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Das freiwillige Angebot stimmte die Dame schon mehr zu Gunsten des Amerikaners, der sich noch einmal an Mrs. Weldon wendete.

»Jene Schwarzen sind wohl Ihre Sklaven?«

Er wies dabei mit der Hand auf Tom und dessen Gefährten.

»In den Vereinigten Staaten giebt es keine Sklaven mehr, erwiderte Mrs. Weldon lebhaft. Der Norden hat die Sklaverei schon lange abgeschafft und der Süden hat seinem Beispiele folgen müssen.

– O, das ist brav, antwortete Harris. Ich vergaß ja gänzlich, daß der Krieg von 1862 diese wichtige Frage zum Austrag gebracht hat. Ich bitte die wackeren Leute um Verzeihung, fügte er mit leiser Ironie hinzu, von welcher er sich als Amerikaner aus dem Süden der Republik nicht befreien konnte, wenn er mit Negern sprach. Doch als ich jene Gentlemen in Ihren Diensten sah, glaubte ich…

– Sie sind weder heut’ in meinem Dienste, sagte Mrs. Weldon sehr ernst, noch sind sie es jemals gewesen.

– Wir würden es uns zur Ehre anrechnen, Ihnen zu dienen, Mistreß Weldon, ließ sich da der alte Tom vernehmen. Doch diene Herrn Harris zur Nachricht, daß wir Niemandem angehören. Ich selbst bin zwar noch Sklave gewesen und wurde im Alter von sechs Jahren in Afrika verkauft, mein Sohn Bat hatte aber einen schon frei gewordenen Vater und alle meine Gefährten dort wurden von freien Eltern geboren.

– Ich wünsche Ihnen dazu alles Glück! erwiderte Harris in einem Tone, der Mrs. Weldon nicht sehr ernsthaft erschien. Wir in Bolivia haben übrigens keine Sklaven. Hier ist also nichts für Sie zu fürchten und Sie können sich ebenso unbeanstandet bewegen wie in den Staaten Neu-Englands!«

In diesem Augenblicke erschien der kleine Jack, der sich noch die Augen rieb, von Nan gefolgt, vor der Grotte.

Als er seine Mutter sah, lief er auf diese zu. Mrs. Weldon schloß ihn zärtlich in die Arme.

»Welch’ hübsches Kind! rief der Amerikaner aus und schritt auf Jack zu.

– Es ist mein Sohn, antwortete Mrs. Weldon.

– O, Mistreß Weldon, so müssen Sie doppelt gelitten haben, wenn Sie auch Ihr Kind so vielen Gefahren ausgesetzt sahen.

– Gott hat ihn mir ja, ebenso wie uns, gnädig erhalten, Herr Harris, sagte die Dame.

– Gestatten Sie mir, seine lieblichen Wangen zu küssen? fragte Harris.

– Recht gern!« antwortete Mrs. Weldon.

Das Gesicht des »Herrn Harris« schien dem kleinen Jack aber gar nicht zu gefallen, denn er drückte sich nur dichter an seine Mutter.

»Wie! sagte Harris, Du willst Dich nicht von mir umarmen lassen? Fürchtest Dich wohl vor mir, mein kleiner Prinz?

– Entschuldigen Sie, Herr Harris, trat Mrs. Weldon für ihr Söhnchen ein, er ist von Natur etwas schüchtern.

– Nun, wir werden ja weitere Bekanntschaft machen! beruhigte sich Harris. Auf der Hacienda wird er schon seine Freude haben, einen kleinen edlen Ponny zu reiten, der ihn mit mir aussöhnen wird!«

Doch auch das Angebot eines »edlen Ponny« schmeichelte Jack offenbar gar nicht oder doch ebensowenig, wie die Aussicht, von Harris umarmt zu werden.

Mrs. Weldon, der die Situation etwas unangenehm erschien, beeilte sich, dem Gespräche eine andere Wendung zu geben. Sie wünschte es zu verhüten, daß ein Mann, der seine guten Dienste so selbstlos anbot, ohne Ursache beleidigt wurde.

Dick Sand ließ sich inzwischen den so unerwarteten Vorschlag, nach der Hacienda de San Felipe zu ziehen, durch den Kopf gehen. Nach Harris’ Angabe handelt es sich dabei um einen zweihundert Meilen langen, durch Wälder und offene Ebenen hinführenden Weg – jedenfalls um eine beschwerliche Reise, da ihnen ja keinerlei Transportmittel zu Gebote standen.

Der junge Leichtmatrose machte also einige Einwendungen in dieser Beziehung und erwartete gespannt die Antwort des Amerikaners.

