Выбрать главу

Obwohl die Sklaven, Männer und Frauen, gewöhnlich selbst Bündel und Lasten schleppen müssen, während die Karawane auf der Reise ist, begleiten letztere doch auch noch eine große Anzahl »Träger«. Man nennt sie specieller »Pagazis«, und ihnen liegt es ob, das werthvollere Gepäck, vorzüglich das Elfenbein, zu transportiren. Diese Elefantenzähne erreichen zuweilen eine solche Größe, daß sie, bei einem Gewichte von 169 Pfund, von zwei Pagazis nach den Factoreien getragen werden, von wo aus diese kostbare Waare nach den Märkten von Chartum, Zanzibar und Natal übergeführt wird. Bei der Ankunft erhalten die Pagazis ihren bedungenen Lohn, der in einigen zwanzig Yards Baumwollenstoff oder von dem Gewebe, das den Namen »Merikani« führt, ein wenig Pulver, einer handvoll Cauris,1 einigen Perlen oder auch aus solchen Sklaven besteht, welche schwerer verkäuflich erscheinen, wenn der Händler eben kein anderes Geld hat.

Unter den 500 Sklaven, welche die Karawane zählte, bemerkte man nur wenig reifere Männer. Es kam das davon her, daß nach Beendigung der Razzia und Niederbrennung der betreffenden Ansiedelung alle Eingebornen über vierzig Jahre erbarmungslos niedergemetzelt oder an den Bäumen der Umgebung aufgeknüpft worden waren. Nur die männliche und weibliche Jugend wird nach den Märkten geliefert. Nach solchen Menschenhetzen ist oft kaum noch der zehnte Theil der Besiegten am Leben. Auf diese Weise erklärt sich jene erschreckende Entvölkerung, welche die ungeheuren Gebiete Central-Afrikas in Wüsten verwandelt.

Die Kinder, wie die Erwachsenen, waren hier kaum mit einem Fetzen jenes Rindenstoffes bekleidet, den gewisse Baumarten liefern und der im Lande »Mbuzu« heißt. Der Gesammtzustand dieser Heerde menschlicher Wesen, die Weiber bedeckt mit Wunden von den Peitschen der Havlidars; die Kinder – welche die Mütter außer ihren anderen Lasten noch zu tragen suchten – elend, abgemagert und blutend an den Füßen; die jungen Männer eng geschlossen mit dem erwähnten Gabelholze, das noch schmerzlicher zu tragen ist als die Kette des Bagno, war ein über alle Beschreibung jämmerlicher. Der Anblick dieser Unglücklichen, halbtodten Geschöpfe mit tonloser Stimme, dieser »Ebenholz-Skelete«, wie Livingstone sagte, hätte wohl das Herz wilder Thiere zu rühren vermocht; nicht aber jener verhärteten Araber oder Portugiesen, welch’ letztere, wenn man Lieutenant Cameron glauben darf, noch grausamer sein sollen.2

Es versteht sich von selbst, daß die Gefangenen während des Marsches und während des Ausruhens gleichmäßig streng bewacht wurden. Dick Sand überzeugte sich bald, daß ein Fluchtversuch nicht einmal zu wagen wäre. Wie aber sollte er dann Mrs. Weldon wiederfinden? Daß sie nebst ihrem Kinde von Negoro entführt seien, schien nur zu gewiß. Der Portugiese hatte es offenbar veranlaßt, sie von ihren Gefährten zu trennen; aus Gründen freilich, welche der junge Leichtmatrose bisher noch nicht errieth; immerhin stand für ihn das außer Zweifel, daß Negoro seine Hand bei Allem im Spiele habe, und sein Herz brach bei dem Gedanken an die Gefahren aller Art, welche Mrs. Weldon bedrohten.

»O, sprach er leise für sich hin, wenn ich bedenke, daß ich diese beiden Schurken vor meinem Flintenlauf hatte und ihnen nicht das Lebenslicht ausblies!…«

Dieser Gedanke war es, der in Dick Sand’s Kopfe immer und immer wieder aufstieg. Wie viel Unglück hätte der Tod, der wohlverdiente Tod Harris und Negoro’s verhütet! Wie viel Elend Denen erspart, welche diese Schacherer mit Menschenfleisch jetzt als Sklaven mißhandelten!

Das Furchtbare der Lage Mrs. Weldon’s und des kleinen Jack trat deutlich vor seine Augen. Weder die Mutter noch das Kind durften auf Vetter Benedict rechnen. Der arme Mann konnte sich vielleicht kaum selber helfen. Jedenfalls schleppte man alle Drei nach irgend einem entlegenen Districte von Angola. Wer trug dann aber das noch kränkelnde Kind?

