Das Lämpchen glühte rötlich. Devall sagte: »Vierter April, zweisiebennullfünf. Colonel John F. Devall am Schreiber. Hundertneunzehnter Tag unseres Aufenthaltes auf Markin, Welt 7, System 1106-klein-a. Temperatur 34 Grad, neun Uhr; leichter Wind aus südlicher Richtung — «
Er diktierte in ausführlicher Form, wie jeden Morgen. Nachdem er mit den verlangten Einzelheiten fertig war, griff er nach dem Bündel Spezialberichte, die in der vergangenen Nacht eingegangen waren, und diktierte Zusammenfassungen ins Logbuch; der Diktaschreiber ratterte fröhlich, und eine Maschine irgendwo im Keller des riesigen AfaA-Gebäudes in Rio de Janeiro gab seine Worte wieder, übertragen von der Hyperradio-Verbindung.
Es war eine langweilige Arbeit; Devall fragte sich oft, ob er nicht glücklicher gewesen wäre, schlichte, anthropologische Feldarbeit zu leisten, wie er es früher gemacht hatte, statt sich die Bürde oder Routine aufzuladen, die zu einem Verwaltungsposten gehörte. Aber irgend jemand muß sie tragen, dachte er. Die Last des Erdenbewohners. Wir sind die fortgeschrittenste Rasse, wir helfen den anderen. Aber niemand zwingt uns dazu, auf diese Welten zu kommen und zu teilen, was wir haben. Man könnte es einen inneren Zwang nennen.
Er hatte vor, bis Mittag zu arbeiten; am Nachmittag sollte ein Hohepriester der Marker in die Enklave zu ihm kommen, und das Gespräch würde vermutlich fast bis Sonnenuntergang dauern. Aber gegen elf Uhr wurde er plötzlich von unerwartet ins Gelände rollenden Jeeps unterbrochen, und er hörte laute Stimmen — sowohl von Terranern wie von den fremden Wesen.
Man schien sich heftig zu streiten, aber die Gruppe war zu weit entfernt, und Devalls Kenntnisse in der Sprache Markins waren zu unsicher, als daß er sagen konnte, was den Aufruhr ausgelöst hatte. Verärgert schaltete er den Diktaschreiber ab, stand auf und schaute durch das Fenster in den Hof hinaus.
Zwei Jeeps waren abgestellt — der Botaniktrupp, keine zwei Stunden unterwegs gewesen. Vier Eingeborene standen um die drei Terraner herum. Zwei von den Eingeborenen umklammerten mit Stacheln versehene Speere; die dritte Person war eine Frau, die vierte ein alter Mann. Sie wirkten alle überaus erregt.
Devalls Miene verfinsterte sich; den blassen, angespannten, unglücklichen Gesichtern der Männer im Jeep nach war zu erkennen, daß etwas Unerfreuliches passiert war. Der blutrote Sonnenuntergang hatte richtig prophezeit, dachte er, als er hinunterhastete.
Sieben Augenpaare richteten sich auf ihn, als er der Gruppe entgegenschritt: acht glitzernde, hellgoldene Augen der fremden Wesen und sechs unruhige, verlegene Terraneraugen.
»Was ist los hier?« fragte Devall scharf.
Die Eingeborenen fingen sofort an, durcheinander zu schnattern. Devall hatte noch nie erlebt, daß sie sich so benahmen.
»Ruhe!« brüllte er.
In die folgende Stille hinein sagte er leise: »Leutnant Leonards, können Sie mir genau erklären, woher diese Aufregung kommt?«
Der Junge wirkte völlig verängstigt; er biß die Zähne zusammen, seine Lippen waren blutleer.
»Ja-ja, Sir«, stammelte er. »Ich bitte um Verzeihung, Sir. Ich scheine einen Eingeborenen getötet zu haben.«
In der verhältnismäßig privaten Sphäre seines Büros starrte Devall sie alle an — Leonards, der regungslos dasaß und auf seine glänzenden Stiefel blickte, Meyer und Rodriguez, die ihn bei der unheilvollen Fahrt begleitet hatten. Die fremden Wesen waren draußen im Freien; sie zu beruhigen, würde später Zeit sein.
»Okay«, sagte Devall. »Leonards, ich möchte, daß Sie die ganze Geschichte wiederholen, damit ich sie in den Diktaschreiber geben kann. Fangen Sie an zu reden, wenn ich auf Sie zeige.«
Er schaltete das Gerät ein und sagte: »Aussage von Leutnant Paul Leonards, Botaniker, in Anwesenheit des Befehlshabers am 4. April 2705.« Er zeigte mit dem Finger auf Leonards.
