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Dieser dem Leichtmatrosen entgegen gehaltene Einwurf verdiente gewiß Berücksichtigung.

Er zerfiel indessen vor Dick Sand’s Argumenten, daß die Indianer hier nicht mit den Wilden Afrikas oder Polynesiens zu verwechseln seien und man einen Angriff von ihrer Seite kaum zu befürchten habe Wollte man dagegen auf gutes Glück in das Land hineinziehen, ohne auch nur zu wissen, welcher Provinz von Südamerika dasselbe angehörte, oder in welcher Entfernung man wohl die nächste Ansiedelung antreffen könne, so setzte man sich damit ohne Zweifel vieler Noth und Mühsal aus. Gewiß, die Trennung der Gesellschaft mochte ihren Nachtheil haben, doch jedenfalls geringeren, als ein Zug, sozusagen Blinder mitten durch den Wald, der sich bis zum Fuße der Gebirge zu erstrecken schien.

»Uebrigens, wiederholte Dick Sand, der auf seinem Vorschlage beharrte, kann ich nicht annehmen, daß diese Trennung von langer Dauer sein werde; ja, ich behaupte, daß sie es nicht sein wird. Sollten Tom und ich nach zwei Tagen noch immer keine Wohnstätte oder keinen Eingebornen angetroffen haben so kehren wir eben nach der Grotte hier zurück. Doch das ist höchst unwahrscheinlich und wir werden keine zwanzig Meilen in das Innere des Landes zu gehen brauchen, um über unsere geographische Lage Aufklärung zu erhalten. Ich kann mich ja in meiner Schätzung getäuscht haben, da mir alle astronomischen Hilfsmittel abgingen, und es wäre nicht unmöglich, daß wir uns in höherer oder tieferer Breite befänden.

– Ja, ja, Du hast Recht, mein Kind, antwortete sehr ängstlich Mrs. Weldon.

– Und Sie, Herr Benedict, fragte Dick Sand, was sagen Sie zu meinem Vorschlage?

Das Wiedersehen ihres Schiffes.. (S. 162.)

– Ich?… fragte Vetter Benedict.

– Ja, was ist Ihre Meinung?

Vetter Benedict raste in Gelehrtenwuth. (S. 164)

– Ich habe gar keine Meinung, erwiderte Vetter Benedict, ich finde Alles vortrefflich, was vorgeschlagen wird, und werde stets thun, was man wünscht. Sollen wir ein oder zwei Tage hier bleiben? Mir solls recht sein, so werde ich meine Zeit dazu verwenden, diesen Strand vom rein entomologischen Standpunkte zu studiren.

– Handle also ganz nach Deinem Willen, erklärte Mrs. Weldon. Wir werden hier zurückbleiben und Du machst Dich mit dem alten Tom auf den Weg.

– Einverstanden, sagte Vetter Benedict mit größter Seelenruhe. Ich werde den Insecten der Umgegend inzwischen meinen Besuch abstatten.

– Wagen Sie sich dabei nicht allzuweit weg, Herr Benedict, bat der Leichtmatrose. Wir empfehlen Ihnen das dringend!

– Sei ohne Sorge, mein Sohn.

– Und bringen Sie vor Allem nicht zu viele Musquitos mit hierher!« setzte der alte Tom hinzu.

Wenige Minuten später verließ der Entomolog, die kostbare Blechbüchse am Bande, die Grotte.

Fast gleichzeitig begab sich auch Negoro hinaus; dieser Mann hatte einmal die Gewohnheit, sich nur mit sich selbst zu beschäftigen. Während Vetter Benedict aber einen Abhang des steilen Ufers erkletterte, um seine Untersuchungen am Saume des Waldes zu beginnen, wendete jener sich nach dem Flüßchen und entfernte sich langsamen Schrittes, indem er an dessen Gestade dahinschritt.

Jack schlief noch immer. Mrs. Weldon legte ihn der alten Nan in den Schooß und ging dann nach dem Strande hinunter. Dick Sand und seine Genossen folgten der Dame. Alle wollten sich überzeugen, ob es bei dem jetzigen ruhigeren Zustande des Meeres vielleicht möglich wäre, bis zum Rumpf des »Pilgrim« zu gelangen, der noch eine große Menge verschiedener Gegenstände barg, welche der kleinen Gesellschaft von Nutzen sein konnten.

Die Klippen, auf denen die Brigg-Goëlette gescheitert war, lagen jetzt ganz trocken. Inmitten von Trümmern mancherlei Art erhob sich der Rumpf des Fahrzeuges, den die Fluth zum Theil bedeckte. Dick Sand wunderte sich zwar darüber, denn er wußte es, daß die Fluthhöhe an der amerikanischen Küste des Stillen Oceans immer nur eine mittelmäßige ist, doch erklärte sich jene Erscheinung ziemlich natürlich durch die Stärke des noch immer landwärts wehenden Windes.

