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»Ich glaube nicht, dass ich so was habe. Kann mich jedenfalls nicht erinnern, einen verpasst bekommen zu haben. Bis vor Kurzem war ich ein reiner Wohnungskater, da habe ich so etwas gar nicht gebraucht. Und selbst wenn: Das Risiko gehe ich ein. Dann bekomme ich eben warme Öhrchen.«

»Also, so gefährlich, wie das jetzt klingt, ist es gar nicht. Die Assistentin muss nur jeden Patienten danach fragen«, beruhigt uns Tom. »Das ist wie im Flugzeug. Da erklärt die Stewardess auch die Sauerstoffmaske und die Lage der Notausgänge, obwohl man die höchstwahrscheinlich nicht braucht.«

Einleuchtend. Ich merke, wie sich ein Kribbeln in meinem Bauch ausbreitet. Eindeutig die Aufregung.

»Los, Tom! Wir sollten anfangen, bevor ich mir die Sache anders überlege!«

»Gut. Dann erkläre ich euch kurz den Gebrauch der Schwimmwesten …«

»Schwimmwesten?!«

Tom lacht.

»Kleiner Scherz! Eine Sache gibt es aber tatsächlich noch zu sagen: Das MRT-Gerät wird ziemlich laut. Es ist so ein starkes Klopfgeräusch. Nicht erschrecken – das ist ganz normal und kommt durch das An- und Abschalten der Spulen im Inneren des Geräts. Ist ja, wie schon gesagt, eigentlich ein riesiger Elektromagnet. Es gibt auch einen Kopfhörer mit Musik, damit man das Klopfen nicht so hört. Ich fürchte nur, dass der Kira als Katze nicht passt, und wir haben auch nur einen.«

»Dann verzichte ich drauf. Das stehen wir jetzt gemeinsam durch. Oder, Kira?« Kira wirft sich auf den Boden und macht wieder ihre Rolle. Ich muss grinsen, Tom und Pauli gucken ratlos. »Das ist unser neues Zeichen für Ja

»Okay. Dann legt euch mal auf die Liege. Winston, du auf den Rücken, und ich denke, am besten platzieren wir Kira auf deinem Bauch. Pauli und ich müssen den Raum verlassen. Das Gerät wird aus dem Nebenzimmer gesteuert. Wir können euch aber durch das Fenster in der Wand da sehen. So weit klar?«

»Ja. Sonnenklar.« Ich ziehe meine Schuhe aus und lege mich auf die Liege. Pauli setzt mir Kira auf den Bauch. Ich kann spüren, wie Kiras Herz rast. Meines übrigens auch.

Tom macht sich nun irgendwie an dem Gerät zu schaffen. Die Liege fährt langsam in den Zylinder, bis ich vollständig von der Röhre umschlossen bin. Heilige Ölsardine und großer Katzengott, steht mir bei!

»So«, höre ich Toms Stimme, die nun ganz dumpf klingt, »Pauli und ich gehen rüber in den Nebenraum. Von dort schalte ich das Gerät an. Ich denke, zehn Minuten sollten reichen. Der Blitzeinschlag war ja viel kürzer. Seid ihr bereit?«

Kira maunzt, ich rufe: »Bereit!«

»Gut. Viel Glück ihr beiden!«

Die Tür klappt zu, dann wird es ganz still um uns.

»So, Kira, jetzt geht’s um alles«, ermahne ich meine Menschenfreundin. »Immer dran denken: Wir wollen zurücktauschen. ZURÜCKTAUSCHEN!«

»Wird gemacht, Winston. Ich denke an nichts anderes: ZURÜCKTAUSCHEN!«

Mit einem Mal beginnt ein ohrenbetäubendes Klopfen, das mir einen wahnsinnigen Schrecken in die Glieder jagt. Hätte ich doch besser den Kopfhörer nehmen sollen? Egal. Jetzt bloß nicht ablenken lassen! Es zählt nur ein Gedanke: ZURÜCKTAUSCHEN! ZURÜCKTAUSCHEN! Ich will wieder ich selbst sein und in meinen Körper zurück! Ich! Will! Wieder! Winston! Sein!

Alles wieder beim Alten.

Oder doch nicht?

»Kira, bist du wach? Geht es dir gut?« Jemand rüttelt an der Liege. Der Stimme nach Pauli. Puh, überlebt habe ich es also schon mal!

»Ja, bei mir ist alles in Ordnung.«

Kiras Stimme! Obwohl ich nichts gesagt habe. Das kann nur eines bedeuten: Es hat tatsächlich geklappt! Hurra! Ich bin ich! Ein vorsichtiger Blick an mir entlang: Ja – ich habe ein schwarzes Fell und vier Pfoten. Bei meinem Lieblingskratzbaum! Da fallen aber ganze Wagenladungen von Steinen von meinem kleinen Katerherzen.

