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»Ich kann die Zigarre empfehlen. Der junge Havelake schickte sie aus Havanna. Sein Vater ist dort Botschafter.«

»Ja, mein Lieber«, sagte Shane nachsichtig. »Vivian Havelake war in Charles' Abteilung, als Charles die Kadetten kommandierte.«

»Guter Junge, Havelake«, bemerkte Hecht und preßte die Lippen zusammen, um zu zeigen, daß er ein strenger Richter war.

»Es ist doch amüsant, wie sich die Dinge geändert haben.« Shane Hecht sagte dies rasch, mit einem etwas hölzernen Lächeln, als sei es nicht wirklich amüsant. »Solch eine trübe Welt, in der wir jetzt leben. Ich erinnere mich an die Zeit vor dem Krieg, als Charles das Corps auf einem Schimmel inspizierte. So etwas tut man heute nicht mehr, oder? Ich habe nichts gegen Mr. Iredale als Kommandanten, gar nichts. In welchem Regiment war er doch bloß, Terence, weißt du's? Ich bin sicher, er macht es sehr gut, was immer sie jetzt im Ausbildungscorps tun - er kommt mit den Jungen so gut zurecht, nicht? Seine Frau ist eine so nette Person... Ich frage mich nur, wieso sie nie ihr Personal halten können. Ich höre, Mr. Rode wird im nächsten Semester beim Corps aushelfen.«

»Armer kleiner Rode«, sagte Fielding langsam; »rennt herum wie ein junger Hund und versucht, seine Brötchen zu verdienen. Er strengt sich so an; habt ihr ihn bei Schulwettkämpfen brüllen hören? Er hatte noch nie ein Rugbyspiel gesehen, bevor er hierherkam. In den öffentlichen Schulen spielen sie ja kein Rugby - immer nur Fußball. Erinnerst du dich, als er hier ankam, Charles? Es war faszinierend. Zuerst war er sehr demütig und nahm alles in sich auf: die Spiele, die Ausdrucksweise, die Manieren. Dann war es eines Tages, als sei ihm die Macht der Rede gegeben, und er redete unsere Sprache. Es war erstaunlich, wie eine Schönheitsoperation. Es war natürlich Felix D'Arcys Werk - ich habe nie etwas Ähnliches gesehen.«

»Die liebe Mrs. Rode«, sagte Shane Hecht mit jener abstrakten Unbestimmtheit, die sie für ihre giftigsten Aussprüche reservierte: »So süß... und solch simpler Geschmack, findest du nicht? Ich meine, wem sonst wäre es auch nur im Traum eingefallen, diese Porzellanenten an die Wand zu stellen? Die größeren vorne und die kleineren dahinter. Reizend, findet ihr nicht? Wie in einem dieser Teeläden. Wo sie die nur gekauft hat? Ich muß sie einmal fragen. Ich habe gehört, ihr Vater lebt bei Bournemouth. Es muß sehr einsam für ihn sein, meint ihr nicht? So ein vulgärer Ort; niemand, mit dem man sprechen kann.«

Fielding lehnte sich zurück und überblickte seine eigene Tafel. Das Silber war gut. Das beste in Carne, hatte er sagen hören, und er war geneigt, dem zuzustimmen. In diesem Semester verwendete er nur schwarze Kerzen. An derartige Einzelheiten erinnerten sich die Leute, wenn man abgegangen war: »Der gute alte Terence - wunderbarer Gastgeber. Er lud jedes Mitglied des Lehrkörpers während seines letzten Semesters ein, wissen Sie, auch die Ehefrauen. Schwarze Kerzen, eigentlich rührend. Es brach ihm das Herz, daß er sein Haus aufgeben mußte.« Aber er mußte Charles Hecht ärgern. Shane würde das begrüßen. Sie würde ihn dabei anfeuern, weil sie Charles haßte, weil sie in ihrem großen, häßlichen Körper so listig war wie eine Schlange.

Fielding sah Hecht an, und dann Hechts Frau, und sie lächelte zurück, das langsame, verkommene Lächeln einer Hure. Einen Augenblick stellte sich Fielding vor, wie Hecht in dem dicken Körper wühlte: Es war eine Szene, die an Lautrec gemahnte... ja, das war's! Charles, aufgeblasen und zylinderbehütet, steif auf der Plüschbettdecke sitzend; sie massiv, hängebrüstig und gelangweilt. Das Bild gefiel ihm: Pervers, den Dummkopf Hecht aus der spartanischen Sauberkeit Carnes in die Pariser Bordelle des neunzehnten Jahrhunderts zu versetzen...

Fielding begann zu sprechen, oder vielmehr mit jenem Anschein freundlicher Objektivität, den Hecht, wie er wußte, verabscheute, zu dozieren.

