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Auch Kapitän Hull gedachte also jenen in fünf Meilen Entfernung vom Schiffe signalisirten Jubart mit blanker Waffe zu überwältigen und zu fangen.

Die Witterung begünstigte den projectirten Jagdzug. Die Ruhe des Meeres kam dem Manövriren mit der kleinen Jolle sehr zu statten. Der Wind schwächte sich immer mehr und mehr ab, so daß der »Pilgrim« während der Abwesenheit seiner Mannschaften kaum merkbar abweichen konnte.

Die Steuerbordjolie ward also klar gemacht und die vier Matrosen nahmen darin Platz.

Howick ließ zwei jener großen Wurfspieße, welche als Harpune dienen, und außerdem zwei lange, wohl zugespitzte Lanzen mit hinabschaffen. Zu diesen Angriffswaffen fügte er noch fünf Packen jener geschmeidigen, aber sehr festen Taue, welche die Walfischfahrer speciell »Leinen« nennen und die eine Länge von je sechshundert Fuß haben. So viele sind auch mindestens nothwendig, denn es ereignet sich nicht allzu selten, daß auch die mit den Enden verknüpften Seile der »Nachfrage« noch immer nicht genügen, wenn ein verwundeter Walfisch allzuweit in die Tiefe geht.

Hierin bestanden also die verschiedenen Apparate, welche im Vordertheil des kleinen Bootes sorgsam placirt wurden.

Howick und die vier Matrosen warteten nur noch des Befehles, das Tau, welches sie hielt, schießen zu lassen.

Ein einziger Platz im Vordertheil der Jolle war noch frei – ihn sollte Kapitän Hull einnehmen.

Es versteht sich von selbst, daß die Leute vom »Pilgrim« vor dem Verlassen desselben beigelegt, d.h. die Segel so gestellt hatten, daß sich ihre Wirkung gegenseitig aufhob, um das Schiff möglichst auf derselben Stelle zu erhalten.

Bevor Kapitän Hull selbst nach der Jolle hinabstieg, warf er noch einen letzten Blick über sein Fahrzeug. Er überzeugte sich, ob Alles in Ordnung, ob die Hißtaue wohl befestigt und die Segel richtig gestellt wären. Da er den jungen Leichtmatrosen während der Zeit seiner gewiß mehrere Stunden währenden Abwesenheit allein an Bord ließ, wünschte er, daß Dick Sand, außer im dringendsten Nothfalle, womöglich keinerlei Manöver auszuführen hätte.

Noch ehe er abstoßen ließ, ertheilte er seine letzten Anordnungen.

»Dick, sagte er, ich lasse Dich allein. Wache über Alles. Sollte es unerwarteter Weise nöthig werden, das Schiff wieder in Gang zu setzen, wenn wir bei der Verfolgung dieses Jubart allzuweit weggeführt würden, so könnten Tom und seine Freunde Dir ja den nöthigen Beistand leisten. Wird ihnen nur richtig gesagt, was sie vornehmen sollen, so bin ich sicher, daß sie es auch ausführen werden.

»Wache über Alles.« (S. 71.)

– Gewiß, Herr Kapitän, antwortete der alte Tom, Herr Dick kann auf uns rechnen.

– Befehlen Sie nur getrost! rief Bat ganz freudig. Wir verlangen darnach, uns auch einmal nützlich zu erweisen.

– Was gilt’s?… fragte Herkules, der schon die weiten Aermel seiner Jacke ausstreiselte.

– Vorläufig noch gar nichts, erwiderte Dick Sand lächelnd.

– Ich stehe zu Ihrer Verfügung, versicherte der Riese.

– Dick, fuhr Kapitän Hull fort, das Wetter ist schön, der Wind hat sich gelegt und es ist kein Zeichen vorhanden, daß er jetzt wieder auffrischen sollte. Mag jedoch geschehen, was da will. Du setzest kein Boot in’s Meer und verläßt das Schiff in keinem Falle.

– Ich verspreche es.

– Sollte es nöthig werden, daß der »Pilgrim« zu uns kommen müßte, so werde ich an der Gaffelspitze eine Flagge aufziehen lassen.

– Seien Sie ohne Sorge, Herr Kapitän, versicherte Dick Sand, ich werde die Jolle nicht aus den Augen lassen.

– Brav, mein Sohn, antwortete Kapitän Hull. Nur Muth und kalt Blut! Du bist nun erster Deckofficier und vertrittst den Befehlshaber. Mach’ Deiner Stellung Ehre! In Deinen Jahren hat vor Dir wohl noch Keiner eine solche eingenommen!«

Dick Sand erwiderte nichts, aber er erröthete lächelnd. Kapitän Hull verstand die Röthe und das Lächeln.

