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– Sie ist also sehr kostbar? fragte Mrs. Weldon.

– Ob sie kostbar ist! rief Vetter Benedict. Ein Insect, das weder eine Coleoptere, noch eine Neuroptere, noch eine Hymenoptere ist, das keiner der den Gelehrten bekannten zehn Ordnungen angehört und das man versucht wäre, eher einer zweiten Abtheilung der Arachniden beizuzählen. Eine Art Spinne, welche auch eine Spinne wäre, wenn sie acht Füße hätte, die aber eine Hexapode ist, weil sie deren nur sechs hat! O, meine Freunde, diese Genugthuung war mir der Himmel schuldig, und endlich werde ich meinen Namen an eine wissenschaftliche Entdeckung knüpfen! Dieses Insect hier wird der »Hexapodes Benedictus« sein!«

Der enthusiastische Gelehrte vergaß, da er sein Steckenpferd tummelte, so schnell alles überstandene Leid, daß Mrs. Weldon und Dick Sand ihm ihre herzlichen Glückwünsche nicht vorenthalten konnten.

Indeß trieb die Pirogue auf den dunklen Wellen des Flusses hin. Nur das Klappern der Schuppen von Krokodilen unterbrach das Schweigen der Nacht, oder das Schnaufen der Flußpferde, die sich schwerfällig am Ufer wälzten.

Durch das Gezweig des Daches sendete der Mond, der hinter den Gipfeln der Bäume aufstieg, einige sanfte Strahlen bis in’s Innere des Fahrzeugs.

Plötzlich entstand am rechten Flußufer ein entferntes Geräusch, so als ob riesige Pumpen im Dunklen thätig wären.

Es rührte das von mehreren hundert Elefanten her, die, nachdem sie sich den Tag über an Wurzeln gesättigt, nun ihren Durst löschen wollten, bevor sie der Ruhe pflegten. Man hätte wirklich fürchten können, daß die Rüssel alle, welche sich gleichzeitig wie durch automatische Bewegung hoben und senkten, den großen Fluß trocken legen würden.

Achtzehntes Capitel.

Verschiedene Vorkommnisse.

Acht Tage lang schwamm das Fahrzeug, allein von der Strömung getrieben, unter den beschriebenen Verhältnissen den Fluß hinab, ohne daß sich irgend ein erwähnenswerther Zwischenfall ereignete. Auf eine Strecke von mehreren Meilen badete der Wasserlauf den Saum der prächtigsten Wälder. Weiterhin verbreiteten sich auf dem baumlosen Lande gefährliche Dschungeln bis zum fernen Horizonte.

Zeigten sich in diesem ganzen Gebiete auch keine Eingebornen – worüber Dick Sand sich natürlich am wenigsten beklagte – so besaß jenes doch einen wahren Ueberfluß an Thieren. Da spielten am Ufer Zebras, Elennthiere, »Caamas«, d.i. eine Art höchst graziöser Antilopen, welche während der Nacht verschwanden, um Leoparden, deren durchdringendes Heulen man hörte, oder Löwen Platz zu machen, welche durch die hohen Gräser sprangen. Bisher hatten die Flüchtlinge noch in keiner Weise, weder von den Raubthieren des Waldes, noch von denen des Stromes zu leiden gehabt.

Tagtäglich, meist im Laufe des Nachmittags, lief Dick Sand das eine oder das andere Ufer an, stieg daselbst aus und durchsuchte die Umgebung.

Die Nahrungsvorräthe mußten ja immer erneuert werden. In diesen, aller Cultur entbehrenden Ländereien durfte man Manioc, Sorgho, Mais, d.s. die Früchte, von denen sich die Eingebornen vorwiegend nähren, nicht zu finden hoffen. Die genannten Pflanzen wuchsen hier nur wild und waren nicht eßbar. Dick Sand sah sich deshalb auf die Jagd angewiesen, obwohl der Knall seines Gewehres leicht eine unangenehme Begegnung zur Folge haben konnte.

Feuer bereitete man sich durch schnelle Umdrehung eines Stückchen härteren Holzes in einem etwas ausgehöhlten Stück Feigenbaumholze, ganz wie es die Eingebornen thun und wie es selbst Affen thun sollen, da man wenigstens behauptet, daß die Gorillas sich auf diese Weise Feuer zu verschaffen wissen. Dann kochte man gleich für mehrere Tage den nöthigen Bedarf an Elenn-oder Antilopenfleisch. Im Laufe des 4. Juli glückte es Dick Sand, mit einer einzigen Kugel einen »Poku« zu erlegen, der einen ansehnlichen Vorrath an Wildpret lieferte. Es war das ein 1∙5 Meter langes Thier, mit langen, ringförmig verdickten Hörnern, gelbrothem Fell, das auf dem Rücken und an den Seiten mit hellglänzenden Punkten übersäet, am Bauche aber ganz weiß war, und dessen Fleisch für sehr schmackhaft befunden wurde.

