Im Gefolge Moini Loungga’s erschienen auch seine Beamten, Hauptleute und Zauberer. Zuerst bemerkte man an diesen Wilden, welche gleich ihrem Herrn halb taumelten, daß Jedem ein Körpertheil fehlte, dem Einen ein Ohr, dem Anderen ein Auge, Diesem die Nase und Jenem eine Hand. Kein Einziger war vollständig. Es rührt das daher, daß man in Kazonnde nur zwei Arten von Bestrafung kennt, die Verstümmelung und den Tod, welche je nach der Laune des Herrn verhängt werden. Der geringste Fehler zieht hier schon eine Amputation nach sich, und als am härtesten Bestrafte fühlen sich Diejenigen, denen man die Ohren abschneidet, weil sie nun keine Ringe mehr durch dieselben tragen können.
Die Hauptleute oder »Kilolos«, das sind entweder erbliche oder auf je vier Jahre ernannte Districts-Vorsteher, trugen eine Kopfbedeckung von Zebrafell und als einzige Uniform eine Art rother Weste. In der Hand schwangen sie lange Rotangstengel, deren eines Ende in irgend eine Drogue gesteckt war, welcher man magische Kraft zutraute.
Als Angriffs-und Vertheidigungswaffen führten des Königs Soldaten Bögen, deren Holz mit Reserve-Stricken umwickelt und mit Fransen geschmückt war, lange, schlangenzungenartig geschliffene Messer, breite und lange Lanzen und mit Arabesken verzierte Schilde aus Palmenholz. Was die eigentliche Uniform betrifft, so kostet diese dem Schatze Sr. Majestät – absolut nichts.
Die Suite des Königs schlossen endlich die Hofmagiker und die Musikanten.
Die Zauberer, die »Myannga«, sind die Aerzte des Landes. Diese Wilden hegen einen unzerstörbaren Glauben an Gebete zu ihren Götzen, Beschwörungsformeln, oder an Fetische, das sind weiß und roth gefärbte, thönerne Figuren, welche phantastische Thiere oder menschliche Wesen beiderlei Geschlechts darstellen. Uebrigens zeigten sich diese Magiker nicht minder verstümmelt als die anderen Höflinge, und jedenfalls lohnte ihnen der Monarch auf diese Weise jede mißlungene Kur.
Die Musiker, Männer sowohl wie Frauen, handhabten schrillende Klappern, bearbeiteten lärmende Trommeln oder schlugen mit ihren Stäben, welche in eine aus Kautschuk der »Merimebas« bestehende Kugel ausliefen, auf eine Art Tympanon aus zwei Reihen verschieden großer Kürbisflaschen los – vollführten mit einem Worte ein Concert, das jedes nicht eingeborne afrikanische Ohr geradezu betäubte.
Ueber diesem Haufen königlichen Gefolges flatterten verschiedene Fahnen und Wimpeln und zeigten sich, auf hohen Piken getragen, einige gebleichte Schädel von feindlichen Häuptlingen, welche Moini einst besiegt hatte.
Sobald der König seinen Palankin verlassen, ertönten von allen Seiten lebhafte Zurufe. Die Soldaten der Karawane platzten ihre alten Flinten ab, deren schwacher Knall aber bei dem Geschrei der Volksmenge kaum hörbar ward. Die Havlidars warfen sich nieder, nachdem sie ihr schwarzes Gesicht mit Zinnober-Puder, den sie in einem Säckchen bei sich trugen, wohl eingerieben hatten. Dann trat Alvez vor und überreichte dem König ein Päckchen frischen Tabak – »Beruhigungs-Kraut«, wie man diese Pflanze dort zu Lande nennt. Moini Loungga bedurfte der Beruhigung gar sehr, denn er war, aus bisher unbekannter Ursache, herzlich schlechter Laune.
Gleichzeitig mit Alvez machten auch Coïmbra, Ibn Hamis und die arabischen Händler oder Mestizen dem mächtigen Souverän von Kazonnde ihre Aufwartung. »Marhaba«, stammelten dabei die Araber, welches Wort aus der Sprache Central-Afrikas etwa »Hochwillkommen« bedeutet; Andere klatschten in die Hände und beugten sich bis zur Erde nieder; wieder Andere wälzten sich im Schlamme und erwiesen der abscheulichen Majestät durch diese Demüthigung ihre unbegrenzte Ergebenheit.
