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Der Augenblick des Aufbruchs war da. Bevor man auf dem »Pilgrim« gegenbraßte, hatte sich das Schiff der Stelle etwas mehr genähert, wo der Jubart seine Anwesenheit durch den aufsteigenden Wasser-und Luftstrahl verrieth.

Das Thier schwamm noch immer inmitten der ungeheuren von Crustaceen erfüllten rothen Fläche, öffnete automatisch den weit gähnenden Rachen und verschlang mit jedem Zuschlagen desselben ganze Myriaden der kleinen Thierchen.

Nach den Aussagen der Fischereiverständigen war gar nicht zu befürchten, daß jener sich auf-und davonmachen werde. Unzweifelhaft stand dort, wie die Fischer sagen, ein »gefechtsbereiter« Walfisch.

Kapitän Hull stieg über die Schanzkleidung und die Strickleiter hinab nach dem Vordertheil des Bootes.

Mrs. Weldon, Jack, Vetter Benedict, Tom und seine Genossen wünschten dem Kapitän zum letzten Male Glück auf den Weg.

Selbst Dingo stellte sich auf die Hinterpfoten, so daß er mit dem Kopf über die Reling hinaussah, als wollte auch er der Mannschaft im Boote Adieu sagen.

Dann kehrten Alle nach dem Vorderdeck zurück, um sich womöglich nichts von den interessanten Zwischenfällen einer solchen Jagd entgehen zu lassen.

Die Jolle stieß ab und entfernte sich bald, von den vier kräftigen Ruderern getrieben, merklich vom »Pilgrim«.

»Hab’ wohl Acht, Dick, hab’ Acht! rief Kapitän Hull zum letzten Male dem jungen Leichtmatrosen zu.

– Verlassen Sie sich darauf, Herr Kapitän.

– Ein Auge auf das Schiff und eins auf die Jolle! Vergiß das nicht, mein Junge!

– Es soll geschehen, Herr Kapitän!« antwortete Dick, der sich anschickte, in der Nähe des Helmstocks vom Steuerruder Platz zu nehmen.

Schon befand sich die leichte Jolle mehrere hundert Fuß vom Schiffe entfernt. Kapitän Hull stand in deren Vordertheile aufrecht und erneuerte, da er sich nicht mehr vernehmbar machen konnte, seine Wünsche und Empfehlungen durch nicht mißzuverstehende Gesten.

Da stieß Dingo, der die Tatzen noch immer auf dem Barkholz liegen hatte, ein wahrhaft klägliches Gebell aus, das gewiß auch die mindest abergläubischen Leute unangenehm berührt hätte.

Mrs. Weldon begann bei diesem Bellen leise zu zittern.

»Dingo, rief sie, Dingo! Ermuthigst Du Deine Freunde in solcher Weise? Schnell, belle einmal recht lustig und hell!«

Doch der Hund bellte nicht mehr, ließ die Vordertatzen wieder auf das Deck herab und kam langsam an Mrs. Weldon heran, der er schmeichelnd die Hand leckte.

»Er wedelt nicht mit dem Schweife!… sagte Tom halblaut. Ein schlechtes Vorzeichen! Ein schlechtes Zeichen!«

Aber fast gleichzeitig richtete Dingo sich auf und heulte wüthend.

Mrs. Weldon wandte sich um.

Negoro hatte seinen Küchenraum verlassen und schritt nach dem Vorderkastell zu, ohne Zweifel in der Absicht, auch selbst die Bewegungen der Jolle mit zu beobachten.

Dingo stürzte gegen den Küchenmeister in ebenso heftigem als unerklärlichem Zorne los.

Negoro ergriff einen daliegenden Hebebaum und setzte sich zur Wehr.

Der Hund wollte ihm an die Gurgel springen.

»Hier, Dingo hierher!« rief Dick Sand, der seinen Beobachtungsposten für einen Augenblick verließ und nach dem Vorderdeck eilte.

Negoro hatte kein Wort gesprochen, aber sein Gesicht überlief eine Leichenblässe. Er ließ den Hebebaum fallen und ging nach seiner Cabane zurück.

»Herkules, sagte da Dick Sand, ich beauftrage Sie ausdrücklich, diesen Mann besonders zu beobachten.

– Ich werde über ihn wachen!« erwiderte Herkules, und dabei schlossen sich als Zeichen des Einverständnisses seine nervigen Fäuste kräftiger zusammen.

Mrs. Weldon und Dick folgten mit den Blicken dann wieder der Jolle, welche die vier Ruder schnell entführten.

Sie erschien jetzt nur mehr als ein Punkt auf dem Meere.

Fußnoten

1 Bei dieser Operation verliert der Speck etwa ein Drittel von seinem Gewichte.

Achtes Capitel.

