Im Mai zog der Doctor zu einer zweiten Untersuchung Rovoumas aus; von da erreichte er im November wieder den Zambesi, ging längs des Chire hinauf, verlor im April 1863 seinen Begleiter Thornton, schickte seinen Bruder Karl und den von Krankheit erschöpften Doctor Kirk nach Europa zurück und sah am 10. November zum dritten Male den Nyassa, dessen Hydrographie er vollendete. Drei Monate später befand er sich an der Mündung des Zambesi, ging nach Zanzibar und kam am 20. Juli 1864 nach fünfjähriger Abwesenheit wieder in London an, wo er sein berühmtes Werk: »Untersuchung des Zambesi und seiner Nebenflüsse« veröffentlichte.
Am 28. Januar 1866 schiffte sich Livingstone von Neuem nach Zanzibar ein. Es war die vierte Reise, welche er unternahm!
Am 8. August befand sich der Doctor, nachdem er vielfachen Gräuelscenen, welche der Sklavenhandel in jenen Gegenden veranlaßte, beigewohnt, diesmal nur von wenigen Cipayen und Negern begleitet, in Macalasa, am Ufer des Nyassa. Sechs Wochen später ergriff der größte Theil seiner Begleiter die Flucht, kehrte nach Zanzibar zurück und verbreitete dort die falsche Nachricht von Livingstone’s Tode.
Letzterer jedoch ging von seinen Plänen nicht ab. Er wollte das Land zwischen dem Nyassa-und dem Taganayika-See besuchen. Am 10. December überschritt er, nur von wenigen Eingebornen begleitet, den Loangua und entdeckte am 2. April 1867 den Lienneba-See. Dort schwebte er einen Monat lang zwischen Tod und Leben. Kaum hergestellt, erreichte er am 30. August den Moero-See, dessen nördliches Ufer er untersuchte, und betrat am 21. November die Stadt Cazembe, in der er vierzig Tage verweilte, während welchen er seinen Besuch des Moero-Sees noch zweimal wiederholte.
Von Cazembe aus richtete Livingstone seine Schritte nach Norden, in der Absicht, die bedeutende Stadt Ujiji am Taganyika zu erreichen. Von Ueberschwemmungen heimgesucht und von seinen Führern verlassen, mußte er jedoch nach Cazemba umkehren und nach Süden hin zurückwandern, wo er sechs Wochen später den großen See Banguelolo auffand. Dort blieb er bis zum 9. August und machte sich dann nochmals auf den Weg nach dem Taganyika.
Welch’ mühselige Reise! Den heldenmüthigen Doctor ergriff eine solche Schwäche, daß er vom 7. Januar 1869 ab stets getragen werden mußte. Im Februar endlich erreichte er den See und traf in Ujiji ein, woselbst er eine für ihn bestimmte Sendung der orientalischen Gesellschaft in Calcutta vorfand.
Livingstone beschäftigte sich nun mit dem einen Gedanken, längs des Taganyika hinziehend, die Quellen oder das Flußthal des Nils zu finden. Am 21. September war er in Bambarre, im Staate Manyuema, der von Kannibalen bewohnt ist, und kam bei dem Lualaba an, von dem Cameron später voraussetzte und Stanley es feststellte, daß er nichts Anderes sei als der Oberlauf des Congo oder Zaïre. In Mamohela, wo ihm nur noch drei Diener übrig blieben, lag der Doctor vierundzwanzig Tage lang krank darnieder. Am 21. Juli 1871 reiste er endlich nach dem Taganyika zurück und traf erst am 23. October in Ujiji wieder ein. Er war nur noch ein Skelet!
Lange vor diesem Zeitpunkte blieben alle Nachrichten von dem Reisenden aus. In Europa konnte man ihn wohl für todt halten. Er selbst gab fast jede Hoffnung auf, sein Werk durchzuführen.
Elf Tage nach seiner Ankunft in Ujiji, am 3. November, knattern Gewehrschüsse etwa eine Viertelmeile vor der Stadt. Der Doctor eilt hinaus. Ein Mann, ein Weißer, steht vor ihm.
»Doctor Livingstone, wie ich annehmen muß?
– Gewiß!« antwortete dieser, mit höflichem Lächeln die Mütze lüftend.
Die Hände der beiden Männer fanden sich.
»Ich danke Gott, nahm der Weiße wieder das Wort, daß er mir vergönnt hat, Sie aufzufinden.
– Und ich schätze mich glücklich, erwiderte dieser, gerade jetzt hier zu sein, um Sie zu empfangen.«
Jener Weiße war der Amerikaner Stanley, der Reporter des New-York Herald, den M. Bennet, der Eigenthümer des Blattes, zur Aufsuchung David Livingstone’s ausgesendet hatte.
