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Einige Augenblicke später lagen mit Ausnahme des wachehaltenden Riesen Alle in süßer Ruhe.

Siebenzehntes Capitel.

Hundert Meilen in zehn Tagen.

Gewöhnlich werden die Reisenden oder die Waldläufer, welche unter freiem Himmel die Nacht im Urwalde zubrachten, des Morgens durch ein ebenso verwirrtes wie unangenehmes Geheul erweckt. In einem solchen Morgenconcerte hört man von Allem etwas, ein Glucken und Grunzen, ein Krächzen und Kichern, ein Bellen und Plappern und was die verschiedensten Thiere sonst noch an Lauten erzeugen.

Meist sind es jedoch zahlreiche Affen, die den Morgen in dieser Weise begrüßen. Hier begegnen sich der kleine »Marikina«, die »Meerkatze« mit gesprenkeltem Gesichte, der »graue Mono«, dessen Fell die Indianer als Schutzdecke über ihre Flintenschlösser benützen, der an zwei langen Haarbüscheln erkennbare »Sagou« und noch manche andere Arten dieser vielgestaltigen Familie.

Die merkwürdigsten unter diesen Vierhändern sind ohne Zweifel jedoch die »Gueribas« mit Greiferschwanz und einem wahren Belzebubgesichte. Sobald die Sonne sich erhebt, intonirt der Aelteste der Bande mit imposanter, aber dumpfer Stimme einen monotonen Psalm. Er stellt den Bariton der Truppe vor. Nach ihm wiederholen die jungen Tenöre diese Morgen-Die Indianer sagen dann, die Gueribas »beten ihre Paternoster ab«.

Gerade heute schienen die Affen aber ihr Morgengebet zu versäumen, denn man hörte keinen Laut, obwohl ihre Stimme sehr weittragend ist, was man von der starken Vibration der Luft in einer im Zungenbeine ausgehöhlten Vertiefung herleitet.

Kurz, aus irgend einem beliebigen Grunde intonirten weder die Gueribas, noch die Sagous oder andere verwandte Vierhänder ihr gewohntes Concert.

Nomadisirenden Indianern wäre das nicht angenehm gewesen. Hiermit ist zwar nicht gesagt, daß jene diese Art Choralmusik allzusehr liebten, aber sie machen gern Jagd auf die Affen, weil das Fleisch derselben, vorzüglich in geräuchertem Zustande, von ganz ausgezeichneter Qualität ist.

Dick Sand und seine Gefährten waren ohne Zweifel mit den Gewohnheiten der Gueribas nicht vertraut, sonst würden sie erstaunt gewesen sein, jene nicht zu hören. Einer nach dem Anderen wachten sie auf, wohlgestärkt durch die wenigen Ruhestunden, welche gänzlich ohne Störung verliefen.

Der kleine Jack war nicht der Letzte, die Arme auszudehnen und zu strecken. Seine erste Frage ging dahin, zu hören, ob Herkules während der Nacht einen Wolf aufgezehrt habe. Nun hatte sich leider kein Wolf gezeigt und Herkules also auch noch nicht gefrühstückt.

Uebrigens waren ja Alle noch ebenso nüchtern, wie er, und nach einem kurzen Morgengebete beeilte sich Nan, eine Mahlzeit herzurichten.

Der Speisezettel glich dem vom Abend vorher wie ein Ei dem anderen; bei dem durch frische Waldluft gereizten Appetit war jedoch kein Tischgast allzu wählerisch. Es kam ja vor Allem nur darauf an, für den zweiten tüchtigen Marschtag neue Kräfte zu sammeln, und das versäumte man auch nicht. Vielleicht zum ersten Male in seinem Leben entdeckte Vetter Benedict, daß das Essen keine gleichgiltige oder gar unnütze Sache sei. Er erklärte nur rund heraus, er sei nicht gekommen, dieses Land mit den Händen in den Taschen zu »besuchen«, und daß Herkules, wenn er ihn noch einmal hindern sollte, Cocuyos und andere Leuchtfliegen einzufangen, es mit ihm zu thun haben werde.

Diese Drohung schien auf unseren Riesen freilich keinen sehr tiefen Eindruck zu machen, doch nahm ihn Mrs. Weldon gelegentlich bei Seite und sagte, er könne ihr großes Kind vielleicht rechts und links nebenher schweifen lassen, nur solle er den Gelehrten nie aus den Augen verlieren. Man durfte Vetter Benedict ja nicht gänzlich der seinem Alter entsprechenden Vergnügungen berauben.

