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Für Mrs. Weldon und ihr Kind begann wieder das frühere, eintönige Leben.

Inzwischen trat ein, zu dieser Jahreszeit im Lande sehr ungewöhnliches klimatisches Ereigniß ein. Mit dem 19. Juni begannen sehr anhaltende Regengüsse, obwohl die Periode der Masika, welche mit dem April endigt, schon vorüber war. Der ganze Himmel schien sich geöffnet zu haben und fortwährende Platzregen überschwemmten das Gebiet von Kazonnde.

Was aber für Mrs. Weldon, die auf ihre kleinen Spaziergänge innerhalb der Factorei verzichten mußte, nur eine Unannehmlichkeit darstellte, wurde zum öffentlichen allgemeinen Unglück für die Landesbewohner. Alle von der reisen Ernte bestandenen Niederungen lagen völlig unter Wasser. Die Einwohner der Provinz, denen es plötzlich an Nahrung mangelte, litten bald unter dem bittersten Nothstande; die sonst in dieser Jahreszeit vorzunehmenden Arbeiten konnten nicht ausgeführt werden, und weder die Königin Moina noch ihre Minister wußten, was sie dieser Katastrophe gegenüber beginnen sollten.

Man nahm seine Zuflucht zu den Magikern, doch nicht zu denen, deren Geschäft darin besteht, durch ihre Beschwörungen und Zaubereien Kranke zu heilen oder den Eingebornen die Zukunft vorherzusagen. Es handelte sich ja um ein allgemeines Unglück, und deshalb wurden die besten »Mganugas«, welche die Macht besitzen sollen, die Regen hervorzurufen oder aufhören zu lassen, gebeten, die Gefahr zu beschwören.

Dabei ging freilich ihr Latein zu Ende. Mochten sie nun ihre langen, eintönigen Gesänge anstimmen, ihre Schellen oder Glöckchen schwingen, ihre kostbarsten Amulette hervorholen, darunter vorzüglich ein mit Rindenstückchen und Kuhmist gefülltes Horn, dessen Spitze wieder in drei kleine Hörner ausläuft, mochten sie die geweihten Kügelchen aus Kuhmist auswerfen oder den höchsten Personen am Hofe in’s Gesicht speien – es gelang ihnen doch nicht, die bösen Geister zu vertreiben, welche die Bildung der Wolken regieren.

Die Nothlage verschlimmerte sich mehr und mehr, als die Königin Moina auf den Gedanken kam, einen berühmten Mganuga herbeizurufen, der sich damals im Norden von Angola aufhielt. Es war das ein Hexenmeister ersten Ranges, dessen Kenntnisse umsomehr bewundert wurden, als man sie in dieser Gegend, welche er noch niemals besuchte, eben noch nicht erprobt hatte. Ueberall war jedoch von seinen Erfolgen rücksichtlich der Masikas die Rede.

Am Morgen des 25. Juni verkündete der neue Mganuga durch helles Schellengeläute geräuschvoll seinen Einzug in Kazonnde.

Der Zauberer begab sich geraden Weges nach der Tchitoka, wo ihm sofort eine Menge Eingeborner entgegenströmte. Der Himmel sah etwas weniger regnerisch aus, der Wind zeigte Neigung, umzuschlagen, und diese mit dem Eintreffen des Mganuga zusammenfallenden Vorzeichen der Wiederaufhellung erweckten für jenen eine höchst günstige Stimmung.

Im Ganzen war es ein prächtiger Mann, ein Schwarzer von reinstem Wasser. Er maß mindestens 6 Fuß und mußte gewaltige Körperkraft besitzen Diese Vorzüge imponirten der Menge schon allein.

Gewöhnlich vereinigen sich die Zauberer zu Gruppen von drei bis fünf Mann, wenn sie durch die Dörfer ziehen, und eine gewisse Anzahl Genossen und Helfershelfer bilden ihre Begleitung. Dieser Mganuga erschien allein. Seine ganze Brust war mittelst Pfeifenthon weiß gestreift. Den unteren Theil seines Körpers verhüllte ein weiter Bastrock, dessen »Schleppe« mit der einer eleganten Modedame wetteifern konnte. Eine Schnur mit Vogelschädeln um den Hals, auf dem Kopfe eine Art Lederhaube mit perlengeschmückten Federn, um die Hüften ein kupferner Ring mit Hunderten von Glöckchen und Schellen, welche mehr Lärm machten als das Riemenzeug eines spanischen Maulesels – so gekleidet erschien dieses Muster-Exemplar aus der Zunft der eingebornen Wahrsager.

Sein gesammtes »Handwerkzeug« bestand aus einer Art Korb, dessen Boden ein Flaschenkürbis bildete, und der mit Muscheln, Amuletten, kleinen hölzernen Götzenbildern nebst anderen Fetischen und endlich mit einer beträchtlichen Menge Kuhmistkügelchen angefüllt war, welche nun einmal ein nothwendiges Inventarstück bei den Beschwörungen und den Wahrsagekünsten im Centrum Afrikas darstellen.

