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Alle Bier hingen die Gewehre über die Schultern und gingen rasch dem Unbekannten entgegen.

Bei ihrer Annäherung gab jener zuerst und unverkennbar Zeichen des höchsten Erstaunens kund. Sicherlich erwartete er nicht, hier an der Küste fremden Leuten zu begegnen. Offenbar hatte er auch das Wrack des »Pilgrim« noch nicht gesehen, wodurch sich ihm die Anwesenheit der Schiffbrüchigen auf natürliche Weise erklärt hätte. Im Laufe der Nacht hatte die Brandung übrigens den Rumpf ziemlich vollständig zerstört, so daß von diesem nur verschiedene umherschwimmende Trümmer übrig waren.

Im ersten Augenblicke wollte der Unbekannte, als er die vier Männer auf sich zukommen sah, sofort umkehren. Er trug eine Flinte am Bande, welche er erst schnell zur Hand nahm, dann aber eiligst über die Schulter warf. Seine Lage mochte ihm wohl etwas mißlich erscheinen.

Dick Sand machte eine grüßende Bewegung, welche der Unbekannte offenbar verstand, denn er wagte sich nach einigem Zögern heran.

Jetzt konnte der Leichtmatrose ihn genauer in’s Auge fassen.

Es war ein kräftiger, höchstens vierzig Jahre alter Mann mit feurigem Blicke, mäßig grauem Kopf-und Barthaar und sonnenverbranntem Gesicht, ähnlich einem Nomaden, der sein ganzes Leben in der freien Luft des Waldes oder Feldes zugebracht hat. Als Kleidung trug er eine Art Blouse von gegerbtem Felle, einen breitkrämpigen Hut auf dem Kopfe und große bis über die Kniee reichende Wasserstiefeln, an denen Sporen mit großen Rädchen klirrten.

Dick Sand erkannte zuerst – und täuschte sich hierin auch nicht – daß er keinen Indianer, wie sie gewöhnlich durch die Pampas streifen, vor sich habe, sondern einen jener fremden, meist wenig Vertrauen erweckenden Abenteurer, die in menschenleeren Gegenden umherzuirren lieben. Seine etwas steife Haltung und einige röthlich gefärbte Barthaare schienen darauf hinzudeuten, daß jener der englischen Race angehörte. Jedenfalls war es weder ein Indianer noch ein Spanier.

Diese Annahme erhielt dadurch eine weitere Bestätigung, daß derselbe, als Dick Sand ihm ein: »Willkommen!« in englischer Sprache zurief, in derselben Sprache und ohne merkbare fremde Betonung antwortete.

»Seid auch Ihr willkommen, mein junger Freund!« sagte der Unbekannte, der auf den Leichtmatrosen zuschritt und ihm die Hand schüttelte; den Negern gegenüber begnügte er sich mit einer leichten Handbewegung, ohne ein Wort an diese zu richten.

»Seid auch Ihr willkommen, mein junger Freund!« (S. 168.)

»Sie sind ein Engländer? fragte er den Leichtmatrosen.

– Amerikaner, antwortete Dick Sand.

– Aus dem Süden?

– Nein, aus dem Norden.«

Diese Antwort schien dem Unbekannten zu gefallen, denn er schüttelte die Hand des Leichtmatrosen noch einmal und kräftiger, wie es die Amerikaner zu thun pflegen.

»Und darf ich fragen, mein junger Freund, wie Sie nach dieser Küste gekommen sind?«

Noch bevor Dick Sand antworten konnte, zog der Unbekannte plötzlich den Hut und verneigte sich höflich grüßend.

Mrs. Weldon war nämlich bis zum Flußufer herangekommen und stand ihm jetzt gerade gegenüber.

Sie übernahm es, die nöthige Aufklärung zu geben.

»Wir sind Schiffbrüchige, mein Herr, sagte sie, deren Schiff auf diesen Klippen zu Grunde gegangen ist!«

Ueber das Gesicht des Unbekannten flog ein Zug von Mitleid, während seine Blicke das Fahrzeug suchten, das auf die Küste geworfen sein sollte.

»Von unserem Schiff ist nichts mehr vorhanden, erklärte der Leichtmatrose. Während der Nacht hat die Brandung es vollends zerstört.

– Unsere erste Frage, mein Herr, fuhr Mrs. Weldon fort, geht nun dahin, von Ihnen zu erfahren, wo wir eigentlich sind.

– Sie befinden sich hier an der Küste Südamerikas, erwiderte der Unbekannte, den diese Frage in Verwunderung zu setzen schien. Könnten Sie hierüber wirklich in Zweifel sein?

