»Und was Euch betrifft, mein Herr«, sagte er zu Gumpas, »so erlasse ich Euch die Schuld des Tributs. Aber vor morgen mittag zwölf Uhr müßt Ihr und die Euren dieses Schloß verlassen haben, das jetzt die Residenz des Herzogs ist.«
»Schaut her – das ist ja alles schön und gut«, sagte einer von Gumpas Sekretären. »Aber wie wäre es denn, wenn die Herren dieses Spiel jetzt aufgäben und zur Sache kämen? Die eigentliche Frage, die sich uns stellt, ist doch ...«
»Die Frage ist«, sagte der Herzog, »ob Ihr und das restliche Gesindel ohne Prügel oder mit Prügeln von hier verschwindet! Ihr könnt wählen, was Euch lieber ist!«
Als all dies zur Zufriedenheit geregelt war, orderte Kaspian Pferde, von denen es ein paar im Schloß gab, wenn sie auch sehr schlecht gepflegt waren. Dann ritt er mit Bern und Drinian und ein paar anderen hinaus in die Stadt und wandte sich dort zum Sklavenmarkt. Es war ein sehr langes, niedriges Gebäude nahe am Hafen. Drinnen lief alles so ab wie bei anderen Versteigerungen. Viele Leute waren da, und Pug, der auf einem Podest stand, schrie mit heiserer Stimme: »Jetzt folgt Nummer dreiundzwanzig, meine Herren! Ein guter terebinthianischer Landarbeiter, verwendbar für Bergwerke oder Galeeren. Unter fünfundzwanzig. Keinen einzigen schlechten Zahn im Mund. Ein gutmütiger, muskulöser Kerl. Nimm ihm das Hemd ab, Tucks, damit es die Herren sehen können! Das sind Muskeln! Schaut Euch seine Brust an! Zehn Kreszent von dem Herrn in der Ecke! Das soll wohl ein Witz sein, mein Herr? Fünfzehn! Achtzehn! Achtzehn sind geboten für Nummer dreiundzwanzig. Geht jemand höher? Einundzwanzig. Vielen Dank, mein Herr. Einundzwanzig sind geboten ...«
Pug hielt mit offenem Mund inne, als er die gepanzerten Gestalten erblickte, die sich klirrend dem Podest näherten.
»Jeder Mann auf die Knie vor dem König von Narnia!« rief der Herzog. Alle hörten von draußen das Klirren von Pferdegeschirr und das Stampfen von Pferden, und viele hatten Gerüchte von der Landung und den Geschehnissen im Schloß gehört. Fast alle gehorchten. Diejenigen, die es nicht taten, wurden von ihren Nachbarn heruntergezogen. Ein paar jubelten.
»Du hast dein Leben verwirkt, Pug, weil du gestern Hand an die Person des Königs gelegt hast«, sagte Kaspian. »Aber deine Unwissenheit sei dir verziehen. Vor einer Viertelstunde wurde der Sklavenhandel in all unseren Gebieten verboten. Ich erkläre hiermit alle Sklaven auf diesem Markt für frei.«
Er hob die Hand, um dem Jubel der Sklaven Einhalt zu gebieten, und fuhr fort: »Wo sind meine Freunde?«
»Das liebe kleine Mädchen hier und der nette junge Herr?« sagte Pug mit liebenswürdigem Lächeln. »Sie wurden mir sofort aus der Hand gerissen ...«
»Hier sind wir, hier sind wir, Kaspian«, riefen Lucy und Edmund wie aus einem Mund, und »Zu Euren Diensten, mein König!« piepste Riepischiep aus einer anderen Ecke. Sie waren schon alle verkauft worden, aber die Männer, die sie erworben hatten, waren hiergeblieben, um weitere Sklaven zu ersteigern, und so waren sie noch nicht weggebracht worden. Die Menge teilte sich, um die drei durchzulassen, und dann folgte eine freudige Begrüßung. Sofort näherten sich zwei Händler aus Kalormen. Die Kalormenen haben dunkle Gesichter und lange Barte. Sie tragen fließende Gewänder und orangefarbene Turbane, und sie sind ein weises, reiches, höfliches, grausames und altes Volk. Sie verbeugten sich sehr höflich vor Kaspian und machten ihm viele Komplimente. Sie sprachen von den Quellen des Reichtums, welche die Gärten der Vorsicht und der Tugend bewässern – und von ähnlichen Dingen –, aber natürlich wollten sie nur das Geld zurück, das sie bezahlt hatten.
»Das ist nur gerecht, meine Herren«, sagte Kaspian. »Jeder, der heute einen Sklaven gekauft hat, wird sein Geld zurückerhalten. Pug, bring deine Einnahmen bis auf den letzten Minim!« (Ein Minim ist der vierzigste Teil von einem Kreszent.)
»Will mich Eure Majestät zum Bettler machen?« heulte Pug.