Der Jubart.

Kapitän Hull, als erfahrener Walfischfänger, durfte nichts dem Zufall überlassen. Der Fang eines Jubart ist immer ein schwieriges Unternehmen. Dabei darf keine Vorsicht außer Augen gelassen werden. Hier war das auch in keiner Weise der Fall.

Zuerst manövrirte Kapitän Hull so, daß er dem Walfisch unter den Wind kam, um diesem die Annäherung eines Fahrzeuges durch keinerlei Geräusch zu verrathen.

Howick steuerte die Jolle also immer längs der ausgedehnten Bogenlinie jener röthlichen Wellen, in deren Mitte der Jubart dahinschwamm. Er suchte diesen dadurch zu umgehen.

Der Hochbootsmann, ein Seefahrer mit ungemeiner Kaltblütigkeit, besaß das volle Vertrauen des Kapitän Hull. Von ihm war weder ein Zögern noch ein Versehen aus Unachtsamkeit zu erwarten.

»Recht vorsichtig steuern, Howick, mahnte der Kapitän, wir wollen versuchen, den Jubart zu überraschen. Er darf uns nicht eher sehen, als bis ihn eine Harpune erreichen kann.

– Einverstanden, Herr Kapitän, antwortete der Hochbootsmann. Ich folge immer dem Rande des rothen Wassers, um stets unter dem Winde zu bleiben.

– Gut, gut, erwiderte Kapitän Hull. Jungens, möglichst wenig Geräusch beim Rudern!«

Die Riemen glitten ohne jedes Plätschern durch das Wasser.

Die von dem Hochbootsmanne geschickt geführte Jolle hatte die Milliarden schwimmender Crustaceen erreicht. Die Steuerbordruder griffen in grünliches durchsichtiges Wasser ein, während die des Backbords, wenn sie das rothe Wasser emporhoben, von Blut zu tröpfeln schienen.

»Wein und Wasser nebeneinander! sagte einer der Matrosen.

– Ja wohl, bemerkte darauf Kapitän Hull, aber Wasser, das man nicht trinken, und Wein, den man nicht hinabschlucken kann. – Frisch auf, Jungens, wir wollen jetzt nicht plaudern, sondern kräftig anziehen!«

Von dem Hochbootsmann geleitet, glitt die Jolle geräuschlos über die Oberfläche des halbfettigen Wassers, als schwämme sie etwa auf einer Schicht Oel.

Der Jubart wich nicht von der Stelle und schien das ihn umkreisende Boot überhaupt noch nicht bemerkt zu haben.

Kapitän Hull entfernte sich bei dieser Umgehung natürlich um so weiter vom »Pilgrim«, der immer mehr und mehr verkleinert erschien.

Ueberhaupt macht die Geschwindigkeit, mit der die Gegenstände auf dem Meere scheinbar an Größe verlieren, stets einen merkwürdigen Eindruck. Sie zeigen sich fast so, als betrachtete man dieselben durch das Objectivglas eines Fernrohres, wenn man ein solches verkehrt hält; eine optische Täuschung, welche offenbar nur daher rührt, daß in den ungemessenen Weiten des Oceans alle Vergleichungspunkte fehlen. Dasselbe war also auch mit dem »Pilgrim« der Fall, der zusehends zusammenschwand und weit entfernter erschien, als er es in Wirklichkeit war..

Eine halbe Stunde nach der Abfahrt vom Schiffe befand sich Kapitän Hull mit seinen Begleitern direct unter dem Winde des Walfisches, so daß letzterer ungefähr den Mittelpunkt zwischen Boot und Fahrzeug einnahm.

Jetzt galt es also, sich jenem womöglich ohne jedes Geräusch zu nähern.

Es war nicht möglich, dem Thiere von der Seite her nahe genug zu kommen, um es aus bequemem Abstande zu harpuniren, bevor seine Aufmerksamkeit erregt wurde.

»Rudert etwas langsamer, Jungens, sagte Kapitän Hull halblaut.

– Mir scheint, antwortete Howick, der Coujon hat schon etwas gewittert! Er schnauft weniger stark als eben vorher.

– Still! Still!« wiederholte Kapitän Hull.

Nach weiteren fünf Minuten befand sich die Jolle etwa eine Kabellänge vom Jubart.1

Am Hintertheile der Jolle aufrechtstehend, manövrirte der Hochbootsmann in der Weise, daß er sich der linken Flanke des gewaltigen Säugethieres näherte, wobei er jedoch sorgfältig vermied, dem furchtbaren Schwanze des Thieres nahe zu kommen, von dem ein einziger Schlag hingereicht hätte, das leichte Boot zu zertrümmern.