– Leider, mein Herr, denn der Sturm hätte uns recht wohl aus unserem Kurse verschlagen können, den ich genau zu controliren nicht im Stande war, antwortete Dick Sand. Doch ich hätte von Ihnen gern eine genauere Auskunft. Ich hielt dieses Land für die Küste von Peru.

– Nein, mein junger Freund! Etwas weiter südlicher. Sie sind an der Küste Bolivias gestrandet.

– Ah so!

– Und Sie befinden sich im südlichen Theil Bolivias, der an Chili grenzt.

– Wie heißt wohl jene Landspitze? fragte Dick Sand, indem er nach dem im Norden von ihnen gelegenen Vorgebirge hinwies.

– Den Namen derselben weiß ich selbst nicht, antwortete der Unbekannte, denn wenn ich das Innere des Landes auch so ziemlich kenne, da ich dasselbe wiederholt durchstreift habe, so besuche ich diese Küste doch zum ersten Male.«

Dick Sand dachte kurze Zeit über das eben Vernommene nach. Es verwunderte ihn nicht allzu sehr, denn seine Schätzungen bezüglich der Meeresströmungen konnten oder mußten ihn jedenfalls getäuscht haben; doch erwies sich der Irrthum als nicht beträchtlich. Wenn er angenommen hatte, sich zwischen dem siebenundzwanzigsten und dem dreißigsten Breitengrade zu befinden, wozu ihn das Insichtkommen der Osterinsel zu berechtigen schien, und die Strandung erfolgte dann unter dem fünfundzwanzigsten Grade, so betrug die Abweichung des »Pilgrims« von seinem richtigen Kurse in der That nur wenig.

Nichts berechtigte ihn, die Angaben des Fremdlings zu bezweifeln, und befand sich die kleine Gesellschaft hier an der unteren Küste Bolivias, so erschien es ganz natürlich, sie so verlassen zu finden.

»Ihren Worten nach, mein Herr, begann der Leichtmatrose wieder, muß ich annehmen, daß uns von Lima eine große Strecke trennt.

– O, Lima, das liegt sehr weit von hier… dort oben weit im Norden!«

Da Negoros Verschwinden der Mrs. Weldon einmal ein gewisses Mißtrauen eingeflößt hatte, betrachtete sie den Ankömmling mit größter Aufmerksamkeit, entdeckte aber weder in dessen Auftreten noch in seiner Ausdrucksweise irgend etwas, was ihn hätte verdächtig erscheinen lassen.

»Halten Sie meine Frage nicht für indiscret, mein Herr, begann sie darauf, Sie scheinen nicht selbst aus Bolivia zu sein?

– Ich bin Amerikaner wie Sie, Mistreß… antwortete der Unbekannte, welcher einen Augenblick die Stimme anhielt, wie um den Namen der Amerikanerin zu hören.

– Mistreß Weldon, stellte die Dame sich ihm vor.

– Mein Name ist Harris; ich bin in Süd-Carolina zu Haus. Seit zwanzig Jahren schon hab’ ich mein Vaterland mit den Pampas Bolivias vertauscht, und es macht mir ein besonderes Vergnügen, einmal wieder Landsleute zu sehen.

– Sie wohnen in diesem Theile der Provinz, Herr Harris? fragte Mrs. Weldon.

– Nein, Mistreß Weldon, ich wohne weiter im Süden, an der Grenze Chilis, und bin eben auf der Reise nach Atacama im Nordosten.

– Befinden wir uns etwa am Rande der gleichnamigen Wüstenei? fragte Dick Sand.

– So ist es, mein junger Freund; diese menschenleere Gegend erstreckt sich bis weit jenseits der Berge, die dort den Horizont abschließen.

– Die Einöde von Atacama? wiederholte Dick Sand.

– Eben dieselbe, antwortete Harris. Diese verlassene Gegend bildet in Südamerika fast ein Land für sich, so sehr unterscheidet sie sich in verschiedenen Beziehungen von den umliegenden Gegenden. Es ist das ebenso der merkwürdigste wie der am wenigsten bekannte Theil des Continentes.

– Und doch reisen Sie hier allein? fragte Mrs. Weldon.

– O, ich mache diesen Weg nicht zum ersten Male! antwortete der Amerikaner. Etwa zweihundert Meilen von hier findet sich eine ausgedehnte Farm, die Hacienda de San Felipe, welche einem meiner Brüder gehört, und zu dem ich mich wegen einiger Handelsgeschäfte begebe. Wollen Sie mir dahin folgen, so dürfen Sie einer freundlichen Aufnahme sicher sein; auch kann es ihnen dort nicht an Transportmitteln fehlen, um die Stadt Atacama zu erreichen. Mein Bruder wird sich glücklich schätzen, Ihnen dienen zu können.«