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Die Bäume bildeten letzt nicht mehr undurchdringliche Gehölze, dagegen zeigten sie mehr Wechsel der Arten. Hier erhoben sich Palmen, welche ein in Afrika sehr gesuchtes Oel liefern, dort Baumwollenstauden von acht bis zehn Fuß Höhe, aus deren holzigen Stengeln ein der Baumwolle von Fernambuco ähnliches, langfaseriges Product erzeugt wird. Wieder an anderen Stellen ließen Copalbäume aus kleinen, von dem Rüssel gewisser Insecten gebohrten Oeffnungen ihr wohlriechendes Harz ausschwitzen, das bis zum Erdboden herablief und sich daselbst für die Bedürfnisse der Eingebornen ansammelte. Hier standen Citronenbäume, wilde Granaten und zwanzig andere Baumspecies zerstreut umher, ein schönes Zeugniß für die Fruchtbarkeit der innerafrikanischen Niederungen. Gleichzeitig ward auch der Geruchsinn durch einen zarten Vanilleduft angenehm erregt, ohne daß man die Pflanze, welche ihn ausströmte, hätte nachweisen können.

Alle diese Bäume und Sträucher grünten üppig trotz der eben herrschenden trockenen Saison, während der nur vereinzelte Gewitter diese reichen ergiebigen Gegenden benetzen. Jetzt war auch die Zeit der Fieber; von diesen kann man sich jedoch, wie Livingstone bemerkt, meistens befreien, indem man die Orte, wo jene erworben wurden, schleunig verläßt. Dick Sand kannte diese Beobachtung des berühmten Reisenden und hoffte, daß sie sich auch bei dem kleinen Jack bewähren würde. Er sprach davon gegen Mrs. Weldon, nachdem er sich überzeugt, daß der erwartete periodische Fieberanfall ausgeblieben war und das Kind friedlich in Herkules’ Armen ruhte.

Man wanderte also vorsichtig und schnell weiter. Manchmal zeigten sich neuere Spuren von vorübergekommenen Menschen und Thieren. Die zurückgebogenen oder abgebrochenen Aeste der Gebüsche gestatteten dann ein ungehindertes Vordringen. Den größten Theil der Zeit aber hielten allerlei erst zu besiegende Hemmnisse die kleine Gesellschaft zu Dick Sand’s großem Leidwesen auf. Hier waren es verschlungene Lianen, welche man treffend mit der in Unordnung gerathenen Takelage eines Schiffes verglichen hat, oder Reben, ähnlich etwa gezogenem Damascenerstahle, dessen Fasern mit Stacheln besetzt wären; fünfzig bis sechzig Fuß lange Schlangengewächse mit der unangenehmen Eigenschaft, daß sie sich erst zurückbiegen und dann den Vorübergehenden mit ihren spitzen Dornen verletzen. Mit mächtigen Beilhieben erzwangen die Neger wohl einen Durchgang, doch immer und immer wieder standen sie vor solchen Schlingpflanzen, welche die höchsten Bäume von der Wurzel bis zum Gipfel umrankten.

Auch das Thierreich dieser Provinz war nicht minder merkwürdig. In großer Anzahl flatterten die Vögel unter diesem mächtigen Laubdache umher, hatten aber erklärlicher Weise keinen Flintenschuß von Leuten zu fürchten, denen selbst daran lag, unbemerkt und schnell vorwärts zu kommen. Hier gab es Perlhühner in ganzen Schwärmen, sehr flüchtige und schöne Haselhühner verschiedener Art, sowie auch einzelne jener Vögel, welche die Nordamerikaner durch Onomapoetikon »Whip-poor-will« genannt haben, drei Silben, welche ihr Geschrei sehr bezeichnend wiedergeben. Dick Sand und Tom hätten hier fast glauben können, in irgend einer Provinz der Neuen Welt dahin zu wandern – leider wußten sie, daß das nicht der Fall war.

Bis jetzt waren reißende Thiere, welche in Afrika so gefährlich sind, der kleinen Gesellschaft noch nicht zu nahe gekommen. Im Verlaufe des ersten Tages bekam man noch einmal Giraffen zu Gesicht, welche Harris ohne Zweifel – aber diesmal gänzlich ohne Erfolg – für Strauße ausgegeben hätte. Diese leichtfüßigen Thiere entflohen eiligst, offenbar erschreckt durch die Erscheinung einer Karawane in diesen sonst nur wenig besuchten Wäldern. In der Ferne, am Rande der Wiesen, wirbelte manchmal eine dichte Staubwolke auf, welche von einer Büffelheerde ausging, die mit dem Geräusche schwer belasteter Wagen dahingaloppirte.

