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Sei dem wie es will, jedenfalls war Dingo der Held des Tages geworden – was ihm übrigens keinen besonderen Stolz einzuflößen schien. Kapitän Hull wiederholte dasselbe Experiment mehrmals. Die Holzwürfel mit dem Alphabet wurden dann vor Dingo aufgestellt und immer wieder suchte dieser, ohne je zu irren oder zu zögern, die Lettern S und V heraus, während die anderen seine Aufmerksamkeit nicht im Geringsten erregten.

Diese Wiederholungen fanden öfters auch im Beisein Vetter Benedict’s statt, den sie indessen gar nicht zu interessiren schienen.

»Man darf übrigens, ließ er sich eines Tages herab, zu bemerken, nicht glauben, daß die Hunde allein ein Privilegium auf derartige Intelligenz besäßen. Andere Thiere thun es ihnen hierin gleich, während sie nur ihrem Instincte folgen. Die Ratte z.B., welche das Schiff verläßt, welches im Meere unterzugehen bestimmt ist; die Biber, welche das Anwachsen des Wassers vorausfühlen und deshalb rechtzeitig ihre Uferbauten erhöhen; die Rosse von Nicomedes, Scanderbegg und Oppien, deren Schmerz beim Tode ihrer Herren so weit ging, daß sie selbst starben; jene durch ihr Gedächtniß so berühmt gewordenen Esel und noch eine Menge anderer Geschöpfe, welche die Ehre haben, zum Thierreich zu gehören! Hat man nicht jene wunderbar dressirten Esel gesehen, welche die von ihren Lehrern vorgesagten Worte fehlerlos aufschrieben, Cacadus, die eben so gut, wie ein Beamter der Bureaux für Längenmessung, die Anzahl der in einem Zimmer befindlichen Personen zählten? Existirt nicht ein übrigens mit hundert Thalern Gold bezahlter Papagei, der seinem Herrn, einem Cardinal, die ganzen symbolischen Bücher ohne jeden Fehler hersagte? Muß sich der gerechte Stolz eines Entomologen nicht bis zum Gipfel erheben, wenn er ganz gewöhnliche Insecten Proben der auffallendsten Intelligenz ablegen und das bekannte Axiom

in minimis maximus Deus

bestätigen sieht? Jene Ameisen z.B., welche Häuser gleich denen in einer großen Stadt erbauen oder die Argyroneten, welche Taucherglocken anfertigen, ohne ein Jota von Mechanik zu verstehen; jene Flöhe, welche kleine Kutschen ziehen wie die besten Rosse, ebenso exerciren wie die Riflemen und Kanonen abfeuern, besser als die geprüften Artilleristen von West-Point?1 Nein, gehen Sie mir, dieser Dingo verdient mit nichten eine solche Bewunderung, und wenn er Kenntnisse vom Alphabete hat, so gehört er wahrscheinlich zu einer wissenschaftlich, noch nicht classificirten Race von Pudeln, die etwa »canis alphabeticus« von Neu-Seeland zu nennen wäre.«

Trotz dieser und anderer Einreden des selbstsüchtigen Entomologen, verlor Dingo nicht im Geringsten in der allgemeinen Achtung und spielte in den Verhandlungen auf dem Verdeck nach wie vor die Rolle eines wunderbaren Phänomens.

Höchstens Negoro theilte den sonst an Bord herrschenden Enthusiasmus bezüglich dieses Thieres nicht. Vielleicht fand er den Hund gar zu intelligent. Jedenfalls bewahrte dieser fort und fort dieselbe Animosität gegenüber dem Küchenmeister. Und zweifelsohne würde es ihm übel ergangen sein, wäre er einestheils nicht selbst im Stande gewesen, sich seiner Haut zu wehren und hätte ihn anderentheils nicht die ganze Mannschaft durch ihre Sympathie geschützt.

Negoro vermied es also mehr denn je, Dingo zu treffen. Dick Sand aber hatte seit jenem Zwischenfall mit den beiden Buchstaben die zunehmende gegenseitige Antipathie zwischen dem Manne und dem Hunde recht wohl beobachtet, was ihm zunächst allerdings ziemlich unerklärlich schien.