Im October 1870 schiffte sich genannter Amerikaner ohne Zögern, ohne davon viel Aufsehen zu machen, ein Held im besten Sinne des Wortes, in Bombay nach Zanzibar ein und kam, indem er etwa der Reiseroute Speke’s und Bourton’s folgte, nach zahllosen Strapazen und unter wiederholt drohender Lebensgefahr in Ujiji an.
Die beiden Reisenden, welche schnell zu Freunden wurden, unternahmen alsbald eine Expedition nach dem nördlichen Theile des Taganyika. Sie schifften sich ein, segelten bis zum Cap Magala und kamen nach genauester Besichtigung zu der Ansicht, daß der Abfluß des großen Sees einen Nebenarm des Lualaba speise. Wenige Jahre später bestimmten dies Cameron und Stanley selbst mit voller Sicherheit. Am 12. December waren Livingstone und sein Begleiter wieder in Ujiji zurück.
Stanley bereitete sich zur Rückreise. Am 27. December kamen er und der Doctor nach achttägiger Wasserfahrt in Urimba an und gelangten am 23. Februar nach Kuihara.
Mit dem 12. März kam der Tag des Abschieds.
»Sie vollbrachten, sagte der Doctor zu seinem Gefährten, was nur wenige Menschen ausgeführt hätten, und das besser als manche große und erfahrene Reisende. Ich danke Ihnen herzlich dafür. Gott geleite Sie, mein Freund, und nehme Sie in seinen mächtigen Schutz!
– Und möge er Sie, sagte Stanley, Livingstone’s Hand ergreifend, einst frisch und gesund zurückführen, bester Doctor!«
Dann zog er seine Hand rasch zurück und wandte sich um, seine Thränen zu verbergen.
»Leben Sie wohl, Doctor, mein lieber Freund! rief er mit halb erstickter Stimme.
– Leben Sie wohl«’ wiederholte Livingstone schwach.
Am 12. Juli 1872 reiste Stanley nach Marseille ab.
Livingstone nahm seine Untersuchungen wieder auf. Am 25 August, nach fünfmonatlichem Aufenthalte in Kuihara, brach er in Begleitung seiner schwarzen Diener Souzi, Chouma und Amoda, zwei anderer Träger, ferner Jakob Wainwright’s und weiterer 56 Mann, welche Stanley geschickt hatte, nach dem Süden des Taganyika auf.
Einen Monat später erreichte die Karawane unter heftigen, durch außergewöhnliche Trockenheit erzeugten Gewittern die Stadt M’oura. Immer strömte der Regen herab, murrten die Eingebornen, und unter den Stichen der Tetses erlagen die meisten Saumthiere. Am 24 Januar 1873 war die kleine Truppe in Tchitunkue. Am 27. April wandte sie sich, nach Umschreitung des Bangueolo-Sees, nach dem Dorfe Tchitambo.
Das war der Ort, wo mehrere Sklavenhändler Livingstone verlassen hatten. Von ihnen erfuhren dann Alvez und sein College aus Ujiji etwa Folgendes: Man war allgemein sehr ernstlich besorgt, daß der Doctor nach Erforschung des südlichen Theiles des Sees sich nach Loanda begeben und die Gegenden besuchen würde, wo der Sklavenhandel seinen Hauptsitz hat. Dabei sollte er nach Kazonnde kommen, wohin ihn der Weg ganz naturgemäß führte, und nur zu wahrscheinlich folgte er auch dieser Route.
Auf die bald bevorstehende Ankunft des berühmten Reisenden konnte Mrs. Weldon um so mehr rechnen, als er nun schon vor zwei Monaten den südlichen Theil des Bangueolo erreicht haben mußte.
Da verbreitete sich am 13. Juni, am Tage bevor Mrs. Weldon Negoro den Brief übergeben sollte, der hunderttausend Dollars in dessen Hände lieferte, unerwartet eine traurige Nachricht, über welche sich freilich Alvez und die anderen Händler nur freuen konnten.
Mit dem Morgenrothe des 1. Mai 1873 war David Livingstone verschieden!
Die Hände der beiden Männer fanden sich. (S. 389.)
Seine kleine Karawane hatte das Dorf Tchitamba am Südende des Sees im Laufe des 29. April erreicht. Den Doctor brachte man auf einer Tragbahre aus Zweigen dahin. In der Nacht zum 30. seufzte er unter der Marter seiner durchdringenden Schmerzen, doch so leise, daß man es kaum hörte, noch. »Oh! dear! dear!« und sank dann bewußtlos zusammen.