Zwei Meilen weit ging Dick Sand so dem Laufe des Baches nach, der in irgend einen bedeutenderen Fluß ausmünden sollte. Ihm lag es am Herzen, seine Begleiter erst der raschen Strömung eines Küstenflusses anvertraut zu haben. Er rechnete stark darauf, daß Gefahren und Anstrengungen sich dann vermindern würden.

Gegen Mittag waren drei Meilen ohne schlimmeren Zwischenfall zurückgelegt. Von Harris und Negoro keine Spur. Dingo war noch immer nicht wiedergekommen.

Man mußte jetzt Halt machen, um auszuruhen und etwas Nahrung zu nehmen.

In einem Bambusdickicht, das die kleine Gesellschaft vollständig verbarg, wurde das Lager aufgeschlagen.

Man sprach nur wenig während der Mahlzeit. Mrs. Weldon hatte ihren kleinen Knaben wieder im Arme und blickte ihn unverwandt sorgenvoll an; sie konnte nichts genießen.

»Sie müssen aber ein wenig essen, Mistreß Weldon, drängte sie Dick Sand wiederholt. Was soll aus Ihnen werden, wenn die Kräfte Sie verlassen? Essen Sie, ich bitte! Wir müssen uns bald wieder auf den Weg machen und später trägt eine freundliche Strömung uns mühelos bis zur Küste!«

Mistreß Weldon sah Dick Sand gerade in’s Gesicht, als er so zu ihr sprach. Die feurigen Augen des jungen Leichtmatrosen bezeugten den guten Muth, der ihn belebte. Als sie ihn so sah, als ihre Blicke auf die braven, so treu ergebenen Neger fielen, da wollte auch sie als Frau und Mutter nicht mehr verzweifeln. Und weshalb sollte sie auch so niedergeschlagen sein? Glaubte sie nicht, in einem gastlichen Lande zu reisen? In ihren Augen konnte ja Harris’ Verrath so gar schwere Folgen nicht nach sich ziehen Dick Sand errieth wohl den Gang ihrer Gedanken, und er, er war eher versucht entmuthigt den Kopf zu senken.

Viertes Capitel.

Die schlechten Wege von Angola.

Eben erwachte der kleine Jack und legte die Arme um den Hals seiner Mutter. Seine Augen erschienen klarer Das Fieber war nicht wieder gekommen.

»Geht Dir’s besser, mein Herz? fragte Mrs. Weldon, indem sie ihr Kind an die Brust drückte.

– Ja, Mama, antwortete Jack, ich bin etwas durstig!«

Man konnte dem Kinde nichts Anderes als etwas frisches Wasser reichen, von dem es einige Schlucke mit offenbarem Wohlgefallen trank.

»Und mein Freund Dick? fragte der Kleine.

– Hier bin ich, Jack, meldete sich Dick Sand und ergriff die Hand des zarten Knaben.

– Und mein Freund Herkules?

– Herkules, hier, Herr Jack, antwortete der Riese, indem er sich näherte.

– Und das Pferd? fragte Jack weiter.

– Das Pferd? Allein abgereist, Herr Jack, sagte Herkules. Jetzt bin ich das Pferd! Ich werde Sie tragen. Glauben Sie, daß ich einen zu harten Nacken habe?

– Nein, erwiderte der kleine Jack, aber dann hab’ ich keinen Zügel zu halten.

– O, Sie legen mir ein Gebiß ein, wenn es Ihnen Spaß macht, sagte Herkules, seinen Mund weit öffnend, und können dann nach Belieben daran ziehen.

– Du weißt doch, daß ich kaum daran ziehen würde.

– Ei, da thäten Sie unrecht, meine Zähne sind fest genug.

– Aber die Farm des Herrn Harris?… fragte der kleine Knabe noch einmal.

– Dahin werden wir bald kommen, mein Jack, tröstete ihn Mrs. Weldon… Ja… bald!

– Sind Sie fertig, wieder aufzubrechen? mischte sich Dick Sand da ein, um derlei Gesprächen ein Ende zu machen.

– Ja wohl, Dick, vorwärts!« antwortete Mrs. Weldon.

Das Lager ward aufgehoben und der Rückweg in derselben Ordnung angetreten. Man mußte quer durch das Dickicht gehen, um das schmale Bächlein nicht zu verlieren. Hier zeigten sich zwar einige Fußwege, doch diese Pfade waren »todte«, wie die Eingebornen sagen, d.h. Wurzelwerk und massenhaftes Gesträuch hatten sie fast vollständig versperrt. Unter diesen erschwerenden Umständen mußte man eine ganze Meile zurücklegen und gebrauchte dazu drei volle Stunden. Die Neger arbeiteten ohne Unterlaß. Herkules betheiligte sich, nachdem er Nan den kleinen Jack übergeben hatte, an der Arbeit, und mit welchem Erfolg! Er rief ein kräftiges Hui! wenn er seine Axt schwang und gleich einem verheerenden Feuer eine ganze Oeffnung vor sich heraushieb.