seinem Gedächtniß eingeprägt. Er konnte sie nicht wohl wieder vergessen. Nach der Küste zurückgekehrt, wurde er zunächst an Bord des »Waldeck« und später von dem Kapitän des »Pilgrim« aufgenommen, wo er wieder mit Negoro zusammentraf. Während dieser Zeit moderten und bleichten die Gebeine des Reisenden in diesem verlorenen, innerafrikanischen Urwalde, und jener lebte bei Niemand mehr, außer im Gedächtniß seines treuen Hundes. Gewiß, so mußte sich Alles zugetragen haben, und Dick Sand ging nebst Herkules schon daran, den Ueberresten des Reisenden ein christliches Begräbniß zu bereiten, als Dingo, jetzt aber mit wüthendem Geheul, zur Hütte hinaussprang.

Fast gleichzeitig hörte man einen gräßlichen Angstschrei in kurzer Entfernung. Jedenfalls hatte das Thier einen Menschen gepackt.

Herkules that, was Dingo vorher gethan. Er war mit einem Sprunge aus der Hütte, und Dick Sand, Mrs. Weldon, Jack und Benedict sahen ihn, als sie ebenfalls heraustraten, sich auf einen Mann stürzen, der, auf der Erde liegend, von den gewaltigen Zähnen des Hundes an der Kehle fest gehalten wurde.

Dieser Mann war Negoro.

Auf dem Wege nach der Mündung des Zaïre, von wo aus er sich nach Amerika einzuschiffen gedachte, hatte sich der Schurke, seine übrige Begleitung einstweilen zurücklassend, nach der Stelle begeben, wo er einst den Reisenden, der sich ihm anvertraut hatte, ermordete.

Es geschah das auch nicht ohne Grund, und Alle begriffen, warum jener diesen Weg eingeschlagen hatte, als sie in einem frisch aufgewühlten Loche am Fuße eines anderen Baumes noch ein Häuschen französischer Goldstücke schimmern sahen. Es lag also auf der Hand, daß Negoro nach der Mordthat und bevor er den Portugiesen in die Hände fiel, den Ertrag seines Raubes in der Absicht verborgen hatte, ihn später einmal abzuholen, und eben wollte er sich all’ dieses Gold aneignen, als Dingo ihn aufspürte und an der Gurgel faßte. Erschreckt hatte der Elende noch ein Jagdmesser gezogen und den Hund verwundet, als Herkules sich über ihn stürzte.