Am 10. Februar schwächte sich der Nordostwind, welcher bisher immer auf die langen und ermüdenden Windstillen gefolgt war, merkbar ab. Kapitän Hull durfte also auf einen bevorstehenden Wechsel in der Richtung der atmosphärischen Strömungen rechnen. Vielleicht sollte die Brigg-Goëlette endlich mit vollen Segeln fahren können. Jetzt hatte sie den Hafen von Auckland erst seit neunzehn Tagen verlassen. Die Verzögerung war noch keine so beträchtliche und mit einem guten Winde von der Seite mußte der »Pilgrim«, wenn er alle Leinwand entfalten konnte, die verlorene Zeit bald genug wieder gewinnen. Noch galt es freilich einige Tage zu warten, bis der erwünschte Umschlag des Windes nach Westen wirklich erfolgt war.

Dieser Theil des Pacifischen Oceans blieb immer öde und leer. Kein einziges Schiff kam in Sicht. Man segelte hier in einer von den Seefahrern sonst völlig verlassenen Breite. Die Walfischfahrer der australischen Meere zogen jetzt noch nicht wieder heim. Auf dem »Pilgrim«, den nur besondere Umstände gezwungen hatten, die Fischgründe vor Ablauf der Saison zu verlassen, durfte man demnach gar nicht darauf hoffen, ein Schiff, das denselben Kurs segelte, zu treffen.

Von den transpacifischen Packetbooten erwähnten wir schon, daß sie bei der Ueberfahrt zwischen Australien und dem amerikanischen Continente unter einer weit niedrigeren Breite fuhren.

Deshalb jedoch, weil das Meer verlassen ist, darf man es niemals vernachlässigen, die ganze Umgebung bis zu den Grenzen des Horizonts im Auge zu behalten. So monoton dasselbe einem oberflächlichen Beobachter erscheinen mag, so unendliche Abwechselungen bietet es jedoch Demjenigen, der sie versteht. Seine oft nur geringfügigen Veränderungen erregen dann die Einbildungskraft und wecken die Poesie des Oceans. Ein wenig Seegras, das auf-und abwogend dahinfließt, ein Sargassozweig, der hinter sich einen leichten Streifen auf den Wellen zieht, ein Stück Planke, dessen Geschichte man ergründen möchte – etwas Weiteren bedarf man ja nicht. Gegenüber dieser Unendlichkeit wird der Geist durch nichts Anderes abgelenkt. Die Phantasie entfaltet ihre Flügel ungehindert. Jedes dieser Wassermoleküle, das die Verdunstung immer wieder zwischen Himmel und Meer austauscht, birgt vielleicht das Geheimniß irgend welcher Katastrophe! Muß man nicht jene bevorzugten Geister beneiden, denen es vergönnt ist, die Geheimnisse des Oceans zu durchdringen und sich von der bewegten Fläche hinauf bis in die heitern Höhen des Himmels zu erheben?

Ueber und unter den Meeren, immer zeigt sich das Leben überall. Die Passagiere des »Pilgrim« sahen oft ganze Schaaren von Vögeln, die dem rauhen Winter der Polargegenden entflohen, in hitziger Verfolgung kleiner und kleinster Fische, und mehrmals gab Dick Sand, hierin wie in so manchem Anderen der gelehrige Schüler Mrs. Weldon’s, Beweise seiner Geschicklichkeit mit der Flinte oder der Pistole, indem er einige dieser flüchtigen Zugvögel erlegte.

Hier schwärmten weiße Sturmvögel, dort andere Arten derselben Familie mit braun geränderten Fittigen. Manchmal zogen auch ganze Heerden von Captauben vorüber oder Gesellschaften von Pinguins, deren Fortbewegung am Lande ebenso schwerfällig als lächerlich ist. Auf dem Wasser aber bedienen sich diese Pinguins, wie Kapitän Hull erzählte, ihrer kurzen Füße ganz wie Schwimmvögel und übertreffen auch die flinksten Fische an Schnelligkeit, so daß selbst Seeleute sie nicht selten mit Breitfischen verwechselt haben.

Höher oben schwebten riesige Albatros mit einer Flügelspannweite von ca. 3 Meter und setzten sich dann auf die Oberfläche des Wassers, in welches sie mit dem Schnabel einhieben, um sich Nahrung zu suchen.

Solche Scenen gewährten ein ewig wechselndes Schauspiel, welches nur solche Leute monoton finden konnten, denen aller Genuß an den Reizen der Natur versagt ist.

Am erwähnten Tage ging Mrs. Weldon eben auf dem Hinterdeck des »Pilgrim« spazieren, als eine merkwürdige Erscheinung ihre Aufmerksamkeit erregte. Das Wasser des Meeres war nämlich fast augenblicklich ganz roth geworden. Man hätte glauben können, es sei von Blut gefärbt gewesen, und diese unerklärliche Färbung reichte auch so weit das Auge trug.