»Oh.« Enttäuscht setze ich mich wieder hin. »Aber es ist wirklich wahr. An unserer Augenfarbe kann man es sehen. Meine, also Winstons, sind grün. Die von Kira als Mädchen blau. Und wir haben unsere Augenfarbe beim Tausch behalten.«
»Aber ist das denn Kiras Mutter nie aufgefallen?«
»Nein. Kira und ich haben alles getan, um es geheim zu halten. Also habe ich in letzter Zeit zu Hause häufiger mal eine Sonnenbrille getragen oder mir den Pony in die Stirn fallen lassen. Wir haben auch schon über farbige Kontaktlinsen nachgedacht, aber die sind so teuer.«
»Okay. Das wäre dann also tatsächlich ein echter Beweis.« Tom schaut nachdenklich. »Dann müssten wir jetzt nur irgendwie feststellen, dass Kira früher wirklich blaue Augen hatte.«
»Aber es stimmt! Glaub’s mir doch!«
»Sorry, Kira oder Winston oder wer auch immer – die Geschichte ist so abgefahren, da brauche ich etwas Handfestes.«
Ich stöhne innerlich. Etwas Handfestes! Was könnte das sein? Ein Foto vielleicht? Aber auf Fotos kann man Augenfarben nur schwer unterscheiden. Und ich habe sowieso kein Foto von Kira griffbereit.
»Mir fällt gerade was ein! Warum rufen wir nicht einfach Anna an und fragen sie?«, schlägt Pauli vor.
»Ja, gute Idee!«, stimmt Tom zu.
»Wir rufen einfach an und fragen? Aber wird sie sich darüber nicht wundern? Sie denkt doch, ich sei ihre Tochter. Dann kenne ich doch meine Augenfarbe.«
»Mach dir mal keinen Kopf, Kira. Oder Winston. Ruf jetzt deine Mutter an und gib mir das Handy, okay?«
Ich nicke ergeben, ziehe mein Handy aus der Hosentasche und wähle die Nummer von Anna. Als es klingelt, gebe ich den Hörer weiter.
»Hallo, Frau Kovalenko! Nein, hier ist nicht Kira, sondern Pauli. Ich brauche mal kurz Ihre Hilfe! Wir sollen hier in der Schule gerade unseren Klassenkameraden genau beschreiben, ohne dass er im Raum ist. Ich sitze also in der Kantine und beschreibe Kira. Aber ehrlich gesagt bin ich mir bei ihrer Augenfarbe nicht sicher. Ist die grün oder blau?« Schweigen. Sie hört offenbar zu, was Anna sagt. »Okay. Danke. Das ist sehr nett. Ja, ich grüße sie. Danke! Tschüss.«
Pauli legt auf. Dann schaut sie uns an.
»Kiras Augen sind strahlend blau. Eine ganz tolle Farbe. Sagt ihre Mutter.«
»Ups«, macht Tom. Und mir fällt ein Stein vom Herzen.
Nach der Schule gehen wir alle in die Eisdiele. Und wenn ich alle sage, dann meine ich: Kira Katze ist auch dabei. Ich habe sie angemorst und ihr von den neusten Entwicklungen erzählt. Daraufhin hat sie uns von der Schule abgeholt und zum Eisessen begleitet. Also habe ich Kira auf dem Schoß, während ich mein Schokoeis schlecke. Begeistert ist sie allerdings nicht davon, dass ich unser Geheimnis gelüftet habe.
»Bestimmt denken die beiden jetzt, du hättest eine Vollklatsche. Damit bin ich dann auch die letzten beiden Freunde los, die ich noch in der Klasse hatte«, jammert sie vor sich hin, während sie gleichzeitig versucht, etwas von dem Eis zu erwischen, das gerade haarscharf an meinem Bein vorbeitropft. Schwierig, so ein Eis zu essen! Muss ich eindeutig noch üben.
»Nun beruhige dich mal, Kira! Sie glauben uns doch!« Dass Pauli sogar in meinen Augen rumgefummelt hat, um sicherzugehen, dass ich keine farbigen Kontaktlinsen trage, verschweige ich mal lieber. Kiras Laune ist sowieso schon auf dem Tiefpunkt. Kein Wunder. Schließlich sind wir mit unserem Rücktausch-Plan bisher noch überhaupt nicht weitergekommen. Ich nehme daher einen neuen Anlauf.
»Ich würde gern noch mal mit euch über die Sache mit dem Magneten sprechen. Kira und ich haben uns nämlich überlegt, dass uns ein Magnet beim Rücktausch helfen könnte. Ich habe schließlich nicht vor, für den Rest meiner neun Katzenleben ein Mädchen zu bleiben. Und ich glaube, Kira vermisst euch auch schon.« Wie zur Bestätigung miaut Kira laut auf. Tom und Pauli gucken sie beeindruckt an.
»Sie versteht uns. Wahnsinn!« Pauli schüttelt den Kopf.
»Wieso sollte euch ein Magnet beim Rücktausch helfen können?«, will Tom von mir wissen.