Um sieben Uhr Morgens setzte sich die kleine Gesellschaft wieder in der Richtung nach Osten in Bewegung, wobei sie die schon am vorhergehenden Tage beobachtete Zugordnung einhielt

Noch war der Wald nicht zu Ende. Von diesem jungfräulichen Boden, wo Wärme und Feuchtigkeit zusammenwirkten, die Vegetation zu unterstützen, mußte man ein überreiches Pflanzenthum wohl voraussetzen. Der Breitegrad dieser umfänglichen Ebene fiel fast mit denen der Tropengegenden zusammen, und während einiger Sommermonate mußte die nahe dem Zenith culminirende Sonne beinahe senkrechte Strahlen herabsenden. In dem Erdboden, dessen Untergrund sich stets feucht erhielt, war also eine ungeheuere Wärmemenge aufgespeichert. Man konnte sich aber auch kaum ein bezaubernderes Naturbild vorstellen, als diese Reihe von Wäldern oder vielmehr diesen Wald ohne Ende.

Eine auffallende Beobachtung hatte sich indessen Dick Sand aufgedrängt, da man sich nach Harris’ Aussage in den Pampas befinden sollte. Das Wort, Pampa« nämlich gehört der »Quichuasprache« an und bedeutet so viel wie »Ebene«. Täuschte ihn seine Erinnerung nicht, so boten diese Ebenen aber folgendes Aussehen: Mangel an Wasser und Bäumen, ebenso wie an Gestein; während der Regenzeit üppig wuchernde Distelmassen, welche sich in der warmen Jahreszeit fast zu Sträuchen entwickeln und ein undurchdringliches Gewirre bilden; ferner enthalten die Pampas meist einige Zwergbäume und stachliche Gesträuche; Alles aber verleiht diesen Ebenen ein mehr trockenes, trostloses Aussehen.

Ein ganz anderer Anblick bot sich jedoch der von dem Amerikaner geführten kleinen Gesellschaft, seitdem sie die Küste verlassen. Hier dehnte sich der Wald bis zu den Grenzen des Horizontes aus. Nein, das war nicht eine solche Pampa, wie der Leichtmatrose sie sich vorstellte. Sollte die Natur, wie Harris behauptete, dieses Plateau von Atacama wirklich so abweichend von seiner Umgebung geschaffen haben, während er von demselben nichts weiter wußte, als daß es eine der umfänglichsten Wüsteneien Südamerikas zwischen der Andenkette und dem Stillen Ocean darstellte?

Dick Sand richtete jenes Tages auch einige bezügliche Fragen an den Amerikaner und verhehlte demselben seine Verwunderung über dieses ungewöhnliche Aussehen der Pampa nicht.

Er wurde von Harris aber schnell eines Besseren belehrt, indem er über diesen Theil Bolivias die eingehendsten Einzelheiten mittheilte, die von seiner genauen Kenntniß des Landes zeugten.

»Sie haben ganz Recht, mein junger Freund, sagte er zu dem Leichtmatrosen. Die eigentliche Pampa entspricht vollständig der Schilderung, wie Sie dieselbe aus Reisewerken kennen, d.h. sie bildet eine dürre, trostlose Ebene, welche dem Wanderer oft die größten Schwierigkeiten bietet. Sie erinnert unwillkürlich an die Savannen Nordamerikas – nur daß diese etwas mehr sumpfiger Natur sind. Einen solchen Charakter zeigt z.B. die Pampa des Rio Colorado, zeigen die »Ilanos« des Orinoco und des Venezuela. Hier dagegen reisen wir in einer Gegend, deren Anblick mich gar nicht Wunder nimmt. Freilich mache ich die Reise quer durch das Plateau, welche den Vortheil hat, unseren Weg abzukürzen, selbst zum ersten Male. Wenn ich jenes auch noch niemals sah, so weiß ich doch, daß es sich von den eigentlichen Pampas sehr wesentlich unterscheidet. Eine solche treffen Sie zwischen der westlichen Cordillere und der hohen Andenkette überhaupt nicht an, sondern würden Sie erst jenseits der Berge in dem ganzen östlichen Theile des Continentes bis zum Atlantischen Ocean finden.

– Werden wir die Kette der Anden übersteigen? fragte Dick Sand lebhaft.

– Nein, mein junger Freund, das nicht, erwiderte lächelnd der Amerikaner. Ich sagte auch. Sie würden, nicht. Sie werden eine solche finden. Halten Sie sich versichert, daß wir dieses Plateau, dessen größte Höhen nur fünfzehnhundert Fuß erreichen, nicht verlassen werden. O, wenn wir mit den uns zur Verfügung stehenden Transportmitteln die Anden übersteigen müßten, hätte ich Sie nicht zu einer so gefährlichen Reise überredet.