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Zehntes Capitel.

Die folgenden vier Tage.

Dick Sand war also thatsächlich der Kapitän des »Pilgrim« und ergriff, ohne eine Minute zu verlieren, die nöthigen Maßregeln, das Schiff voll unter Segel zu setzen.

Selbstverständlich hatten die Passagiere nur die eine Hoffnung, irgend einen Punkt der amerikanischen Küste, und wenn es auch nicht Valparaiso wäre, zu erreichen. Dick Sand’s erste Beschäftigung war, sich über die Richtung und Geschwindigkeit des »Pilgrim« zu unterrichten, um seine Rechnungen darauf basiren zu können. Hierzu ward es nöthig, jeden Tag den zurückgelegten Weg auf der Karte einzutragen, den man, wie gesagt, durch das Log und die Boussole feststellte. An Bord befand sich glücklicher Weise eines jener »Patent-Logs« mit Gradbogen und Schraube, welches für eine gegebene Zeit die Geschwindigkeit des Schiffes mit größter Genauigkeit zu messen gestattete. Dieses nützliche und sehr leicht zu handhabende Instrument versprach noch die besten Dienste zu leisten, und die Schwarzen erlangten bald eine hinlängliche Geschicklichkeit, dasselbe zu bedienen.

Eine einzige Fehlerquelle blieb freilich trotzdem übrig – die Strömungen. Um diese auszuscheiden, genügten nicht gewöhnliche Schätzungen; nur astronomische Beobachtungen konnten hier noch ein verläßliches Resultat liefern. Leider fühlte sich der junge Leichtmatrose außer Stande, derartige Beobachtungen anzustellen.

Einen Augenblick hegte Dick Sand wohl die Absicht, den »Pilgrim« nach Neu-Seeland zurückzuführen. Diese Ueberfahrt war kürzer und er würde es sicher auch gethan haben, wenn der bisher widrige Wind nicht in günstigere Richtung umgeschlagen wäre. Unter den gegenwärtigen Umständen erschien es jedoch rathsamer, auf Amerika zuzusegeln

Der Wind hatte nämlich wirklich eine vollständige Umdrehung gemacht und blies setzt aus Nordwesten, scheinbar mit der Neigung, sich aufzufrischen.

Jetzt galt es, ihn zu benutzen, um so viel Fahrt als möglich zu machen.

Dick Sand beeilte sich also, den »Pilgrim« vor allen Segeln laufen zu lassen.

Auf einer Brigg-Goëlette führt der Fockmast vier vierkantige Segeclass="underline" das große Focksegel am unteren Maste, darüber das Marssegel an der Marsstange, ferner ein Bram-und ein Topsegel an der Bramstange.

Der Großmast dagegen trägt weniger Leinwand. Er führt am Untermast nur eine Brigantine und darüber ein dreieckiges lateinisches Segel.

Zwischen diesen beiden Masten kann man dann noch an den Stagen, welche sie von vorn her halten, drei weitere, sogenannte Stagsegel anbringen.

Im Vordertheile endlich befinden sich, vom Fockmast nach dem Bugspriet und dem Klüverbaum gezogen, die drei Focksegel.

Diese Focksegel, die Brigantine, das lateinische und die Stagsegel sind sehr leicht zu dirigiren. Sie können vom Verdeck aus gehißt werden, ohne in die Takelage zu steigen, da sie nicht an Raaen mittelst Seisingen befestigt sind, welche man erst lösen muß.

Die Manöver mit den Segeln des Fockmastes dagegen verlangen die geübten Hände erfahrener Seeleute. Sollen diese benutzt werden, so müssen die Matrosen entweder auf den Raaen hinausreiten oder an den Pardunen und Stagen bis zum Top des Mastes hinaufklettern, ebenso wenn sie jene hissen oder einziehen, oder auch ihre Oberfläche nur zum Theil vermindern, d.h. sie reesen wollen. Hierbei müssen sie sich auch auf den Laufseilen – das sind lose, parallel mit den Raaen gespannte Seile – fortbewegen, wobei sie sich mit der einen Hand festzuhalten haben, während sie mit der anderen arbeiten, ein Manöver, welches für den Ungeübten stets nicht ohne Gefahr ist. Die stampfenden und schlingernden Bewegungen, welche sich hier oben wie durch einen langen Hebelarm wesentlich vergrößern, das Schlagen der Segel bei einer einigermaßen frischen Brise, können einen Mann recht leicht über Bord schleudern. Für Tom und seine Begleiter waren derartige Arbeiten also immerhin kein so gefahrloses Unternehmen.