»Ganz einfach: Durch den Blitzeinschlag auf der Baustelle muss ein riesiges Magnetfeld entstanden sein. Der Blitz ist doch in eine Kabeltrommel eingeschlagen, die mit Kupferkabel umwickelt war. Wenn du aber eine Kupferspule an Strom anschließt, bekommst du einen Elektromagneten. Und da Kira und ich auf der Kabeltrommel saßen, waren wir mitten im Magnetfeld. Das muss den Tausch bewirkt haben. Anscheinend hat uns der Magnet irgendwie aus unseren Körpern rausgezogen. Und auf dem Rückweg vertauscht. Zumindest hoffe ich, dass es so war.«
»Wow!«, ruft Pauli beeindruckt. »Du bist mit weitem Abstand der schlauste Kater, den ich kenne.«
»Na ja«, gebe ich zu, »der Tipp mit dem Elektromagneten stammt von Werner. Der ist Physikprofessor. Von selbst wäre ich wahrscheinlich nicht draufgekommen. Leider hilft uns der Tipp allein aber nicht weiter. Wir brauchen jetzt ein Magnetfeld, das so groß ist, dass ein Mädchen und ein Kater gemeinsam reinpassen.«
In diesem Moment schlägt Tom so heftig mit seiner Faust auf den Tisch, dass die Eisbecher scheppernd aneinanderkrachen.
»Genau das ist es: ein großes Magnetfeld! Ich weiß, wo wir eins herkriegen!«
Miau! Kira springt auf seinen Schoß, Pauli und ich starren ihn an. Als er weiterspricht, hängen wir regelrecht an seinen Lippen.
»Ihr wisst doch, dass mein Vater Arzt ist.«
Wir nicken.
»Genau genommen ist er Radiologe«, fährt Tom fort.
»Äh, was ist das?«, will ich wissen.
»Na, ein Röntgenarzt. Er kann Leute quasi von innen fotografieren«, erklärt Tom.
»Das ist ja sehr schön, aber wir brauchen keinen Arzt, wir brauchen einen Magneten.« Heilige Ölsardine, hat der mir nicht richtig zugehört?
»Moment, Moment, das kommt ja gleich«, beschwichtigt Tom. »Also, mein Vater hat eine große radiologische Praxis. Und da stehen nicht nur Röntgengeräte rum, sondern auch MRTs.«
»Aha«, sagt Pauli, »vielen Dank für die Information. Ehrlich gesagt, interessiert mich die Praxisausstattung deines Alten jetzt eher weniger. Was hat das mit Kira und Winston zu tun?«
»Mensch, Pauli! Denk doch mal nach!«, ruft Tom laut. »MRT! Fällt der Groschen? Wofür steht das wohl?«
Pauli zuckt mit den Schultern.
»Keine Ahnung. Vielleicht für Multi-Risiko-Transporter oder so was in der Art?«
Tom lacht.
»Quatsch. MRT heißt Magnetresonanztomografie. Das Gerät dazu heißt Magnetresonanztomograf.«
Hä? Mir fallen gleich die Ohren ab. Was heißt das? Tom sieht unsere erstaunten Gesichter und wiederholt ganz langsam:
»Magnet-Resonanz-Tomograf. Das ist ein Apparat, der ähnlich wie ein Röntgengerät funktioniert: Du schiebst jemanden rein und kannst Fotos von seinem Körperinneren machen. Und zwar nicht mit Röntgenstrahlen, sondern mit Magnetwellen. Verstanden?«
Pauli und ich gucken uns kurz an.
»Na, so halbwegs«, sagt Pauli dann.
»Dieser Apparat sieht aus wie eine große Röhre und im Inneren dieser Röhre entsteht ein Magnetfeld, wenn man den MRT anschaltet. Die Magnetwellen gehen durch den Menschen, der in der Röhre liegt, und machen ein Bild von ihm. So ungefähr jedenfalls.«
»Mann, woher weißt du denn so was?«, frage ich Tom. Der grinst.
»Ich bin eben superschlau. Nee, mal im Ernst: Ich habe in den letzten Ferien in der Praxis meines Vater gejobbt. Telefondienst und so. Seine Assistentin hat mir den MRT und die anderen Geräte gezeigt, weil ich mich doch so für Computer und Technik interessiere.«
»Und du glaubst, wenn ich mich mit Kira in diese Röhre lege, dann entsteht auch ein Magnetfeld und wir können wieder tauschen?«
Tom nickt.
»Jepp. Das glaube ich.«
Jetzt mischt sich Kira ein.
»Frag ihn mal, ob das nicht gefährlich wäre. Röntgenstrahlen sind jedenfalls nicht ohne. Wer weiß, wie das mit Magnetwellen ist.«
Ich wiederhole Kiras Frage laut. Tom schüttelt den Kopf.
»Keine Sorge. Das MRT-Gerät verursacht keine gefährlichen Strahlen. Das ist ja gerade sein großer Vorteil im Vergleich zum Röntgen. Wir müssten euch beide also nur reinlegen und den MRT anschalten. Aber das traue ich mir zu. Das war gar nicht so schwer.«