Das Gesicht des Jungen sah wächsern aus; auf seiner blassen Stirn standen kleine Schweißtröpfchen, und seine blonden Haare waren zerzaust und verklebt. Er preßte die Lippen gequält zusammen, kratzte sich den Rücken der linken Hand und sagte schließlich: »Tja, wir haben die Enklave gegen neun Uhr verlassen, unterwegs nach Süden und Westen, um die Außengebiete zu erforschen. Wir hatten die Absicht, Botanikproben zu sammeln. Ich — leitete die Gruppe, zu der auch die Sergeanten Meyer und Rodriguez gehörten.« Er machte eine Pause. »Wir — wir leisteten in der ersten halben Stunde wenig; die unmittelbare Umgebung ist schon gründlich von uns untersucht worden. Gegen 9.45 Uhr bemerkte Meyer jedoch ein stark bewaldetes Gebiet links von der Hauptstraße und machte mich darauf aufmerksam. Ich schlug vor, anzuhalten und uns umzusehen. Mit den Jeeps konnten wir im Wald nicht vorwärtskommen, so daß wir uns zu Fuß auf den Weg machten. Ich ließ Rodriguez bei unserer Ausrüstung zurück.
Wir gingen durch ein Waldstück dichtstehender Laubbäume einer Gattung, die wir schon studiert hatten, und fanden uns in seinem abgeschlossenen Gebiet natürlichen Wachstums, einschließlich mehrerer Arten, die bisher noch nicht katalogisiert waren. Wir fanden vor allem eine, einen Strauch, der aus einem einzigen, dicken, saftgrünen Stengel von etwa eineinviertel Meter Höhe besteht, an der Spitze mit einem großen, goldenen und grünen Kompositenblumenkopf. Wir haben ihn ausführlich gefilmt, Duftproben und Blütenstaubabdrücke genommen, sowie einige Blätter entfernt.«
»Die Blume selbst haben Sie nicht gepflückt?« sagte Devall.
»Natürlich nicht. Es war das einzige Exemplar in der Umgebung, und wir zerstören nie einzelne Exemplare nur um des Sammelns willen. Ich habe aber mehrere Blätter vom Stengel entfernt. Und in dem Augenblick, als ich das tat, sprang mich ein Eingeborener von hinten aus dem dichten Farnkraut an.
Er war mit einem der eingekerbten Speere bewaffnet. Meyer sah ihn als erster und schrie, und ich sprang zurück, gerade als das Wesen mich mit dem Speer angriff. Ich konnte den Speer mit der Außenseite des Arms ablenken und wurde nicht verletzt. Der Eingeborene wich einen Schritt zurück und schrie mir in seiner Sprache etwas zu, die ich noch nicht so gut verstehe. Dann hob er den Speer und bedrohte mich damit. Ich trug den üblichen Strahler. Ich zog die Waffe und befahl ihm in seiner eigenen Sprache, den Speer zu senken, wir wollten nichts Böses. Er beachtete mich nicht und griff ein zweitesmal an. Ich feuerte in Notwehr und versuchte den Speer zu vernichten oder den Mann schlimmstenfalls am Arm zu verwunden, aber er fuhr herum, wurde von der vollen Ladung erfaßt und starb auf der Stelle.« Leonards zuckte die Achseln. »Das war es, Sir. Wir sind sofort zurückgefahren.«
»Hmm. Sergeant Meyer, würden Sie sagen, daß diese Angaben im wesentlichen der Wahrheit entsprechen?«
Meyer war ein dunkelhaariger Mann mit schmalem Gesicht, der stets lächelte, aber nicht jetzt.
»Ich würde sagen, daß Leutnant Leonards den Vorfall im wesentlichen so geschildert hat, wie er sich abspielte. Nur schien mir der Eingeborene trotz seiner Handlungen nicht übermäßig wild zu sein. Ich persönlich dachte, daß er bei beiden Angriffen bluffte, und ich wunderte mich ein bißchen, als Leutnant Leonards ihn erschoß. Das ist alles, Sir.«
Der Colonel runzelte die Stirn.
»Hier spricht Devall. Das waren Aussagen im Fall des Fremdwesens, das von Leutnant Leonards getötet worden ist.« Er schaltete das Gerät ab, stand auf, beugte sich über den Schreibtisch und starrte das Trio der Botaniker streng an.
»Sergeant Rodriguez, da Sie bei dem eigentlichen Vorfall nicht zugegen waren, ist Ihre Aussage nicht erforderlich, und ich betrachte Sie als der Verantwortung in dieser Sache ledig. Melden Sie sich bei Major Dudley zur Diensteinteilung für den Rest der Woche.«