»Die Reise ist zwar etwas lang, erwiderte Harris, dafür habe ich aber dort, wenig hundert Schritte hinter der Uferbiegung, ein Pferd stehen, das ich Mistreß Weldon und ihrem Sohne zur Verfügung zu stellen gedenke. Für uns wird es nicht schwer, la nicht einmal besonders anstrengend sein, den Weg zu Fuß zurückzulegen. Wenn ich übrigens von zweihundert Meilen sprach, so gilt diese Angabe nur für den Fall, daß wir den Weg längs des Flusses einschlagen, auf dem ich an die Küste herabkam. Gehen wir dagegen quer durch den Wald, so würde sich die Entfernung um gut achtzig Meilen vermindern; rechnen wir zehn Meilen auf den Tag, so dürften wir meiner Ansicht nach ohne allzu große Beschwerde die Hacienda binnen zwölf Tagen erreichen.«

Mrs. Weldon dankte dem Amerikaner.

»Sie können mir nicht besser danken, antwortete Harris, als dadurch, daß Sie meinen Vorschlag annehmen. Zog ich auch noch nie durch diesen Wald, so wird mir der Weg durch denselben doch bestimmt nicht schwer zu finden sein, da ich die Pampas schon lange gründlich kenne. Doch eine Frage ist hierbei zu erwägen, nämlich die bezüglich der Nahrungsmittel. Ich selbst besitze leider nicht mehr, als was ich nothwendiger Weise brauche, um bis zur Hacienda de San Felipe zu gelangen…

– Wir, Herr Harris, fiel da Mrs. Weldon ein, haben dagegen glücklicher Weise Ueberfluß an Nahrungsmitteln und werden uns glücklich schätzen, mit Ihnen zu theilen.

– Nun, Mistreß Weldon, so scheint sich ja Alles nach Wunsch zu gestalten und wir brauchen also nur aufzubrechen.«

Harris wandte sich schon dem Flußufer zu, um sein Pferd von der Stelle, wo er es angebunden hatte, zu holen, als ihn Dick Sand noch einmal durch eine Frage zurückhielt.

Die Küste zu verlassen und sich durch diesen endlosen Wald in das Landesinnere zu begeben, war nun einmal nicht nach dem Sinne des jungen Leichtmatrosen. In ihm erwachte der Seemann wieder und er hätte es offenbar vorgezogen, längs der Küste hinauf oder hinunter zu ziehen.

»Warum, Herr Harris, begann er, sollen wir aber einhundertzwanzig Meilen durch die Einöde von Atacama wandern und nicht lieber dem Meeresufer folgen? Bei gleicher Entfernung scheint mir’s doch rathsamer, die nächste Stadt im Norden oder Süden aufzusuchen?

– Ja, mein junger Freund, entgegnete Harris mit leichtem Runzeln der Stirne, unter drei-bis vierhundert Meilen findet sich leider keine Stadt an der Küste, die ich selbst nur unvollkommen kenne.

– Nach Norden hin, ja, warf Dick Sand ein, aber im Süden?…

– Nach Süden zu, versetzte der Amerikaner, müßten wir bis nach Chili hinabwandern. Das ist ein sehr weiter Weg und an Ihrer Stelle zöge ich nicht unnöthig längs der Pampas der Argentinischen Republik hin. Was mich selbst betrifft, so würde ich Sie zu meinem Bedauern dorthin nicht begleiten können.

– Kommen denn die Schiffe, welche von Chili nach Peru gehen, nicht in Sicht dieser Küste vorüber?

– Nein, antwortete Harris. Sie halten sich weit draußen auf offener See und Sie werden auch schwerlich einem solchen begegnet sein.

– Das ist richtig, bemerkte Mrs. Weldon. – Nun, Dick, hast Du noch irgend eine Frage an Herrn Harris zu richten?

– Eine einzige, Mistreß Weldon, antwortete der Leichtmatrose, der nur ungern zustimmte. Ich möchte Herrn Harris fragen, in welchem Hafen er wohl glaube, daß wir ein Schiff antreffen können, um nach San Francisco zurückkehren zu können?

»Welch’ hübsches Kind!« rief der Amerikaner. (S. 173.)

– Meiner Treu, junger Freund, erwiderte der Amerikaner, das weiß ich freilich selbst nicht. Ich weiß nur das eine, daß wir in der Hacienda de San Felipe Gelegenheit finden werden, die Stadt Atacama zu erreichen und von da aus…

– Glauben Sie ja nicht, Herr Harris, fiel da Mrs. Weldon ein, daß Dick Sand zögert, Ihr Anerbieten anzunehmen.