»Der wackere Junge, sprach er für sich, wahrlich, er ist ganz Bescheidenheit und der gute Muth selbst.«

Aus diesen eindringlichen Ermahnungen ließ sich doch erkennen, daß Kapitän Hull, obwohl damit keinerlei Gefahr verbunden schien, sein Schiff, selbst auf nur wenige Stunden, nicht eben gern verließ. Sein unwiderstehlicher Fischerinstinct, aber vor Allem der lebhafte Wunsch, seine Ladung an Oel voll zu machen und nicht hinter den von Mr. James W. Weldon in Valparaiso eingegangenen Engagements zurückzubleiben, alles das brachte ihn dazu, das kleine Abenteuer zu wagen. Gleichzeitig begünstigte ja das so freundliche Meer die Verfolgung einer Cetaeee ganz außerordentlich. Weder seine Mannschaft noch er selbst hätte einer solchen Versuchung widerstehen können. Die Fischerei-Campagne erhielt hierdurch den erwünschtesten Abschluß, und diese letztere Betrachtung lag Kapitän Hull vor allem Anderen am Herzen.

Kapitän Hull begab sich nach der Falltreppe.

»Viel Glück auf den Weg! verabschiedete sich Mrs. Weldon.

– Ich danke, Mistreß Weldon!

– Bitte, thun Sie dem armen Walfisch nicht so weh! rief der kleine Jack.

– Nein, nein, mein Söhnchen! versicherte der Kapitän.

– Fassen Sie ihn recht sanft an, Herr Hull!

– Ja… mit Handschuhen, kleiner Jack!

– Manchmal, ließ sich Vetter Benedict vernehmen, macht man auf dem Rücken dieser großen Mammiferen eine recht gute Ernte an seltenen Insecten.

– Ah, schön, Herr Benedict, antwortete Kapitän Hull lachend, Sie sollen autorisirt sein, den Jubart einem entomologischen Examen zu unterwerfen, wenn wir ihn erst an der Seite des »Pilgrim« haben!«

Dann wendete er sich gegen Tom.

»Tom, ich zähle auf Euch und Eure Begleiter, sagte er, daß Ihr beim Abhäuten und Ausweiden des Walfisches hilfreiche Hand leistet, wenn dieser neben dem Rumpfe des Schiffes vertäut liegt – was nicht gar lange dauern soll.

– Wir stehen zu Ihrer Verfügung, antwortete der alte Schwarze.

– Gut, gut! erwiderte Kapitän Hull. – Dick, diese braven Leute werden Dir helfen, die leeren Tonnen vorzubereiten. Ihr mögt sie während unserer Abwesenheit auf Deck schaffen, so wird nach unserer Rückkehr die Arbeit desto schneller beendigt sein.

– Es soll geschehen, Herr Kapitän!«

Für die Leser, welche damit noch nicht bekannt sind, sei hier hinzugefügt, daß der Jubart, wenn er todt war, bis zum »Pilgrim« geschafft und an der Steuerbordseite fest angelegt werden sollte. Dann steigen die Matrosen, welche Eisenspitzen an den Stiefelsohlen tragen, auf den Rücken des gewaltigen Thieres und lösen den Speck desselben in parallelen Streifen ab, wobei sie vom Kopf nach dem Schwanz hin weiter schreiten. Diese Streifen werden hierauf in ein bis anderthalb Fuß breite Stücke zerschnitten, letztere nochmals mehrmals getheilt, und nachdem sie in Fässer verpackt sind, in den Schiffsraum verstaut.

Gewöhnlich sucht ein Walfischfahrer nach Beendigung der Fischzeit baldmöglichst das Land zu erreichen, um die nothwendigen Arbeiten auszuführen. Die Mannschaft geht dann selbst an’s Land und nimmt nun das Ausschmelzen des Speckes vor, welch letzterer unter der Einwirkung höherer Wärmegrade alle seine brauchbaren Bestandtheile, d.h. den Thran abgiebt.1

Unter den gegebenen Verhältnissen konnte Kapitän Hull freilich nicht daran denken, noch einmal zurückzukehren, um diese Operationen vorzunehmen. Er beabsichtigte vielmehr, seine neugewonnenen Speckvorräthe erst in Valparaiso zu schmelzen; übrigens hoffte er mit frischerem Winde, der doch voraussichtlich bald nach Westen räumen mußte, die amerikanische Küste etwa binnen zwanzig Tagen zu erreichen, und dieser Zeitraum konnte ja den endlichen Erfolg seines Fischzugs nicht beeinträchtigen.