»Wenn ich auf meine dreißig Jahre in Carne zurückblicke, so wird mir bewußt, daß ich noch weniger erreicht habe als ein Straßenkehrer.« Sie beobachteten ihn jetzt. »Ich pflegte einen Straßenkehrer als eine im Vergleich zu mir inferiore Person zu betrachten. Nun bezweifle ich das. Etwas ist schmutzig, er macht es sauber, und der Zustand der Welt ist verbessert. Aber ich - was habe ich getan? Ich habe die Stellung einer herrschenden Klasse verteidigt, die sich weder durch Begabung noch Kultur oder Geist auszeichnet; habe für eine weitere Generation die Konventionen eines toten Zeitalters lebendig erhalten.«

Hecht, der die Kunst, Fielding nicht zuzuhören, nie bis zur Vollendung gebracht hatte, wurde rot und wetzte am anderen Tischende nervös herum.

»Lehren wir sie denn nicht, Fielding? Wie steht's denn mit unseren Erfolgen, unseren Stipendien?«

»Ich habe nie in meinem Leben einen Jungen etwas gelehrt, Charles. Gewöhnlich war der Junge nicht klug genug; manchmal war ich's nicht. Siehst du, bei den meisten Jungen erlischt die Aufnahmefähigkeit in der Pubertät. Bei einigen hält sie an; aber wo wir sie finden, geben wir in Carne uns alle Mühe, sie abzuwürgen. Wenn sie unsere Anstrengungen überlebt, gewinnt der Junge ein Stipendium... Habe Nachsicht mit mir, Shane; es ist mein letztes Semester.«

»Letztes Semester oder nicht, du übertreibst, Fielding«, sagte Hecht zornig.

»Das ist in Carne Tradition. Diese Erfolge, wie du sie nennst, sind die Fehlschläge, sind die seltenen Jungen, die die Lehren von Carne nicht aufgenommen haben. Sie haben den Kult der Mittelmäßigkeit ignoriert. Wir können nichts für sie tun. Aber für die übrigen - die verwirrten kleinen Kleriker und die blinden kleinen Soldaten -, für die ist die Wahrheit von Carne an die Wand geschrieben, und sie hassen uns.«

Hecht lachte etwas schwerfällig.

»Warum kommen dann so viele zurück, wenn sie uns so sehr hassen? Warum erinnern sie sich an uns und kommen uns besuchen?«

»Weil wir, mein lieber Charles, die Schrift an der Wand sind! Die einzige Lehre von Carne, die sie nie vergessen. Sie kommen zurück, um uns zu lesen, siehst du das nicht? Von uns haben sie das Geheimnis des Lebens erlernt: daß wir alt werden, ohne weise zu werden. Sie haben erkannt, daß sich nichts ereignete, als wir erwachsen wurden: kein blendendes Licht auf der Straße nach Damaskus, kein plötzliches Gefühl der Reife!« Fielding legte den Kopf zurück und blickte zum derben viktorianischen Fries an der Decke hinauf, und zum Schmutzring um die Lampenrosette. »Wir sind nur ein bißchen älter geworden. Wir haben dieselben Witze gemacht, dieselben Gedanken gedacht, dieselben Dinge gewollt. Jahraus, jahrein, Hecht, waren wir dieselben, nicht weiser, nicht besser; wir haben in den letzten fünfzig Jahren unseres Lebens alle zusammen nicht einen selbständigen Gedanken gehabt. Sie fanden heraus, was für ein Schwindel das alles war, Carne und wir: unsere akademische Kleidung, unsere Klassenzimmerscherze, unsere schlauen kleinen Angebote, sie zu beraten. Und deswegen kommen sie Jahr für Jahr zurück aus ihrem komplizierten, sterilen Leben, um dich und mich, Hecht, fasziniert zu betrachten; wie Kinder, die an einem Grab nach dem Geheimnis von Leben und Tod suchen. O ja, das haben sie von uns gelernt.«

Hecht sah Fielding einen Augenblick lang schweigend an.

»Die Flasche, Hecht?« sagte Fielding leichthin, versöhnlich, aber Hechts Augen waren noch auf ihn gerichtet.

»Wenn das ein Scherz sein soll...«, begann er, und seine Frau bemerkte mit Befriedigung, daß er außerordentlich zornig war.

»Ich wünschte, ich wüßte es, Charles«, antwortete Fielding mit scheinbarem Ernst. »Ich wünschte wirklich, ich wüßte es. Ich dachte früher, daß es klug sei, Tragödie mit Komödie zu vermengen. Nun wünschte ich, ich könnte sie unterscheiden.« Er fand das eigentlich ganz gut.

Sie tranken den Kaffee im Wohnzimmer, wo Fielding beim Klatsch Zuflucht suchte, aber Hecht ließ sich nicht ablenken. Fielding wünschte fast, er hätte ihn seine Pfeife anzünden lassen. Dann erinnerte er sich seiner Vision von den Hechts in Paris, und das stellte seine frohe Laune wieder her. Er war an diesem Abend wirklich gut gewesen. Es gab Augenblicke, in denen er sich selbst überzeugte.