Erreicht wohl die Ziffer dieses verabscheuungswerthen Exportes noch immer eine beträchtliche Höhe?
Leider ja! Man schätzt die Zahl der jährlich an den Ausfuhrplätzen anlangenden Sklaven auf 80.000, und diese Zahl repräsentirt dem Anscheine nach nur etwa den zehnten Theil der daneben hingemordeten Eingebornen. Nach solchen grauenvollen Schlächtereien liegen die verwüsteten Felder verlassen, sind die niedergebrannten Flecken menschenleer, schwemmen die Ströme Massen von Leichen hinab und nehmen die wilden Thiere von den verwüsteten Ländereien Besitz. Als Livingstone bald nach einer Menschenjagd in eine solche Gegend kam, erkannte er diese nicht wieder, obwohl er sie erst einige Monate vorher bereist hatte. Alle anderen Reisenden, wie Grant, Speke, Burton, Cameron und Stanley, schildern das bewaldete Plateau InnerAfrikas, den Schauplatz der zwischen den Häuptlingen geführten mörderischen Kriege, in ganz ähnlicher Weise. In dem Gebiete der großen Seen, in den weitausgedehnten Ländereien, welche die Quellenländer des Zanzibar darstellen, in Bornu und Fezzan, weiter im Süden, längs des Nyassa-und Zambesistromes, weiter im Osten, in den Districten des oberen Zaïra, welche Stanley unlängst todesmuthig durchwanderte – dasselbe Bild von Ruinen, dieselben Anzeichen des Massenmordes und der Entvölkerung! Sollte die Sklaverei in Afrika wirklich erst mit dem Untergange der schwarzen Race ein Ende nehmen, wie es mit der australischen Race in Neu-Holland der Fall war?
Und doch, der Markt in den spanischen und portugiesischen Kolonien maß sich in unseren Tagen schließen, der Absatz dahin wird unterbunden werden; die civilisirte Welt kann den Sklavenhandel nicht länger dulden.
Ja, dieses Jahr 1878 wird Zeuge der Befreiung aller in christlichen Staaten noch vorhandenen Sklaven sein. Die mohamedanischen Völker werden freilich diesen abscheulichen, den afrikanischen Continent entvölkernden Handel noch lange genug fortsetzen. Nach jenen Ländern findet in der That die weitaus bedeutendste Ueberführung von Negern statt, da die Zahl der, ihrer Heimat entführten und nach der Ostküste geschleppten Eingebornen jährlich 40.000 noch überschreiten soll. Vor dem Feldzuge nach Egypten wurden die Neger von Sennaar zu Tausenden an die von Darfur, und letztere umgekehrt an jene verkauft. General Buonaparte konnte damals eine große Menge dieser Neger käuflich erwerben, welche er zu einzelnen Corps, nach Art der Mameluken, organisirte. Während dieses Jahrhunderts, von dem vier Fünftel nun verflossen sind, hat der Sklavenhandel aber nicht ab-, sondern im Gegentheil zugenommen.
In der That begünstigte der Islam diesen Menschenschacher. Der schwarze Sklave mußte in dem muselmännischen Reiche den weißen Sklaven der früheren Zeit ersetzen. So betreiben denn Händler aus aller Herren Länder dieses verabscheuungswürdige Geschäft in größtem Maßstabe. Sie führen ein Supplement an Bevölkerung jenen Racen zu, welche dereinst verschwinden werden, da sie sich nicht durch die Arbeit regeneriren. Ganz wie zu Buonaparte’s Zeit werden diese Sklaven oft Soldaten. Bei einzelnen Völkern am oberen Niger bilden sie wohl die Hälfte der Heerhaufen der afrikanischen Regenten. In diesem Falle ist ihr Los übrigens kaum ein schlimmeres als das der freien Männer. Ist der Sklave aber nicht Soldat, so hat er einen Werth als Münze, welche selbst in Egypten Kurs hat, und in Bornu werden, nach der Mittheilung Wilhelm Lejean’s als Augenzeugen, Officiere und Beamte oft mit solchem Gelde bezahlt.
Sollen wir noch hinzufügen, daß nicht wenige Vertreter der europäischen Großmächte sich nicht scheuen, diesem Schacher gegenüber eine bedauernswerthe Nachsicht an den Tag zu legen? Leider ist es an dem, und obwohl kreuzende Schiffe die Küsten des Atlantischen und Indischen Oceans unausgesetzt bewachen, so blüht der Handel im Innern ruhig weiter, ziehen die Karawanen unter den Augen gewisser Regierungsagenten ungehindert dahin und wiederholen sich die gräßlichen Schlächtereien, bei denen zehn Neger ermordet werden, um einen Sklaven zu erbeuten, immer in bestimmten Zwischenräumen.