Zum Glück wehte der Wind nur mäßig. Auch das Meer hatte noch nicht Zeit gehabt, größere Wellen zu bilden. Die Bewegungen des Schiffes nach vor-und rückwärts, sowie von einer Seite zur anderen, hielten sich noch in sehr beschränkten Grenzen.

Als sich Dick Sand auf das Signal des Kapitäns nach dem Schauplatz der Katastrophe begab, trug der »Pilgrim« nur die Focksegel, die Brigantine, das große Focksegel und das Marssegel. Um aus der Ruhelage des Schiffes in Bewegung überzugehen, brauchte Dick Sand nur wenig an der früheren Segelstellung zu ändern, wobei ihm die Schwarzen nach Kräften behilflich waren.

Jetzt gedachte er den günstigen Seitenwind bestens auszunutzen, und dazu sollte das Bramsegel, das Topsegel, das Gaffel-und die Stagsegel gehißt werden.

»Meine Freunde, sagte er zu den Negern, thut nur genau das, was ich Euch sage, und Alles wird noch gut gehen.«

Dick Sand war am Helmstock des Steuers geblieben.

»Nun vorwärts! rief er. Tom, hißt schnell alle Segel!

– Hißt?… fragte Tom, der diesen Ausdruck nicht verstand.

– Ja wohl, macht sie los ! – Ihr Bat… dasselbe!… Gut!… Halt an!… Achtung, zieht nach oben!

– Ja, wie denn? – So? fragte Bat.

– Ja wohl, richtig. So ist’s gut!… Nun, daran Herkules… etwas kräftig! Thut einen derben Zug!«

Herkules zu empfehlen, daß er auch noch etwas kräftig ziehen möchte, erschien vielleicht etwas unklug. Ohne Zögern that der Riese einen Zug, als hätte er Alles herabreißen wollen.

»Halt! nicht so kräftig, mein Bester! rief Dick Sand lächelnd. Ihr würdet die ganze Takelage herunterholen!

– Ich habe ja kaum angezogen, antwortete Herkules.

– Glaub’ es schon, doch strengt Euch ja nicht an, es wird schon das genügen!… Gut, nachlassen… hißt auf… gebt Euch die Hände… legt die Taue fest… knotet sie an… so! – Gut!… Nun zusammen!… Holt an… zieht…!«

Langsam drehte sich das ganze Segelwerk des Fockmastes, dessen Backbordbrassen locker gemacht worden waren. Lustig schwellte der Wind die Segel und trieb das Schiff bald merkbar vorwärts.

Dick Sand ließ hierauf die Schoten der Focksegel schießen. Dann rief er die Schwarzen nach dem Achterdeck zurück.

»Seht, Ihr guten Leute, das wäre denn geschehen und es ging ja ganz herrlich! Jetzt wollen wir uns mit dem Großmast beschäftigen. Aber zerreißt und zerbrecht mir nichts, Herkules.

– Will es versuchen, antwortete der Koloß, um nicht zu viel Verantwortung zu übernehmen.«

Das zweite Manöver erschien gegen das erste ein Kinderspiel. Die Schoten der Gaffel wurden ein wenig nachgelassen, die Brigantine fing den Wind besser und vereinigte ihre mächtige Wirkung mit den Segeln des vorderen Mastes.

Dann hißte man noch das lateinische Segel über der Brigantine, welches nur auf der einen Seite zu lösen, durch das Geitau anzuziehen und wieder zu befestigen war.

Herkules aber zog mit sammt seinem Freunde Acteon, den kleinen Jack, welcher redlich mithalf, gar nicht zu rechnen, so kräftig, daß das Jölltau glatt wegriß.

Alle Drei fielen rückwärts nieder, glücklicher Weise ohne sich Schaden zu thun, und der kleine Jack war darüber ganz entzückt.

»So geht’s nicht! So geht’s nicht! rief der Leichtmatrose, jetzt knüpft nur vorläufig die beiden Tauenden wieder aneinander und hißt etwas vorsichtig und langsam!«

Alles geschah unter den Augen Dick Sand’s, ohne daß er selbst das Steuer zu verlassen brauchte.

Schon lief der »Pilgrim«, den Vordersteven nach Osten gerichtet, und nun galt es nur, ihn in dieser Richtung zu erhalten. Da der Wind sehr stetig blieb, war das ja leicht und starke Abweichungen vom Kurse nicht zu befürchten.

»Schön, meine Freunde, sagte der Leichtmatrose. Ihr werdet noch vor Vollendung unserer Reise die besten Seeleute sein!

– Wir wollen wenigstens unser Bestes thun, Kapitän Sand!« erwiderte Tom.