Das Wiedersehen ihres Schiffes erregte bei Mrs. Weldon sowohl, wie bei allen Uebrigen ein recht peinliches Gefühl. Dort hatten sie ja so lange Tage gelebt, so viel und so schmerzlich gelitten! Der Anblick dieses armen Schiffes, das halb zertrümmert, ohne Masten und Segel, wie leblos auf der Seite lag, schnürte ihnen das Herz zusammen.

Doch mußten sie das Wrack besuchen, bevor der Wellenschlag es noch vollends zerstörte.

Dick Sand und die Neger vermochten, nachdem sie an einigen an der Seite des »Pilgrim« herabhängenden Tauenden nach dem Verdeck emporgeklettert waren, leicht in das Innere desselben einzudringen. Während Tom, Herkules, Bat und Austin sich damit beschäftigten, aus der Kambüse Alles, was ihnen nützlich erschien, an Lebensmitteln und Getränken wegzuschaffen, begab sich der Leichtmatrose nach dem Wohnraume des Kapitäns. Glücklicher Weise war, da das Hintertheil des Schiffes bei der Strandung höher zu liegen kam, das Wasser in diesen Theil des Fahrzeuges noch nicht eingedrungen.

Dick Sand fand daselbst noch vier wohlerhaltene Schußwaffen – ausgezeichnete Remington-Gewehre aus der Fabrik von Purdey und Comp. – sowie einen Vorrath Patronen, welche noch wohlverschlossen in den zugehörigen Kästen lagen. Das reichte hin, die kleine Truppe zu bewaffnen und in Stand zu setzen, einen etwaigen Anfall von Indianern abzuschlagen.

Der Leichtmatrose verfehlte auch nicht, sich mit einem Taschencompaß zu versehen; die Schiffskarten freilich, welche ihren Platz in einem Raume des Vordertheils hatten, waren durch Wasser beschädigt und unbrauchbar gemacht worden.

In der Rüstkammer des »Pilgrim« fand sich auch eine Anzahl großer Messer vor, welche zur Abhäutung der Walfische dienen. Dick Sand wählte davon sechs Stück aus zur Vervollständigung der Ausrüstung seiner Begleiter und vergaß auch eine Kinderflinte nicht, welche dem kleinen Jack gehörte.

Die übrigen im Schiff befindlich gewesenen Gegenstände waren entweder verstreut oder doch in unbrauchbarem Zustande. Es erschien nebenbei auch gar nicht rathsam, sich für eine Reise, die nur wenige Tage dauern sollte, über Gebühr zu belasten. Mit Lebensmitteln, Waffen und Schießbedarf war man nun ja mehr als ausreichend versehen. Doch nahm Dick Sand, auf Anrathen der Mrs. Weldon, alles vorhandene baare Geld – etwa fünfhundert Dollars – mit sich.

Das war in der That nur wenig. Mrs. Weldon allein hatte eine weit beträchtlichere Summe bei sich gehabt, diese fand sich jedoch nicht mehr vor.

Wer, wenn nicht Negoro, hätte das Wrack wohl vor ihnen schon besuchen und seine Hand nach den Geldvorräthen des Kapitän Hull und der Mrs. Weldon ausstrecken können? Offenbar konnte ein diesbezüglicher Verdacht nur auf den Küchenmeister fallen. Dennoch ward sich Dick Sand hierüber nicht ohne Weiteres klar. Was er schon bestimmt von jenem wußte und aus seinen gelegentlichen Beobachtungen folgerte, brachte ihm zwar die Ueberzeugung bei, daß man Alles von diesem verschlossenen Mann zu fürchten habe, dem das Unglück Anderer noch ein Lächeln entlocken konnte. Gewiß, ein böser Mensch war Negoro, mußte er deshalb aber auch schon ein Verbrecher sein? Dick Sand’s grundguter Charakter sträubte sich gegen eine solche Annahme. Und doch, konnte man überhaupt gegen einen Anderen Verdacht hegen? Nein! Die wackeren Neger hatten die Grotte keinen Augenblick verlassen, während Negoro mehrfach am Strande umherschweifte. Nur er allein konnte der Schuldige sein. Dick Sand beschloß demnach, Negoro direct zu fragen und ihn bei seiner Wiederkehr nöthigenfalls untersuchen zu lassen. Er mußte wenigstens wissen, woran er war.

Die Sonne neigte sich dem Horizonte zu. Zu jener Jahreszeit hatte sie den Aequator noch nicht überschritten, um der nördlichen Halbkugel die größere Menge Licht und Wärme zuzuführen, aber sie war schon nahe daran.