Eine von der Menge bald herausgefundene Eigenthümlichkeit dieses Mgannga lag darin, daß er stumm war; dieser Mangel trug aber nur zur Steigerung der Bewunderung bei, mit der man ihn betrachtete. Er ließ nichts als einen tiefen, gedehnten, aber vollkommen bedeutungslosen Kehlton von sich hören. Ein Grund mehr, ihn für desto bewanderter in allen Künsten der Hexerei zu halten.

Der Mgannga umkreiste zunächst den großen Platz, indem er eine Art Pfanentanz aufführte, bei dem alle seine Schellen und Glöckchen schrillend ertönten. Die Volksmenge folgte ihm unter möglichster Nachahmung seiner Bewegungen. Man hätte eine Heerde Affen vor sich zu sehen geglaubt, die einem riesigen Vierhänder nachsprang. Plötzlich bog der Zauberer in die Hauptstraße von Kazonnde ein und tänzelte auf die königliche Wohnung zu.

Sobald die Königin Moina von der Ankunft des neuen Magikers Nachricht erhielt, erschien sie, gefolgt von ihren Höflingen.

Der Mganuga verneigte sich vor ihr bis zur Erde und erhob sich, indem er seine prächtige Gestalt zeigte. Dann streckten sich seine Arme nach dem Himmel, an dem lange Wolkenfetzen schnell vorüberflogen. Auf diese Wolken wies der Zauberer mit der Hand, ahmte ihre Bewegungen mit lebendiger Pantomime nach und zeigte, wie sie nach Westen hin flohen, aber von Osten her wiederkehrten in Folge einer Rotationsbewegung, welche Niemand zu hemmen im Stande war.

Plötzlich, und zum größten Entsetzen der Stadt und des Hofes, ergriff der Zauberer die erhabene Souveränin von Kazonnde. Einige Höflinge wollten sich diesem, jeder Etiquette Hohn sprechenden Vorgehen widersetzen; der muskelkräftige Mganuga packte aber den Nächsten am Genick und schleuderte ihn gute fünfzehn Schritt weit von sich weg.

Die Königin schien dieses sichere, selbstbewußte Auftreten nicht zu mißbilligen. Sie sah den Zauberer mit einer Grimasse, welche ein Lächeln bedeuten sollte, zustimmend an, und dieser schleppte die Herrscherin schnellen Schrittes fort, während die Volksmenge dem Paare nachfolgte.

Jetzt wendete sich der Magiker nach dem Etablissement von Alvez zu, dessen geschlossene Pforte er bald erreichte. Ein Fußtritt von ihm sprengte dieselbe und er brachte die gänzlich seiner Gewalt unterworfene Königin in die Factorei.

Der Händler, seine Soldaten und Sklaven waren herzugelaufen, den fremden Eindringling zu züchtigen, der die Thüren sprengte, statt zu warten, bis man ihm öffnete. Beim Erblicken der Königin, welche selbst keinen Einspruch gegen das ganze Verfahren erhob, hielten sie sich jedoch in respectvoller Entfernung.

Ohne Zweifel wollte Alvez schon die Königin fragen, was ihm die Ehre ihres Besuches verschaffe: der Magiker aber ließ ihm dazu gar nicht Zeit, sondern begann, nachdem er durch Zurückscheuchung der Umstehenden sich genügenden Platz gemacht, die frühere Pantomime womöglich mit noch größerer Lebhaftigkeit. Er wies mit der Hand nach den Wolken, drohte ihnen und verfluchte sie, und machte Bewegungen, als ob er sie erst festhalten und dann zerstreuen wollte. Seine Wangen blähten sich gewaltig auf und er blies nach dem Haufen schwerer Dunstmassen, als vermöchte er ihn dadurch zu zertheilen. Dann richtete er sich lang auf, wie um sie in ihrem Laufe zu hemmen, und man konnte angesichts seiner Riesengestalt beinahe glauben, daß er sie mit den Händen zu fassen vermöge.

Die abergläubische Moina, geradezu »gepackt« durch das Spiel des Komödianten, war völlig außer sich. Wiederholt entfuhr ihr ein sinnloser Schrei. Sie phantasirte und ahmte instinctiv die Bewegungen des Mganuga nach. Die Höflinge und das Volk folgten diesem Beispiele, so daß sich die dumpfen Kehllaute des Magikers bald unter dem Gesang, dem Geschrei und dem Heulen verloren, welches die Natur der Landessprache so leicht hervorbringt.

Stiegen deshalb aber weniger Wolken am westlichen Horizonte auf, um die Tropensonne zu verschleiern? Nein. Gerade als die Königin und deren treue Unterthanen die bösen Geister, welche sie durch die unaufhörlichen Platzregen plagten, zu verscheuchen glaubten, überzog sich der seit dem Morgen etwas hellere Himmel wieder mit dunklen Wolken.