»Seine Mutter, gewiß, seine Mutter! wiederholte sich Dick Sand. Für ihr Söhnchen wird sie die nöthigen Kräfte wiedergefunden, dasselbe gethan haben, wie jene unglücklichen Sklaven… und sie wird endlich umsinken wie jene. Ach, daß Gott mich doch zusammenführen möchte mit ihren Henkern, wie wollte ich…«

Das Zeichen zum Aufbruch ward gegeben. (S. 309.)

Er war ja Gefangener! Er zählte nur als Kopf in der Heerde, welche Havildars in das Innere von Afrika trieben. Er wußte ja nicht einmal, ob Negoro und Harris persönlich jene Zugsabtheilung führten, zu welcher die Opfer ihrer Schandthaten gehörten. Dingo fehlte ja auch, um die Spur des Portugiesen aufzufinden und seine Annäherung zu melden. Herkules allein konnte der unglücklichen Mrs. Weldon zu Hilfe kommen. War auf solch’ ein Wunder aber zu hoffen?

Immerhin klammerte sich Dick Sand an diesen Gedanken, da er den kräftigen Neger frei wußte. An seinem guten Willen zu zweifeln, kam ihm gar nicht in den Sinn. Gewiß würde Herkules für Mrs. Weldon Alles thun, was nur in der Macht eines Einzelnen lag. Er versuchte jedenfalls, ihre Spuren zu entdecken und sich mit ihr in Verbindung zu setzen, oder er bestrebte sich, wenn ihm jenes nicht gelang, mit Dick Sand in Einvernehmen zu kommen, ihn vielleicht zu entführen und durch einen Gewaltstreich zu befreien. Konnte er sich nicht auf einem nächtlichen Halteplatze unbemerkt unter die Neger, mit denen er ja die gleiche Hautfarbe hatte, mengen, bis zu ihm heranschleichen, die Wachsamkeit der Soldaten überlisten, seine Fesseln sprengen und ihn nach dem Walde bringen; und was würden sie Beide im Vollgenuß der Freiheit für Mrs. Weldon Alles thun? Ein Wasserlauf würde ihnen gewiß die Möglichkeit bieten, bis zur Küste hinab zu gelangen, und Dick Sand wollte dann den früheren, durch den Ueberfall seitens der Eingebornen so traurig unterbrochenen Plan mit besserer Aussicht auf Gelingen und größerer Kenntniß seiner Schwierigkeiten jedenfalls wieder aufnehmen.

So schwankte der junge Leichtmatrose immer zwischen Furcht und Hoffnung. Dank seiner energischen Natur, widerstand er dabei jedoch einer vollständigen Erschlaffung und hielt sich bereit, die erste sich darbietende günstige Gelegenheit zu benutzen.

Zunächst kam es vorzüglich darauf an, zu erfahren, nach welchem Markte die Agenten ihren Sklaven-Transport leiteten. War dieser Platz eine der Factoreien von Angola, so handelte es sich nur um einen Marsch von wenigen Tagen, oder sollte der Zug viele Hunderte von Meilen durch das Innere von Afrika gehen? Der Haupt-Sklavenmarkt nämlich ist der von N’yangwe, in Manyema, unter dem Meridiane, der Afrika nahezu in zwei Hälften theilt, da, wo sich das Gebiet der großen Seen weithin ausdehnt, das Livingstone dereinst bereiste. Von dem Lager der Coanza war es aber sehr weit bis nach jener Ansiedelung und es bedurfte wohl mehrerer Monate, um dieselbe zu erreichen.

Diese Frage verursachte Dick Sand die meiste Sorge, denn wenn sie einmal in N’yangwe waren, wie schwer, selbst wenn Mrs. Weldon, Herkules und den anderen Negern die Flucht dort glückte, wenn nicht gar unmöglich, mußte es ihnen werden, ringsum von Gefahren bedroht die Küste wieder zu erreichen.

Dick Sand überzeugte sich indeß bald, daß der Zug seinen Bestimmungsort in kurzer Zeit erreichen werde. Verstand er auch die Worte der Karawanen-welche bald arabisch, bald das afrikanische Idiom sprachen, gar nicht, so fiel ihm doch die häufig wiederholte Erwähnung des Haupt-Sklavenmarktes dieser Gegend besonders auf. Es war das der Name Kazonnde, und er wußte recht gut, daß dort ein lebhafter Negerhandel getrieben wurde. Das führte ihn natürlich zu dem Schlusse, daß sich dort das Schicksal der Gefangenen entscheiden müßte, und diese entweder für Rechnung eines Stammeshäuptlings des Districtes oder für die eines reichen Sklavenhändlers zum Verkauf gestellt würden. Wir wissen, daß er sich hierin nicht täuschte.