Der Leser begreift nun wohl die schreckliche Wirkung der Worte Dick Sand’s, als er ausrief:
»Afrika! Das äquatoriale Afrika! Das Land der Sklavenhändler und der Sklaven!«
Er täuschte sich wirklich nicht: das war Afrika mit allen, ihm und seinen Gefährten drohenden Gefahren.
An welcher Stelle des afrikanischen Continentes aber hatte ein wirklich unerklärliches Geschick ihn aus Land geworfen? Offenbar an einem Punkte der Westküste und leider – glaubte der junge Leichtmatrose annehmen zu müssen, daß der »Pilgrim« an dem Gestade von Angola gescheitert sei, d.h. gerade an dem Ausfuhrplatze, nach welchen die, diesen Theil Afrikas so schwer schädigenden Karawanen zu ziehen pflegen.
In der That, hier war es. Es war das Land, welches Cameron im Süden und Stanley im Norden einige Jahre später, aber um den Preis welcher Mühsale und Entbehrungen, durchzogen! Von diesem ausgedehnten, aus den drei Provinzen Benguela, Congo und Angola bestehenden Gebiete kannte man bisher nur den Landstrich an der Küste. Er erstreckt sich von dem Nourse im Süden bis zum Zaïre oder Congo im Norden, während zwei bedeutendere Städte, nämlich Benguela und San Pablo de Loanda, die Hauptplätze der zu Portugal gehörigen Kolonie, dessen Häfen bilden.
Weiter im Innern war diese Gegend bisher so gut wie unbekannt. Nur ganz vereinzelte Reisende hatten dieselbe zu betreten gewagt. Ein verderbliches Klima, feuchtwarme Ländereien, welche die Brutstätten der Fieber sind, wilde Eingeborne, von denen nicht wenige noch zu den Kannibalen gehören, der Krieg ohne Ende von Stamm zu Stamm, das lauernde Mißtrauen der Sklavenhändler gegenüber jedem Fremden welcher ihnen stets nur in die Geheimnisse ihres fluchbeladenen Handels eindringen zu wollen scheint, das sind so die zu überwindenden Schwierigkeiten, die zu besiegenden Gefahren in der Provinz Angola, dem gefahrenreichsten Landestheile des ganzen äquatorialen Afrika.
Im Jahre 1816 war Turkey längs der Ufer des Congo bis über die Wasserfälle von Yellala, d.h. eine Strecke von höchstens zweihundert (englischen) Meilen vorgedrungen. Eine eingehendere Kenntniß des Landes wurde durch diesen kurzen Zug natürlich nicht gewonnen, und doch kostete er den meisten Gelehrten und Officieren, welche jene Expedition unternahmen, das Leben.
Siebenunddreißig Jahre später wagte sich Livingstone vom Cap der Guten Hoffnung aus bis nach dem oberen Zambesi. Von dort aus durchreiste er, seit November 1853, mit bisher unübertroffener Kühnheit Afrika von Süden nach Nordwesten, überschritt den Coango, einen der Nebenströme des Congo, und kam am 31. Mai 1854 in San Pablo de Loanda an. Das war die erste Reise durch das unbekannte Hinterland der großen portugiesischen Kolonie.
Achtzehn Jahre später unternahmen es zwei kühne Entdeckungsreisende, Afrika von Osten nach Westen zu durchstreifen und unter Nichtachtung geradezu unerhörter Schwierigkeiten, der Eine im Süden, der Andere im Norden von Angola die entgegengesetzte Küste zu erreichen.
Die wilden Thiere nahmen von den verwüsteten Ländereien Besitz. (S. 229.)
Der erste der Genannten war der Lieutenant in der englischen Marine Verney-Howet Cameron. Im Jahre 1872 hatte man alle Ursache, die zur Aufsuchung Livingstone’s nach dem Gebiete der großen Seen entsendete Expedition des Amerikaners Stanley gefährdet zu glauben. Lieutenant Cameron erbot sich, diesen wieder aufzusuchen. Das Anerbieten ward angenommen. Cameron reiste in Begleitung des Doctor Dillon, des Lieutenant Cecil Murphy und Robert Massats, eines Neffen Livingstones, von Zanzibar ab.