Bringt man die Zeit in Anschlag, welche das fast tägliche Landen beanspruchte, und zieht man auch die Ruhestunden während der Nacht ab, so durfte man die am 8. Juli weiter zurückgelegte Strecke höchstens auf hundert Meilen abschätzen. Immerhin war das beträchtlich zu nennen, und Dick Sand fragte sich, bis wohin ihn dieser scheinbar endlose Fluß wohl tragen werde, der bisher nur unbedeutende Nebenarme aufnahm, ohne sich dadurch sehr merkbar zu verbreitern. Nachdem derselbe übrigens lange Zeit die Hauptrichtung nach Norden eingehalten, wandte er sich jetzt nach Nordwesten.

Nebenbei lieferte auch der Fluß selbst einen Theil der nöthigen Nahrung. An langen, mit Dornen in Form von Angelhaken besetzten Lianen fingen sich zuweilen sehr schmackhafte »Sandjikas«, welche, auf Indianer-Weise gedörrt, weithin mitgeführt werden konnten; schwarze, sehr geschätzte »Usakas«, ferner breitköpfige »Monndes«, deren Kiefern mit Borsten an Stelle der Zähne besetzt sind, und kleine »Dagalas«, welche schnellfließendes Wasser lieben, zum Geschlecht der Strömlinge gehören und lebhaft an die »Whitebails« der Themse erinnern.

Am 9. Juli ward Dick Sand’s bewährte Kaltblütigkeit auf eine harte Probe gestellt. Er befand sich allein am Lande, auf dem Anstand nach einem Caama, dessen Hörner über ein Gebüsch hinausragten, und hatte eben auf dieses Feuer gegeben, als in dreißig Schritt Entfernung ein furchtbarer Jäger aufsprang, der jedenfalls die ihm gebührende Beute in Anspruch nehmen wollte und wenig geneigt schien, dieselbe aufzugeben. Es war das ein hochgewachsener Löwe von der Art, welche die Landesbewohner »Karamos« nennen, und nicht von der mähnenlosen Abart, die als »Löwen des Nyassi« bekannt sind. Das Exemplar, von dem hier die Rede ist, maß 11/2 Meter in der Höhe – wirklich ein furchtbares Thier.

Mit gewaltigem Sprunge hatte der Löwe sich auf das Caama gestürzt, welches Dick Sand’s Kugel niederstreckte, und das, weil es noch lebte, sich schreiend unter der mächtigen Tatze des schrecklichen Raubthieres wand.

Dick Sand hatte nicht Zeit gehabt, sein Gewehr noch einmal zu laden.

Der Löwe selbst wurde seiner auch im ersten Moment gewahr, begnügte sich aber zunächst, ihn anzusehen.

Dick Sand blieb seiner so weit Herr, keine Bewegung zu machen. Er erinnerte sich, daß unter ähnlichen Umständen in der Unbeweglichkeit allein Rettung zu finden sei. Er versuchte gar nicht, seine Waffe noch einmal zu laden oder gar zu entfliehen.

Noch immer starrte ihn der König der Thiere mit den rothen, leuchtenden Katzenaugen an. Er schien zwischen zwei Beuten, der zappelnden und der bewegungslosen zu schwanken. Hätte sich das Caama nicht unter den Klauen des Löwen bewegt, so wäre Dick Sand verloren gewesen.

So schlichen zwei angstvolle Minuten hin. Der Löwe sah Dick Sand, Dick Sand den Löwen an, ohne nur mit einem Lide zu zucken.

Da peitschte der Löwe den Boden mit dem stolzen Schweife, nahm das zuckende Caama auf und trug es im Rachen fort wie ein Hund den Hafen. Schnell brach das Raubthier durch die Gebüsche und verschwand im hohen Gehölz.

Dick Sand blieb noch immer einige Augenblicke regungslos stehen, dann verließ er die Stelle und suchte seine Gefährten wieder auf, ohne diesen auch nur ein Wort von der Gefahr zu erzählen, der er nur durch seine muthige Kaltblütigkeit entronnen war. Mußten die Flüchtlinge freilich, statt auf dem raschen Strome, durch die von ähnlichen Raubthieren wimmelnden Ebenen und Wälder ziehen, so wäre heute Niemand mehr von den Ueberlebenden des »Pilgrim« übrig gewesen.

Wenn sich das Land indeß jetzt unbewohnt erwies, so war das doch nicht immer so gewesen. Da und dort, meist in Niederungen, hätte man wohl die Spuren früherer Ansiedelungen nachzuweisen vermocht. Ein mit diesen Verhältnissen vertrauter Reisender, wie etwa David Livingstone, hätte sich in dieser Hinsicht nicht täuschen können. Die Erscheinung hoher Palissaden von Euphorbien, welche die einst von ihnen umschlossenen Strohhütten überdauerten, oder eines geheiligten Feigenbaumes, der sich isolirt innerhalb einer solchen Einfriedigung erhob, verrieth, daß sich an solchen Stellen einmal ein Dorf befunden habe. Nach der Sitte der Eingebornen genügte indeß schon das Ableben eines Häuptlings, um die Einwohner zum Verlassen ihrer Wohnungen und zur Verlegung derselben nach einem anderen Orte zu zwingen.