Langsam rappele ich mich von Kiras Bauch hoch und schaue mich um. Wie groß auf einmal alles um mich herum aussieht! Das hatte ich schon völlig vergessen – als Kater bin ich ziemlich klein. Ich springe auf den Boden und strecke und dehne mich kräftig. Dann setze ich mich vor das Gerät und warte darauf, dass auch Kira aufsteht. Sie hockt auf der Liege, baumelt mit den Beinen und sieht dabei gut gelaunt aus. Meine Güte, von hier unten ist das Teil nicht nur riesig, sondern gigantisch! Ich weiß nicht, ob ich mich in Katzenform in die Röhre getraut hätte – gut, dass Kira als Katze so mutig war. Aber wie es scheint, haben wir das waghalsige Experiment beide heil überstanden. Körperlich zumindest.

Ob wir uns wohl noch in Gedanken unterhalten können? Ich starte einen Versuch.

»Kira, kannst du mich hören?«, denke ich in ihre Richtung. »Steh doch mal auf und komm zu mir rüber!« Aber nichts passiert. Hm. Es scheint leider so zu sein, wie wir vorher vermutet haben: Unterhalten können wir uns in Gedanken nur, wenn wir vertauscht sind. Ich merke, dass mir diese Erkenntnis einen kleinen Stich versetzt.

Mittlerweile ist auch Tom aus dem Nebenraum gekommen und steht bei dem MRT-Gerät.

»Wie geht es dir?«, will er von Kira wissen.

»Eigentlich ganz gut. Mir ist nur noch ein kleines bisschen schwindelig. Aber ich glaube, es hat geklappt. Ich bin wieder Kira.«

»Guck mich mal an.« Dann langes Schweigen. Leider kann ich von hier unten nicht genau sehen, was Tom und Kira gerade machen, aber ich spüre eine gewisse Anspannung. Nun tritt Tom einen Schritt von der Liege zurück.

»Wahnsinn!«, ruft er laut. »Kira, du hast wirklich strahlend blaue Augen!« Er bückt sich zu mir herunter und schaut mich an. »Und Winston hat tatsächlich grüne! Ich fasse es nicht! Unglaublich!«

Warum die Aufregung? Wir haben ihm doch gesagt, dass es so ist? Hat der uns etwa doch nicht geglaubt? Das Gleiche denkt sich offenbar auch Kira.

»He, he – hast du uns etwa nicht vertraut? Winston hat doch gesagt, dass ich als Mensch blaue Augen habe.«

»Ich habe euch schon geglaubt. Hundert Prozent sicher war ich mir allerdings nicht«, antwortet Tom lachend.

»Ist nicht schlimm«, mischt sich Pauli ein. »Ich würde sogar sagen, das ist ziemlich normal. Oder hättest du uns umgekehrt sofort und ohne Zweifel geglaubt, wenn wir erzählt hätten, dass man Tom und mich vertauscht hat?«

»Nee!« An Kiras Stimme kann ich hören, dass sie gerade grinst.

»Na also«, sagt Tom. »Und nun sollten wir mal schnell die Biege machen. Bisher ist alles gut gegangen. Nicht, dass wir auf den letzten Metern noch von der Putzfrau erwischt werden. Die kommt nämlich irgendwann spätabends und würde bestimmt den Schreck ihres Lebens kriegen, wenn sie uns hier sieht.«

»Hast recht! Ab nach Hause!« Kira hüpft von der Liege und steht nun direkt neben mir. »Aber eine Sache muss ich noch ausprobieren: Winston, kannst du mich hören?«

Ah! Das Codewort! Ich schmeiße mich auf den Rücken und drehe mich einmal um mich selbst. Kira klatscht in die Hände.

»Klasse, Winston! Es funktioniert tatsächlich – wir haben also nicht geträumt!«

Nein, das haben wir wirklich nicht! Im Gegenteiclass="underline" Wir haben ziemlich viel erlebt!

Am nächsten Tag wache ich als Kater in meinem eigenen Körbchen auf. Und das fühlt sich einfach großartig an! Ich habe so tief und fest geschlafen, dass ich nicht mal wach geworden bin, als Kira aufgestanden und zur Schule gegangen ist.

In der Wohnung herrscht himmlische Ruhe und ich beschließe, erst zu frühstücken und dann den restlichen Tag auf meinem Lieblingsplatz zu verbringen: dem Sofa im Wohnzimmer. HERRLICH!

Nach einem kleinen Nickerchen und einem weiteren Geflügellebersnack muss ich allerdings einräumen, dass es in der Wohnung nicht nur ruhig, sondern fast ein bisschen langweilig ist. Werner ist an der Uni, Anna bügelt und summt dabei vor sich hin – hm, will sich denn niemand mit mir unterhalten? Ich laufe von Zimmer zu Zimmer, aber natürlich ist hier keiner, mit dem ich ein kleines Schwätzchen halten könnte. Komisch, dass mir bis heute noch nie aufgefallen ist, wie still die Wohnung tagsüber ist und wie wenig hier passiert. Mit was habe ich mich denn früher die ganze Zeit beschäftigt?