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Tom legt das Stofftaschentuch über den Hörer, holt tief Luft und wählt. Es klingelt nur kurz, bevor Vadim rangeht.

»Hallo?«

»Hallo, hier ist Joe.« Tom klingt wieder ganz lässig und entspannt. Teufelskerl! Ich verwette meinen Kratzbaum, dass Tom diesem Agenten 006 oder 7, für den Werner so schwärmt, in Sachen Abgebrühtheit in nichts nachsteht.

»Ich hab die Ware.« Vadim hingegen klingt angespannt. Aber das liegt vielleicht auch daran, dass der Lautsprecher des Telefons seine Stimme verzerrt.

»Gut. Ich habe die Kohle.« Diesmal mache ich nicht den Fehler wie mit den Ziegen: Ich weiß jetzt, dass Tom Geld meint und nicht etwa Briketts, mit denen man im Sommer den Grill anschmeißen kann. Als schlauer Kater lerne ich schließlich schnell!

»Dann lass uns um fünf Uhr treffen. Auf dem Parkplatz vom TOOM-Markt. Kennst du den?«, will Vadim wissen.

»Kenn ich. Aber heute schaff ich es nicht. Lass uns morgen um fünf treffen.«

Aufgeregt halte ich die Luft an. Hoffentlich geht Vadim darauf ein und schöpft nicht etwa Verdacht!

»Okay, morgen, fünf Uhr, TOOM-Markt

»Wie erkenne ich dich?«

»Schwarze Lederjacke. Stehe bei den Einkaufswagen.«

»Gut. Ich trage ein rotes Basecap. Bis morgen!«

Klick. Diesmal hat Tom zuerst aufgelegt. Aber das war auch seine Taktik: Kein Wort zu viel, sonst verrät man sich noch!

»Uff«, sagt Pauli und wischt sich melodramatisch den Schweiß von der Stirn. »Teil eins hat schon mal geklappt. Jetzt ist Kira dran. Hast du dein Handy mit?« Ich nicke. Erst hatten wir beschlossen, dass ich Vadim mit unterdrückter Telefonnummer anrufe, so wie es Tom gemacht hat. Aber dann dachten wir, dass es eigentlich ganz gut ist, wenn er gleich sieht, wer bei ihm durchklingelt.

Meine Hand zittert ein bisschen, als ich Vadims Nummer eintippe. Es klingelt wieder nur kurz, dann geht Vadim ran.

»Kira!«, ruft er und klingt überrascht, aber eigentlich ganz freundlich. »Was gibt’s? Wie geht es Anna?«

»Gut«, sage ich knapp, denn ich habe nicht vor, mich von dem Verbrecher in ein Gespräch verwickeln zu lassen. »Hör mal, Vadim, ich muss dich heute treffen. Ich habe eine Nachricht von Mama an dich und ich muss sie dir persönlich geben.«

»He, warum machst du so ein Geheimnis? Was ist los?«

»Das kann ich dir nur persönlich sagen. Also, hast du Zeit?«

»Ja. Um fünf. Ein anderer Termin ist gerade geplatzt.«

»Dann treffen wir uns bei Bodos Bootssteg an der Alster. Das ist ein Café. Du kannst es nicht verfehlen. Es ist direkt am Fähranleger Alte Rabenstraße.«

Tom und Pauli haben sich überlegt, dass es schlau wäre, Vadim möglichst weit von seiner Wohnung wegzulocken. Zur Alster braucht er locker eine halbe Stunde hin und eine halbe zurück. Wir haben also genug Zeit für unsere Hausdurchsuchung mit Fototermin.

»Bodos Bootssteg? Na gut, warum nicht. Vielleicht lade ich dich zu einem Eis ein.« Vadim klingt blendend gelaunt und will bei Kira offensichtlich gut Wetter machen. Perfekt! Der ahnt schon mal nichts! Ich bedanke mich für sein Angebot, dann lege ich auf. Und fühle mich auf einmal wirklich wie ein Agent!

»Da! Das ist er!« Kira wedelt ganz aufgeregt mit ihrem Schwanz hin und her, als ein ziemlich großer, ziemlich unsympathisch aussehender Mann das graue Mehrfamilienhaus verlässt, vor dem wir schon fast eine halbe Stunde herumlungern. Gut versteckt durch ein Gebüsch haben wir darauf gewartet, dass Vadim endlich herauskommt, um zur Alster zu fahren und sich dort mit Kira zu treffen.