Moini Loungga würdigte die ganze Menschenmenge nicht eines Blickes und wandelte mit gespreizten Beinen, als ob der Boden gleich einem Schiffe stampfte und schlingerte, schwerfällig dahin. So promenirte oder rollte er vielmehr zwischen den verschiedenen Sklaven-Gruppen hin und her, und wie die Händler immer fürchteten, es könne ihm einfallen, sich einen ihrer Gefangenen zuzueignen, so schreckten auch die Letzteren selbst davor zurück, in die Gewalt eines solchen verthierten Tyrannen zu kommen.
Negoro hatte Alvez keinen Augenblick verlassen und brachte mit ihm vereinigt dem Könige seine Huldigung dar. Beide plauderten in der Sprache der Eingebornen, wenn man »plaudern« von einer Unterhaltung sagen kann, an welcher sich Moini Loungga nur mit einsylbigen, mühsam zwischen den wulstigen Lippen hervorgepreßten Lauten betheiligte. Uebrigens hatte er gegenüber seinem Freunde Alvez nur das Anliegen, seine durch reichliche Libationen erschöpften Vorräthe von Branntwein erneuert zu sehen.
»Willkommen dem Könige Loungga auf dem Markte in Kazonnde! begann der Sklavenhändler.
– Mich dürstet! antwortete der Monarch.
– Er wird seinen Antheil haben von den bei dem großen Lakoni abgeschlossenen Geschäften, fügte Alvez hinzu.
– Zu trinken! erwiderte Moini Loungga.
– Mein Freund Negoro schätzt sich glücklich, den Herrscher von Kazonnde nach so langer Abwesenheit wiederzusehen.
– Zu trinken! wiederholte drängender der Trunkenbold, dessen ganze Person einen widerlichen Alkoholgeruch um sich verbreitete.
Dann trat Alvez vor. (S. 350.)
– Zu Befehl – Pombe! Meth! rief Alvez, obwohl er recht gut wußte, wonach Moini Loungga lechzte.
– Nein… nein! lallte der König… Branntwein von meinem Freunde Alvez, und ich schenke ihm für jeden Tropfen seines Feuerwassers…
– Einen Tropfen Blut eines Weißen! fiel Negoro ein, der mit Alvez einen Seitenblick gewechselt hatte.
Der König hatte Feuer gefangen wie eine Petroleumkanne. (S. 356.)
– Eines Weißen? Einen Weißen umbringen! erwiderte Moini Loungga, dessen wilde Triebe bei dem Vorschlage des Portugiesen erwachten.
– Einer der Agenten Alvez’ ward durch denselben Weißen getödtet, erklärte Negoro.
– Ja, mein Agent Harris, bestätigte der Sklavenhändler, sein Tod schreit nach Rache!
– So sende man das Bleichgesicht dem Könige Massongo in Ober-Zaïra, zu den Assuas! Sie werden es in Stücke schneiden und bei lebendigem Leibe verzehren. Dort haben sie den Geschmack des Menschenfleisches noch nicht vergessen!« entschied der König.
Jener Massongo war in der That der König eines menschenfressenden Stammes, und es ist leider nur zu wahr, daß diesem Kannibalismus in manchen Gegenden Central-Afrikas noch ganz offenkundig gehuldigt wird. Livingstone giebt in seinen Reiseberichten darüber weitere Details. An den Ufern des Lualaba z.B. verzehren die Manyemas nicht allein die im Kampfe getödteten Feinde, sondern kaufen sich geradezu Sklaven, nur um sie aufzuessen, indem sie behaupten, »das Menschenfleisch sei mäßig gesalzen und bedürfe nur weniger Würze«. Bei Moene Bougga traf auch Cameron auf Anthropophagen, welche die Leichname nur nach mehrtägiger Maceration in fließendem Wasser genießen. Endlich fand auch Stanley diese scheußliche Sitte bei den Bewohnern von Ukusu, und offenbar herrscht sie also bei den Völkern im Innern des Continentes in weiter Verbreitung.
So grausam aber die vom Könige Dick Sand zugedachte Todesart auch war, so paßte sie Negoro, der sein Opfer ja nicht aus den Augen lassen wollte, doch gar nicht.
»Unser Kamerad Harris, bemerkte er, wurde von dem Weißen aber hier an Ort und Stelle getödtet.
– Hier muß er dafür sterben! setzte Alvez hinzu.
– Sei’s wo Du willst, antwortete Moini Loungga. Aber einen Tropfen Feuerwasser für jeden Tropfen Blut!