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Dort stand, an einen Baum gebunden, ein Pferd. (S. 180.)

– O nein, Mistreß Weldon, gewiß nicht, ich zögere nicht, bestätigte der Leichtmatrose, aber ich bedauere noch immer, daß es mir nicht vergönnt war, Sie wenige Grade weiter nördlich oder südlich an’s Land zu setzen. Wir wären dann ganz in der Nähe eines Hafens gewesen, und da dieser Umstand unsere Heimkehr wesentlich erleichtert hätte, brauchten wir Herrn Harris’ Güte nicht in Anspruch zu nehmen.

– Fürchten Sie nicht, mich zu belästigen, Mistreß Weldon, bemerkte darauf der Amerikaner. Ich wiederhole Ihnen, daß ich gar so selten Gelegenheit habe, Landsleute begrüßen zu können. Mir wird es nur ein Vergnügen sein, Ihnen zu dienen.

– Wir nehmen Ihr Anerbieten an, Herr Harris, antwortete Mrs. Weldon, doch Ihres Pferdes möchte ich Sie nicht berauben. Ich bin eine gute Fußgängerin…

– Und ich ein sehr guter Fußgänger, fiel Harris mit höflicher Verneigung ein. Bei meinem Gewohntsein an lange Reisen durch die Pampas brauchen Sie von mir keine Verzögerung unserer Caravane zu befürchten. Nein, nein, Mistreß, Sie und Ihr kleiner Jack, niemand Anderer wird das Pferd benutzen. Möglicher Weise begegnen wir auch unterwegs einigen Leuten von der Hacienda, und da diese stets beritten sind, so werden sie uns ihre Thiere abtreten.«

Dick Sand begriff, daß er durch weitere Einwürfe Mrs. Weldon nur in Verlegenheit bringen würde.

»Wann werden wir abreisen, Herr Harris? fragte er.

– Noch heute, mein junger Freund, erwiderte der Angeredete. Mit dem Monat April beginnt die Regenzeit und wir müssen die Hacienda de San Felipe womöglich noch vorher erreichen. Alles in Allem ist der Weg quer durch den Wald noch der kürzeste und vielleicht auch der sicherste. Er ist den Einfällen der nomadisirenden Indianer weniger ausgesetzt als die Küste.

– Tom und Ihr, meine Freunde, erwiderte Dick Sand, indem er sich an die Neger wendete, wir haben also nur die nöthigsten Vorbereitungen zur Abreise zu treffen. Aus der Schiffsprovision wollen wir nur dasjenige auswählen, was sich am bequemsten transportiren läßt, und daraus einzelne Bündel herstellen, so daß Jeder seinen Theil trägt.

– Herr Dick, meldete sich da Herkules, wenn Sie wünschen, trage ich die ganze Ladung allein.

– O nein, mein wackerer Herkules, lehnte der Leichtmatrose ab, es ist besser, wir vertheilen die Last auf Alle.

– Ihr seid ein handfester Reisegefährte, Herkules, sagte da Harris, der den Neger mit einem Blicke maß, als ob dieser käuflich wäre. Auf einem Markte Afrikas würdet Ihr einen hohen Preis erzielen.

– Ich bin ebenso viel werth, als an mir ist, antwortete Herkules lächelnd, und die Käufer sollten wohl Fersengeld zahlen, wenn sie mich fangen wollten!«

Da nun Alles geordnet war, ging Jeder an die Arbeit, um den Aufbruch zu beschleunigen. Es handelte sich dabei ja allein um die Verproviantirung der kleinen Gesellschaft auf die Reise von der Küste bis zur Hacienda, d.h. etwa während zwölf Tagereisen.

»Bevor wir aber aufbrechen, Herr Harris, begann da Mrs. Weldon, und bevor wir Ihre Gastfreundschaft annehmen, bitte ich Sie, die unsere nicht abzuweisen. Wir bieten sie Ihnen aus gutem Herzen an.

– Ich danke Ihnen, Mistreß Weldon, ich danke Ihnen von Herzen, antwortete Harris.

– In wenig Minuten wird unser Frühstück bereitet sein.

– Sehr schön, Mistreß Weldon, diese zehn Minuten will ich benützen, mein Pferd zu holen und hierherzuführen. Das hat jetzt gewiß schon gefrühstückt.

– Darf ich Sie begleiten, mein Herr? fragte Dick Sand den Amerikaner.

– Ganz nach Ihrem Belieben, junger Freund! antwortete Harris; kommen Sie, kommen Sie, ich werde Ihnen den unteren Lauf des Flusses zeigen!«

Beide entfernten sich.