»Das ist Vadim!«, informiere ich Pauli und Tom.

»Okay! Lass uns warten, bis er um die Ecke ist – und dann los!« Tom scheint richtig heiß auf unseren Einsatz zu sein. Ich muss zugeben, dass ich noch ein bisschen ängstlich bin. Immer wieder umfassen meine klammen Finger den Wohnungsschlüssel, der in meiner Hosentasche steckt und den ich Anna von ihrem Schlüsselbund geklaut habe.

Als von Vadim schließlich nichts mehr zu sehen ist, kommen wir aus unserem Versteck gekrabbelt. Kira läuft vorweg und ich kann einfach so tun, als würde ich mich hier bestens auskennen.

»Na, ’ne tolle Gegend ist das hier nicht gerade«, bemerkt Pauli spöttisch, als wir auf das Haus zugehen. Sie hat recht: Während die Hochallee eigentlich nur aus wunderschönen gepflegten Villen besteht, sieht es hier ganz schön rumpelig aus. Der Vorgarten des Hauses ist ungepflegt, leere Dosen und Zeitungen liegen herum, das Unkraut sprießt. Die Hausfassade ist vollgekritzelt und den Gehsteig könnte auch mal jemand fegen. Hier möchte ich wirklich nicht wohnen! Tom runzelt die Stirn.

»Mann, Pauli, du klingst schon wie die doofe Leonie oder eine ihrer Anhängerinnen! Es haben eben nicht alle Leute so viel Kohle wie in unserer Gegend. Heißt ja nicht, dass die hier nicht genauso nett sind.«

»Prrr! Tom, unser Arztsohn! Immer auf der Seite der Armen.« Pauli kichert. »Nee, die sind hier bestimmt alle richtig nett. Vor allem der Vadim!«

»Die sollen sich mal konzentrieren!« Kira klingt genervt. »Gedanken über die Unterschiede zwischen armen und reichen Ecken in Hamburg können wir uns noch machen, wenn wir wieder zu Hause sind. Wir sollten hier mal Gas geben!«

Stimmt genau. Gas geben! Ich treibe meine Freunde an.

»Also, nun lasst uns endlich den Job erledigen, für den wir hergekommen sind!« Ich schließe die Haustür auf. Miau! Der Schlüssel passt. Sehr gut!

»Dritter Stock, rechte Tür!«, dirigiert mich Kira. Ich laufe los, Tom und Pauli hinterher. Vor der Wohnungstür bleibe ich stehen und hole tief Luft. Jetzt geht’s um die Wurst! Ich stecke den Schlüssel vorsichtig ins Schloss.

Klick, klick! Die Tür öffnet sich und wir stehen im kleinen Flur einer noch kleineren Wohnung. Jedenfalls kommt sie mir im Vergleich zu Werners Wohnung so vor. Die Decken sind viel niedriger, auf dem Boden liegt ein ausgeblichener grauer Teppich, und das Zimmer, das wir direkt vor uns sehen, ist in etwa so groß wie der Vorratsraum unserer Küche. Gut, vielleicht ein bisschen größer, aber nicht viel. Zwei weitere Türen gehen noch vom Flur ab, das war’s. Kann man hier wirklich zu dritt wohnen? Mit drei Menschen, wohlgemerkt? Aber vielleicht hat Odette auch recht und ich bin wirklich nur verwöhnt.

Kira läuft geradewegs in das kleine Zimmer vor uns.

»Lass uns im Schlafzimmer anfangen! Wir sollten systematisch Schrank für Schrank durchsuchen. Irgendwo müssen die Zigaretten schließlich sein, wenn Vadim sie in der Wohnung versteckt hat.«

Ich folge ihr ins Zimmer und öffne eine Tür des Schranks, vor den sich Kira gesetzt hat.

»Also, fangen wir mal hier an!«, rufe ich Tom und Pauli zu, bevor ich meinen Kopf im Schrank versenke. Auf den ersten Blick sehe ich nichts, auf den zweiten auch nicht. Mist!