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»He, ich glaube, er hat’s geschluckt!«, ruft Pauli und macht einen kleinen Luftsprung.

»Glaube ich auch!«, ruft Tom. »Aber wer zum Teufel ist der Chinese?«

Kira maunzt.

»Sag ihnen, das ist ein undurchsichtiger Typ, der ab und zu mal bei uns aufgekreuzt ist. In Wirklichkeit ist der wohl Vietnamese, doch Vadim hat ihn immer den Chinesen genannt. Es war nur so ein Gefühl, dass der damit etwas zu tun haben könnte. Ist aber anscheinend richtig.«

Ich erkläre es Tom und Pauli kurz, die mich daraufhin mit großen Augen angucken. Tom bläst die Backen auf und pustet dann laut los.

»Puh – das klingt schwer nach organisierter Kriminalität. Hoffentlich ist das für uns nicht eine Nummer zu groß.«

»Ach was!« Pauli stemmt die Hände in die Hüften. »Wir müssen doch gar nichts Besonderes tun! Übermorgen rufst du an. Und wenn er sagt, dass er die Zigaretten hat, dann schleichen wir mit dem Schlüssel von Kiras Mutter heimlich in die Wohnung, fotografieren sein Versteck und rufen die Polizei. Damit haben wir bewiesen, dass Vadim gelogen hat. Kiras Mutter ist aus dem Schneider, denn dann glaubt ihr die Polizei bestimmt. Ganz einfach!«

»Und was, wenn er die Zigaretten gar nicht mehr in der Wohnung versteckt, sondern woanders?«

»He, Tom, seit wann bist du denn so ein Miesepeter? Das wird schon alles klappen!«

»Hoffentlich … Ich will ja nur sichergehen, dass wir Kiras Mutter nicht noch mehr Probleme machen, als sie ohnehin schon hat. Denn schließlich«, sagt Tom und schaut mich mit einem sehr netten Lächeln an, »sind wir doch Freunde. Und Freunde helfen sich, wenn’s brenzlig wird.«

Auf dem Rückweg von Tom ist Kira ungewöhnlich schweigsam. Ich frage mich, worüber sie wohl gerade nachdenkt. Kurz bevor wir in der Hochallee ankommen, rückt sie schließlich damit heraus.

»Okay, vielleicht ist das mit den Außenseitern auch Quatsch. Also, dass die einen runterziehen. Tom und Pauli sind jedenfalls schwer in Ordnung. Da hattest du echt den richtigen Riecher. Danke, Winston!«

Sie reibt ihren Kopf an meinen Beinen. Ich bücke mich und streichle über ihr Fell.

»Tja, wahrscheinlich ist es immer leichter, wenn es nicht um die eigenen Probleme geht. Ich komme zwar mit Tom und Pauli super aus, aber dafür mögen mich die Hofkatzen überhaupt nicht. Vor allem Odette … Die findet mich total doof! Ich wünschte, ich könnte das ändern.«

Kira schnurrt.

»Hm, warte mal. Vielleicht fällt uns für dein Problem auch eine Lösung ein. Lass mich kurz darüber nachdenken.«

»Tja, schön wär’s. Aber ich fürchte, bei der Dame bin ich untendurch.«

»He, Winston, Kopf hoch! Ich dachte, du seist ein Kämpfer. Und außerdem habe ich schon eine Idee, wie wir dir helfen können. Hör zu: Wenn wir oben in der Wohnung sind, schnappst du dir meinen – also deinen – Napf und bringst den Katzen im Hof etwas zu essen. Und dann erzählst du ihnen, dass das ein Geschenk von Winston ist. Die verstehen doch, was Menschen sagen, oder?«

»Ja, klar. Ich habe dich ja auch verstanden, als ich noch ein Kater war.«

»Sehr gut. Stell Odette also den vollen Napf hin, mit den besten Empfehlungen quasi. Bei den Menschen kann man Frauen mit einer Essenseinladung sehr beeindrucken. Während sie dann leckere Geflügelleber mampft, erklärst du ihr, was für ein toller Kater Winston eigentlich ist. Was sagst du dazu?«

»Eigenlob stinkt.«

»Quatsch. Imagepflege ist alles. Es ist wie mit der Werbung. Angeblich finden sie alle doof, aber was man im Fernsehen sieht, ist trotzdem interessant.«

»Hofkatzen gucken kein Fernsehen.«

»Mann, Winston, sei nicht so negativ! Außerdem weiß Odette doch gar nicht, dass du du bist.«

Da hat Kira natürlich recht. Vielleicht ist ihr Plan also gar nicht so verkehrt. Und vor allem ist es immerhin ein Plan. Ich habe ja nicht mal den.

»Tja, wenn du meinst … dann mache ich das.«

»Gut so! Und wenn sie gefressen hat und du wieder weg bist, tauche ich irgendwann auf und erzähl ihr mal ein paar Sachen, die sie bestimmt gern hört. Du wirst sehen: Die kriegen wir schon auf deine Seite!«

»Ach ja? Aber woher willst du denn wissen, was Odette gern hört? Du bist doch gar keine Katze. Nicht so richtig, auf jeden Fall.«

Kira gibt ein prustendes Geräusch von sich.

