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Wegen der verschiedenen Zwecke, zu welchen man die Sklaven verwendet, müssen sie nach dem Geschlechte getrennt werden. Die Händler, welche Männer kaufen, haben gewöhnlich keine Verwendung für Frauen. Letztere werden, eine Folge der bei den Mohamedanern noch gesetzlichen Polygamie, meist nach arabischen Ländern ausgeführt, wo man sie gegen Elfenbein umtauscht. Die zu schwereren Arbeiten bestimmten Männer dagegen müssen nach den Factoreien beider Küsten wandern und werden entweder nach den spanischen Kolonien oder nach den Märkten von Mascate und Madagaskar exportirt. Diese Auswahl ruft oft herzzerreißende Auftritte zwischen Denen hervor, welche die Agenten voneinander trennen und die einst auch sterben werden, ohne sich je wieder gesehen zu haben.

Tom und seine Gefährten sollten das allgemeine Schicksal theilen. Im Grunde fürchteten sie diesen Wechsel ihrer Verhältnisse nicht. Jedenfalls war es ihnen lieber, nach irgend einer Sklavenkolonie zu gelangen, wo sie weit eher Gelegenheit finden mußten, eine Reclamation zu erheben. In einer Provinz von Inner-Afrika zurückgehalten, hätten sie auf jede Aussicht, jemals wieder frei zu werden, gewiß verzichten müssen.

Ihr Wunsch sollte in Erfüllung gehen. Sie hatten sogar den Trost, nicht voneinander getrennt zu werden. Um das Loos, zu dem sie gehörten, wurde von mehreren Händlern aus Ujiji sehr lebhaft gefeilscht. Jose-Antonio Alvez klatschte in die Hände. Die Preise gingen in die Höhe. Man drängte sich herbei, die Sklaven von bisher ungekanntem Werthe zu sehen, deren Anwesenheit auf dem Markte von Kazonnde Alvez bis jetzt sogar zu verheimlichen für gut befunden hatte. Tom und die Seinen konnten bei ihrer Unkenntniß der Landessprache hier natürlich nicht einmal protestiren.

Ihr Herr wurde ein reicher arabischer Händler, der sie in einigen Tagen nach dem Taganyika-See bringen wollte, wohin die meisten Sklaven gehen, welche später für Factoreien von Zanzibar bestimmt sind.

Würden sie dort überhaupt ankommen nach einer Reise quer durch die ungesundesten und gefährlichsten Gegenden von Afrika? Eintausendfünfhundert Meilen sollten sie unter diesen Verhältnissen zurücklegen mitten durch den zwischen so vielen Häuptlingen unausgesetzt herrschenden Kriegstrubel, mitten durch das mörderischste Klima! Würde der alte Tom die Kräfte haben, solche Strapazen zu ertragen? Mußte er nicht, wie die alte Nan, schon auf der Reise unterliegen?

Vor Allem jedoch sahen die armen Leute sich wenigstens nicht voneinander getrennt; die Kette, welche sie verband, schien ihnen weniger schwer zu tragen. Der arabische Händler ließ sie in einer besonderen Baracke unterbringen. Es lag ihm offenbar daran, mit einer Waare vorsichtig umzugehen, die ihm auf dem Markte von Zanzibar einen hohen Gewinn versprach.

Tom, Bat, Acteon und Austin verließen also den Platz und konnten die Scenen nicht mehr mit ansehen, welche den großen Lakoni von Kazonnde schlossen.

Fußnoten

1 Die Schnitzerei von Sheffield verarbeitet jährlich allein 170.000 Kilogramm Elfenbein.

Elftes Capitel.

Ein dem König von Kazonnde dargebotener Punsch.

Es war gegen vier Uhr Nachmittags, als ein Höllenlärm von Trommeln, Cymbeln und anderen Instrumenten afrikanischer Herkunft am Ausgange der Hauptstraße entstand. An allen Ecken und Enden des Marktes regte es sich doppelt lebendig. Ein halber Tag Geschrei und Drängen und Stoßen hatte weder die Stimme, noch Arm und Beine dieser verteufelten Händler zu beruhigen, noch zu entkräften vermocht. Noch war eine ziemliche Anzahl Sklaven zu verkaufen; die Händler bestritten die einzelnen Loose mit einer Begierde, von welcher die Londoner Börse selbst an Tagen einer allgemeinen Hausse nur eine schwache Vorstellung giebt.

Bei dem mißtönenden Concert jedoch, welches eben seinen Anfang nahm, wurden die Handelsgeschäfte unterbrochen und schöpften die Ausrufer einmal Athem.