In der Zwischenzeit wurde Herkules ausgeschickt, den Entomologen aufzusuchen. Vetter Benedict kümmerte sich nicht im Geringsten darum, was um ihn her vorging. Er irrte auf dem Rande der Uferwand umher, immer nach einem »unentdeckbaren« Insect forschend, das er denn auch nicht finden sollte.

Herkules führte ihn trotz seines Sträubens zurück. Mrs. Weldon theilte ihm mit, daß man sich entschieden habe, von hier aufzubrechen und einen etwa zehn Tage in Anspruch nehmenden Zug durch das Innere des Landes ausführen wolle.

Vetter Benedict antwortete, daß er bereit sei, mitzugehen, und daß es ihm noch weit lieber sein würde, ganz Amerika zu durchwandern, wenn man ihn unterwegs nur »sammeln« lasse.

Mit Nan’s Unterstützung bereitete Mrs. Weldon einstweilen eine kräftige Mahlzeit – vor einer langen Fußtour gewiß eine berechtigte Vorsicht.

Harris war, von Dick Sand begleitet, inzwischen hinter der Biegung des Ufers verschwunden. Beide folgten dem Flußrande etwa dreihundert Schritte weit hin. Dort stand, an einen Baum gebunden, ein Pferd, das bei der Annäherung seines Herrn freudig wieherte.

Es war ein kräftiges Thier von einer Dick Sand unbekannten Race. Der schlanke Hals und der lange Rücken, die flachen Schultern und die fast gebogene Blässe verriethen dem Kenner jedoch sofort, daß es einer Art angehörte, welche man von arabischem Ursprunge ableitet.

»Sie sehen selbst, junger Freund, begann Harris, daß ich hier ein kräftiges Roß stehen habe, auf dessen Ausdauer wir während des Marsches zählen können.«

Harris band das Thier los, faßte es am Zügel und ging vor Dick Sand her am Flußufer wieder hinab. Dieser hatte schnell einen prüfenden Blick über die Umgebungen und auch in den Wald, der die beiden Ufer umsäumte, hineingeworfen, konnte aber nichts entdecken, was einen Verdacht erregt hätte.

Als er sich dem Amerikaner wieder anschloß, stellte er ihm plötzlich folgende Frage, welche diesem gewiß unerwartet kommen mußte:

»Herr Harris, fragte er, Sie haben in voriger Nacht vielleicht einen Portugiesen, Namens Negoro getroffen?

– Negoro? antwortete Harris mit einem Tone, wie Jemand, der gar nicht versteht, was man zu ihm spricht. Wer ist dieser Negoro?

– Es war der Schiffskoch, erwiderte Dick Sand, und er ist uns verschwunden.

– Vielleicht ertrunken?… sagte Harris.

– Nein, das nicht! erklärte Dick Sand. Gestern Abend war er noch bei uns; erst während der Nacht hat er uns verlassen und ist Allem Anscheine nach längs des Ufers hier flußaufwärts gegangen. Da Sie eben von dieser Seite her gekommen waren, fragte ich, ob Sie ihm vielleicht begegnet seien?

– Ich bin Niemand begegnet, versetzte der Amerikaner, und hat Ihr Koch sich allein in den Wald gewagt, so läuft er freilich Gefahr, sich darin zu verirren. Vielleicht treffen wir ihn unterwegs noch wieder?

– Ja… vielleicht!« antwortete Dick Sand.

Als die Beiden die Grotte erreicht hatten, stand das Frühstück bereit. Es bestand ebenso wie das gestrige Abendbrot aus verschiedenen Conserven nebst »Corned-beef« und Zwieback. Harris that ihm, als ein von Natur mit gutem Appetit ausgestatteter Mann, alle Ehre an.

»Ah, sehr schön, sagte er, ich sehe, daß wir unterwegs nicht vor Hunger umkommen werden, dasselbe möchte ich von dem armen Teufel von Portugiesen, dessen mir unser junger Freund erwähnte, freilich nicht behaupten.

– Dick Sand hat Ihnen also erzählt, daß wir Negoro seit gestern nicht wiedergesehen haben?

– Ja, Mistreß Weldon, erklärte ihr der Leichtmatrose gleich selbst. Ich wünschte zu erfahren, ob Herr Harris ihm nicht vielleicht begegnet sei.

– Was aber nicht der Fall war, fuhr Harris fort. Allein wir lassen den Deserteur also stecken, wo er will, und denken nun an den Aufbruch. – Wenn es Ihnen gefällig wäre, Mistreß Weldon.«

Jeder ergriff das für ihn bestimmte Packet. Mrs. Weldon nahm, von Herkules unterstützt, auf dem Pferde Platz, und der undankbare kleine Jack setzte sich, die Flinte am Bande tragend, mit gekreuzten Beinen darauf, ohne daran zu denken, Dem seinen Dank zu sagen, der ihm dieses treffliche Reitthier zur Verfügung stellte.