»Du hast dein ganzes Leben lang von gebrochenen Herzen gelebt«, antwortete Kaspian. »Und wenn du tatsächlich zum Bettler wirst, so ist das immer noch besser, als ein Sklave zu sein. Aber wo ist mein anderer Freund?«
»Ach der?« sagte Pug. »Nehmt ihn nur, und werdet glücklich mit ihm. Ich bin froh, wenn ich ihn los bin. Mein ganzes Leben lang habe ich noch keinen derartigen Ladenhüter auf dem Markt gesehen. Ich habe ihn schließlich für fünf Kreszent feilgehalten, und trotzdem wollte ihn keiner haben. Dann habe ich ihn beim Kauf eines anderen Sklaven als Zugabe angeboten, und noch immer wollte ihn keiner nehmen. Niemand wollte ihn anfassen. Tucks, bring den Miesepeter her!«
Und so wurde Eustachius herbeigebracht. Er sah tatsächlich ausgesprochen miesepetrig aus, denn obwohl niemand als Sklave verkauft werden will, so ist es doch vielleicht noch schlimmer, als eine Art Gelegenheitssklave angeboten zu werden, den keiner haben will. Er ging zu Kaspian hin und sagte: »Ich verstehe. Es ist wie immer. Ihr habt euch irgendwo vergnügt, während wir in der Gefangenschaft schmachten mußten. Ich nehme an, daß ihr euch nicht einmal nach dem britischen Konsul erkundigt habt. Natürlich nicht.«
In dieser Nacht hielten sie ein großes Fest im Schloß von Enghafen ab. »Morgen beginnt unser eigentliches Abenteuer«, sagte Riepischiep, nachdem er sich vor allen verbeugt hatte, um schlafen zu gehen. Aber natürlich begann dieses Abenteuer noch nicht am nächsten Tag, sondern erst sehr viel später. Denn jetzt mußten sie jegliches bekannte Land und jegliches bekannte Meer hinter sich lassen, und so waren ausgiebige Vorbereitungen zu treffen. Die »Morgenröte« wurde leergeräumt, von acht Pferden über Rollen an Land gezogen, und jedes einzelne Teil des Schiffes wurde von den erfahrensten Schiffsbauern überprüft. Dann wurde es wieder zu Wasser gelassen und mit so vielen Lebensmitteln und soviel Wasser beladen, wie es nur tragen konnte – das bedeutete, daß sie Vorräte für achtundzwanzig Tage an Bord nahmen.
Während all dies erledigt wurde, ließ Kaspian sich keine Gelegenheit entgehen, die ältesten Kapitäne zu befragen, die er in Enghafen finden konnte, um zu erfahren, ob sie etwas über ein Land weiter im Osten wußten oder irgendwelche Gerüchte darüber gehört hatten. Er schenkte für viele vom Wetter gegerbte Männer mit kurzen grauen Barten und klaren blauen Augen viele Krüge des Schloßbieres aus, und zum Dank wurde viel Seemannsgarn für ihn gesponnen. Aber die vertrauenswürdigsten Männer wußten nichts von einem Land hinter den Einsamen Inseln. Viele glaubten, daß man – wenn man zu weit östlich segelte – in den Sog eines Meeres ohne jegliches Land geriet, das ständig um den Rand der Welt wirbelt – »Und das ist vermutlich die Stelle, wo die Freunde Eurer Majestät ertrunken sind.« Die anderen erzählten nur wilde Geschichten von Inseln mit Menschen ohne Kopf, von dahintreibenden Inseln, von Wasserhosen und von einem Feuer, das am Wasser entlang brannte. Nur einer sagte zu Riepischieps Entzücken: »Und dahinter liegt das Land Aslans. Doch das liegt hinter dem Ende der Welt und ist unerreichbar.« Aber als man ihn befragte, erklärte er lediglich, er hätte dies von seinem Vater gehört.
Bern konnte ihnen nur sagen, daß er seine Freunde nach Osten hatte segeln sehen und daß man nie mehr etwas von ihnen gehört hatte. Dies sagte er, als er und Kaspian auf dem höchsten Punkt von Avra standen und auf das Meer im Osten hinabblickten. »Ich habe manchen Morgen hier gestanden«, sagte der Herzog, »und die Sonne aus dem Meer aufsteigen sehen, und manchmal sah es so aus, als wäre es nur ein paar Meilen von hier. Und ich habe mich gefragt, was aus meinen Freunden geworden ist und was wohl in Wirklichkeit hinter diesem Horizont liegt. Nichts, vermutlich, und doch bin ich immer ein wenig beschämt, weil ich zurückgeblieben bin. Aber ich wollte, Eure Majestät würde dableiben. Es wäre möglich, daß wir hier Eure Hilfe brauchen. Das Schließen des Sklavenmarktes eröffnet vielleicht neue Welten; aber ich befürchte einen Krieg mit Kalormen. Mein Herrscher, überdenkt es noch einmal!«