Der König von Kazonnde, Moini Loungga, beehrte den großen Lakoni mit seinem Besuche. Ein zahlreiches Gefolge von Weibern, Beamten, Soldaten und Sklaven begleitete ihn. Alvez und einige andere Händler gingen ihm entgegen und übertrieben absichtlich ihre demüthigen Huldigungen, auf welche der gekrönte Trunkenbold besonderen Werth legte.

Inmitten des großen Platzes stieg Moini Loungga, den man in einem alten Palankin getragen hatte, mühsam und mit Hilfe von zehn Armen aus.

Dieser König war gegen fünfzig Jahre alt, doch hätte man ihn für einen Achtziger gehalten. Um sich seine Erscheinung zu vergegenwärtigen, stelle man sich einen alten Affen am Ende seiner Jahre vor. Auf seinem Kopfe erhob sich eine Art Tiara, verziert mit rothgefärbten Leopardenkrallen und weißen Haarbüscheln – das war die Krone der Könige von Kazonnde. Von seinem Gürtel herab hing ein Doppelrock aus Cudu-Leder, der trotz seiner Perlenstickerei doch Aehnlichkeit mit der Schürze eines Schmiedes hatte. Seine Brust schmückten vielgestaltige Tätowirungen als Zeugen für das hohe Alter des königlichen Geschlechtes, und wenn man ihnen trauen durfte, verlor sich Moini Loungga’s Geschlecht bis hinauf in die dunkelste Vorzeit. Um Knöchel, Handgelenke und Arme Sr. Majestät wanden sich kupferne, mit Sofis ausgelegte Spangen, und seine Füße staken in ein Paar Dienerstiefeln mit gelben Stulpen, die ihm Alvez einige zwanzig Jahre früher zum Geschenk gemacht hatte. Fügt man dieser Ausstattung noch einen langen Stock mit silbernem Knopf in der linken Hand des Königs, in der rechten einen reichlich mit Perlen besetzten Fliegenwedel hinzu, über seinem Haupte ferner einen alten, vielfach ausgeflickten Regenschirm, der aus der bunten Jacke eines Harlequins hergestellt schien, endlich am Halse und auf der Nase des Monarchen – die Loupe und die Brille, welche Vetter Benedict so schmerzlich vermißt hatte und die aus Bat’s Tasche gestohlen waren, so hat man bis auf’s Haar genau das Conterfei dieser schwarzen Majestät, vor der das Land im Umkreise von hundert Meilen erzitterte.

Schon deshalb allein, weil er auf einem Throne saß, behauptete Moini Loungga, von himmlischer Abkunft zu sein, und hätte jeden seiner Unterthanen, der etwa daran zu zweifeln wagte, gewiß in die andere Welt befördert, um sich dort persönlich davon zu überzeugen. So rühmte er sich auch, seiner göttlichen Natur entsprechend, irdische Bedürfnisse nicht zu kennen.

Er aß, weil er es gern that, und trank nur, weil es ihm Vergnügen machte. Dabei konnte aber kein Mensch mehr trinken denn er. Seine Minister und Beamten, lauter unverbesserliche Trinker, hätte man ihm gegenüber für nüchterne Menschen gehalten. Jener stellte überhaupt eine bis zum höchsten Grade alkoholisirte Majestät dar, die fortwährend mit starkem Biere, Pombe, und vorzüglich mit einem von Alvez reichlich gelieferten 36grädigen Branntwein sorgsam aufgefüllt wurde.

Moini Loungga besaß in seinem Harem Gemalinnen jedes Ranges und jedes Alters. Die Mehrzahl derselben begleitete ihn nach dem Lakoni. Moina, die der Anciennität nach erste Frau, welche man auch als »Königin« titulirte, war eine Megäre von vierzig Jahren und ebenso wie ihre Colleginnen von königlichem Blute. Sie trug eine Art grellfarbigen Tartan (ursprünglich der großgewürfelte Plaid der Hochschotten), einen mit Perlen bestickten Rock, Goldspangen, wo für deren Anbringung nur ein Plätzchen übrig blieb, und eine übereinandergethürmte Haartour, die ihrem kleinen Kopfe einen gewaltigen Umfang verlieh und sie vollends zum Zerrbild machte.

Hinter ihr her schritten andere Gemalinnen, entweder Cousinen oder Schwestern des Königs, in ebenso reicher Kleidung, aber jünger an Jahren, welche auf jeden Wink ihres Herrn bereit waren, als »menschliche Hausgeräthe« Dienste zu leisten. Diese Unglücklichen sind im Grunde wirklich kaum etwas Anderes. Will der König sitzen, so krümmen sich zwei derselben auf der Erde zusammen, die er als Sessel benutzt, während seine Füße auf zwei anderen weiblichen Körpern, wie auf einem Teppiche von Ebenholz ruhen.