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– Am 28. April. – Einen Bauhinienwald passirt. Hochstämmige Bäume, die den Portugiesen das Eisenholz liefern.

Starker Regen. Boden erweicht. Gehen sehr beschwerlich.

In der Mitte des Zuges die arme Nan gesehen, die noch einen kleinen Negerknaben trägt. Sie schleppt sich nur mühsam fort. Die mit ihr zusammengefesselte Sklavin hinkt und von ihren Schultern tröpfelt das Blut in Folge der grausamen Peitschenschläge.

Abends gerastet unter einem enormen Affenbrotbaum mit weißen Blüthen und zartgrünem Laube.

In der Nacht Gebrüll von Löwen und Leoparden. Ein Eingeborner giebt einen Schuß auf einen Panther ab. Was macht Herkules?

– Am 29. und 30. April. – Die erste Kälte des sogenannten afrikanischen Winters. Sehr reichlicher Thau. Ende der mit November beginnenden Regenzeit gegen Ausgang April. Die Ebenen noch vielfach überschwemmt. Ostwind, der die Transpiration aufhebt, aber die Empfänglichkeit für Sumpffieber steigert.

Keine Spur von Mistreß Weldon oder Herrn Benedict. Wohin führt man wohl diese, wenn nicht nach Kazonnde? Sie werden denselben Weg, wie die Karawane, aber vor uns eingeschlagen haben. Die Unruhe verzehrt mich. Der kleine Jack wird in dieser ungesunden Gegend das Fieber wieder bekommen haben. Ist er überhaupt noch am Leben?…

– Vom 1. bis 6. Mai. – Während mehrerer Tagemärsche durch weite Ebenen gezogen, welche die starke Verdunstung noch immer nicht trocken zu legen vermochte. Das Wasser reicht uns manchmal bis zum halben Leibe. Unzählige Blutegel saugen sich an die Haut an. Dennoch muß Alles ohne Erbarmen weiter. Auf vereinzelt hervorspringenden Höhen Lotospflanzen und Papyrusstauden. Unter dem Wasser eine Menge kohlartiger Pflanzen, über welche der Fuß stolpert, so daß Viele dabei umfallen.

In dem Gewässer tummelt sich eine beträchtliche Menge kleiner, dem Geschlechte der Welse zugehöriger Fische, welche die Eingebornen zu Milliarden zwischen Flechtwänden aufbewahren und an die Karawanen verkaufen.

Es ist unmöglich, für die Nacht einen Lagerplatz zu finden. Man sieht noch kein Ende der überflutheten Fläche. Nun muß auch während der Nacht marschirt werden. Morgen werden nicht wenig Sklaven aus dem Zuge fehlen. Welch’ ein Elend! Wer da fällt, warum sollte er aufstehen? Einige Minuten länger unter dem Wasser und Alles ist vorüber. Dann trifft der Stock des Havildars Niemanden mehr!

Ja – aber Mistreß Weldon und ihr Sohn! Ich habe nicht das Recht, sie zu verlassen! Ich werde ausharren bis an’s Ende, das ist meine Pflicht!

Ein schreckliches Geschrei gellt durch die Nacht.

Zwanzig Soldaten haben Zweige der harzreichen, aus dem Wasser emporragenden Bäume abgerissen. Durch die Finsterniß glimmt ein unbestimmbares Leuchten.

Ein Angriff von Krokodilen war die Ursache jenes plötzlichen Lärmens. Zwölf bis fünfzehn dieser Ungeheuer stürzten sich in der Dunkelheit auf die eine Seite der Karawane. Frauen und Kinder wurden von ihnen erhascht und nach ihren »Weideplätzen« geschleppt. So bezeichnete Livingstone die tieferen Löcher, in welchen diese Amphibien ihre vorher ertränkte Beute niederlegen, denn sie verzehren dieselbe nur, nachdem sie bis zu gewissem Grade zersetzt ist.

Ich selbst ward von dem Panzer eines solchen Krokodills hart gestreift. Ein erwachsener Sklave in meiner Nähe wurde erfaßt und von dem Gabelholze, das ihn am Halse fesselte, losgerissen. Die Gabel zerbrach dabei. Noch höre ich sein verzweifeltes Geschrei, sein Heulen vor wüthendem Schmerze!

– Am 7. und 8. Mai. – Tags darauf forschte man nach den Opfern. Zwanzig Sklaven waren verschwunden.

Mit Tagesanbruch suche ich nach Tom und seinen Gefährten. Gelobt sei Gott, sie leben noch! Doch ach, soll man Gott dafür dankbar sein? Ist nicht Der glücklicher zu preisen, der all’ diesem Jammer entgangen ist?

Tom befindet sich an der Spitze des Zuges. Als sein Sohn Bat sich einmal bückte, stellte sich die Gabel schräg und jener konnte meiner ansichtig werden.