»Mann, Winston! Ich meine doch nicht, was sie als Katze gern hört. Ich meine, womit man sie als Frau beeindruckt. Und damit kenne ich mich garantiert aus! Ich bin schließlich auch eine Frau. Wenn auch noch eine ziemlich junge. Aber das macht nichts. Ich glaube, ich weiß, wie das funktioniert.«

Wenig später stehe ich also tatsächlich mit einem Napf voll mit feinster Geflügelleber im Hof. Es riecht wirklich extrem verführerisch. Kein Wunder, dass die drei Hofbewohner Spike, Odette und Karamell schon auftauchen, bevor ich überhaupt an den Mülltonnen angelangt bin.

»Miez, miez, miez!«, rufe ich laut, obwohl ich als Katze diesen Lockruf immer oberbescheuert fand. Aber momentan fällt mir nichts Besseres ein. Denn ich bin doch ein wenig aufgeregt. Klar, Odette weiß gar nicht, dass ich Winston bin. Trotzdem sorgt der Gedanke an ein Gespräch mit ihr bei mir für Herzrasen.

Ich bücke mich und stelle den Napf auf den Boden. Dann hocke ich mich daneben und beobachte, wie die drei erst vorsichtig um ihn herumschleichen, nach kurzem Zögern aber kräftig zulangen. Bevor der Napf leer ist und die Katzen wieder abhauen, starte ich die Operation Imagepflege.

»Das ist übrigens eine Überraschung von eurem Freund Winston. Er lässt euch schön grüßen.«

Spike und Karamell fressen völlig unbeeindruckt weiter, aber Odette mustert mich. Erstaunt, wie es mir scheint. Wahrscheinlich fragt sie sich gerade, ob ich, also ob Kira womöglich eine Vollmeise hat. Aber das ist mir im Moment egal und ich quassele munter drauflos.

»Winston macht sich viele Gedanken um euch. Er ist nämlich ein sehr feiner Kerl und sehr rücksichtsvoll.«

Odette setzt sich und wendet den Blick nicht mehr von mir. Vollmeise. In ihren Augen kann ich ganz klar das Wort Vollmeise lesen. Mir doch wurscht!

»Ihr werdet es nicht glauben, aber heute Morgen hat er tatsächlich versucht, seinen Napf aus der Küche ins Treppenhaus zu schleppen. Mitsamt dem Futter! Und als ich dazukam, hat er laut miaut, ist dann auf die Fensterbank gesprungen und hat mit der Tatze in den Hof gedeutet. Da war mir sofort klar, was er wilclass="underline" euch Futter bringen!«

Ich nicke bedächtig und spreche langsamer, um meinen Worten noch mehr Gewicht zu verleihen. »Ja, Winston ist ein feiner Kerl. Das wird nur oft übersehen, weil er auch so schlau und vornehm ist. Da hält man ihn oft für arrogant und eingebildet. Das ist er aber gar nicht! Nein, er ist ein gaaanz feiner Kerl, ein ganz feiner!«

Okay, Winston. Das war jetzt vielleicht ein bisschen dick aufgetragen. Ich beschließe, dass es mit meiner Lobeshymne auf mich selbst nun reicht. Stattdessen strecke ich die Hand vor und kraule Odette am Hals und hinter ihren Ohren. Sie lässt es geschehen, kommt sogar ein Stückchen näher.

Es ist ziemlich schade, dass ich mich als Mensch nicht mit ihr unterhalten kann. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass sie tatsächlich überlegt, ob Winston vielleicht doch nicht der aufgeblasene Fatzke ist, für den sie ihn bisher gehalten hat.

Sollte Werbung auch bei Katzen funktionieren? Selbst ohne Fernsehen? Erstaunlich!

Ein Plan wird in die Tat umgesetzt.

Eigentlich eine sehr gute Idee. Eigentlich.

Zwei Tage später sitzen wir wieder in Toms Zimmer – Tom, Pauli, ich und natürlich Kira. Falls sich meine Freunde wundern, warum ich eigentlich immer meine Katze dabeihabe, lassen sie es sich jedenfalls nicht anmerken. Ich bin ziemlich nervös, meine Handflächen sind feucht. Allerdings gibt es dafür auch gute Gründe: Schließlich wird Tom gleich bei Vadim anrufen. Und wenn der die Zigaretten tatsächlich besorgt hat, dann tritt unser Plan in Kraft: Tom verabredet sich mit Vadim erst für morgen zur Übergabe – damit stellen wir sicher, dass Vadim die Zigaretten so lange zu Hause behält. Dann rufe ich Vadim an und verabrede mich mit ihm für heute Nachmittag an der Alster – so locken wir ihn aus dem Haus. Ich werde einfach behaupten, ich habe eine Nachricht von Anna für ihn und müsse sie ihm persönlich geben. Wenn er das Haus verlässt, gehen wir in seine Wohnung und suchen die Zigaretten. Die fotografieren wir, und zwar zusammen mit einer Tageszeitung, auf der man das Datum lesen kann. So können wir beweisen, dass Vadim immer noch schmuggelt. Das werden wir Vadim dann auch auf den Kopf zusagen – ihn damit konfrontieren, nennt Pauli das. Tolles Wort! Und wenn er nicht aufhört, Lügen über Anna zu verbreiten, werden wir mit den Fotos zur Polizei gehen. Aber wir hoffen natürlich, dass Vadim seine Falschaussage von allein zurückzieht, wenn er erkennt, dass er in unsere Falle getappt ist. Ein gigantomanischer Plan, oder?