Die alte Nan hab’ ich vergeblich gesucht. Befindet sie sich unter dem Menschenknäuel in der Mitte, oder ist sie in jener Schreckensnacht mit umgekommen?

Am nächsten Tag die Grenze des überschwemmten Gebietes erreicht nach vierundzwanzigstündigem Waten durch das Wasser. Auf einem Hügel Halt gemacht. Die Sonne trocknet uns nothdürftig. Es wird gegessen doch welch’ erbärmliche Nahrung! Etwas Manioc, einige Hände voll Mais! Zum Trinken nur schlammiges Wasser. Wie viele der auf der Erde hingestreckten Gefangenen werden nicht wieder aufstehen?

Nein, unmöglich haben Mrs. Weldon und ihr Sohn solche Strapazen überstehen können! Gott wird ihnen wenigstens die eine Gnade erwiesen haben, sie auf besserem Wege nach Kazonnde führen zu lassen. Die unglückliche Mutter wäre hier zu Grunde gegangen!

In der Karawane neue Fälle von Spitzpocken, »Ndue«, wie sie sagen. Die Kranken werden nicht weit gehen können. Wird man sie einfach ihrem Schicksale überlassen?

– Am 9. Mai. – Mit dem Morgenrothe weiter gezogen. Keine Nachzügler. Die Peitsche des Havlidars hat Alle fortgetrieben, welche vor Anstrengung oder Krankheit erschlafften. Sklaven haben ja einen Werth. Sie entsprechen einer Münze. Die Agenten werden keinen zurücklassen, so lange er noch ein Restchen von Kraft besitzt.

Ich bin von lebenden Skeleten umgeben. Es fehlt ihnen sogar schon die Stimme, um sich zu beklagen.

Endlich hab ich auch die alte Nan entdeckt. Es ist ein Jammer, sie zu sehen. Das Kind, welches sie früher trug, ruht nicht mehr in ihrem Arme. Sie hat jetzt wenigstens nur für sich allein zu sorgen. Das ist doch eine Erleichterung; aber die Kette, deren Ende sie über die Schulter geworfen trägt, hängt noch an ihrem Gürtel.

Ich verdoppelte meine Schritte und es gelang mir, mich ihr zu nähern. Es schien, als erkenne sie mich nicht wieder. Sollte ich mich so sehr verändert haben?

»Nan!« rief ich sie an.

Die alte, brave Dienerin starrte mich lange an; endlich sagte sie:

»Sie, Herr Dick! Ich… ich… ich werde bald todt sein!

– Nein, nein, nur Muth! antwortete ich, während ich die Augen niederschlug, um die Jammergestalt der Unglücklichen nicht zu sehen.

– Todt! wiederholte sie; nun werd’ ich meine gute Herrin und meinen kleinen Jack nicht wiedersehen! Gott, ach Gott, hab’ Erbarmen mit mir!«

Ich wollte die alte Nan unterstützen, da sie in ihren zerfetzten Kleidern vor Schwäche zitterte. Wie dankbar hätte ich es empfunden, mit ihr zusammengefesselt zu werden und die Kette mit zu tragen, deren Last seit dem Tode der Gefährtin sie allein bedrückte.

Da stößt mich ein kräftiger Arm zurück, ein Peitschenhieb saust auf die arme Nan herab und treibt sie wieder mitten in den Haufen der Sklaven. Ich will mich auf den rohen Menschen stürzen… es erscheint der arabische Chef, er ergreift mich am Arme und hält mich zurück, bis die letzten Reihen der Karawane an uns heran kommen.

Dann ruft er mir nur ganz kurz zu:

»Negoro!«

Negoro! Auf Anordnung des Portugiesen handelt er also wirklich und benimmt sich mir gegenüber anders als gegen die anderen Unglücklichen.

Welches Schicksal mag mich noch erwarten?

– Am 10. Mai. – An zwei brennenden Dörfern vorübergekommen. Die Hütten alle in Flammen. An den noch nicht verkohlten Bäumen hängen Leichen. Alle sonstigen Bewohner entflohen. Die Felder verwüstet. Hier hat eine Razzia stattgefunden. Zweihundert ermordet, um vielleicht ein Dutzend Sklaven zu fangen.

Der Abend ist da. Es wird Halt gemacht. Nachtlager unter großen Bäumen. Am Waldsaume bilden hohe Gräser wirkliche Gebüsche.

Tags vorher entwischten einige Gefangene, denen es gelungen war, ihre Gabelsessel zu zerbrechen. Man fing sie wieder ein und bestrafte sie mit unerhörter Grausamkeit. Die Havildars und die Soldaten verdoppeln ihre Wachsamkeit.

Die Nacht sank herab. Gebrüll von Löwen und Bellen von Hyänen. In der Ferne Schnauben von Hyppopotamus. Gewiß ist ein See oder Wasserlauf in der Nähe.